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Sechseläuten-Umzug erstmals mit Frauenzunft

Fraumünster-Frauen am Sechseläuten: Diesmal offiziell im Umzug dabei, wenn auch nur als Gast. Keystone

Am Sechseläuten, dem traditionellen Frühlingsfest in der Stadt Zürich, darf erstmals eine Frauenzunft mit marschieren. Die "Gesellschaft zu Fraumünster" geniesst aber nur Gastrecht. Bisher war der Festumzug eine reine Angelegenheit der Männerzünfte.

Nach 23 Jahren ist es soweit: Die 1988 gegründete Frauenzunft «Gesellschaft zu Fraumünster» darf erstmals am offiziellen Sechseläuten-Umzug teilnehmen.

Dabei werden die Zunftfrauen als zweite Gruppe durch die Strassen Zürichs ziehen, gleich hinter dem ersten Wagen der Zunft «zum Weggen». Als Ehrengast hat die Frauenzunft unter anderem Renzo Simoni eingeladen, den Chef der Alp-Transit Gotthard AG. Begleitet wird der oberste Erbauer des längsten Eisenbahntunnels der Welt von drei Mineuren.

Die Wahl der Gäste aus dem Tunnelbau hat symbolischen Charakter. «Bis zum Gotthard-Durchstich war viel Geduld nötig, und die Mineure sahen sich manches Mal mit besonders hartem Granit konfrontiert», sagte Regula Zweifel, die Hohe Fraumünster-Frau, wie die Präsidentin der Frauenzunft offiziell heisst. «Aber am Ende war der Durchbruch erreicht.»

Ziel des Umzugs mit den insgesamt 26 Wagen ist der Sechseläutenplatz. Dort wird als Höhepunkt der Böögg angezündet, ein rund dreieinhalb Meter hoher Schneemann, der den Winter symbolisiert. Das Innere des Böögg ist mit Stroh gefüllt, sein Kopf dagegen mit Feuerwerk.

Ritt um den Scheiterhaufen

Die Reiter jeder Zunft dürfen den Scheiterhaufen hoch zu Ross dreimal umrunden. Je schneller der Kopf des Bööggs explodiert, desto schöner und länger soll der Sommer werden. So sagen jedenfalls die Zünftler.

Die Zünfte haben ihren Status von einst als einflussreiche Standesorganisationen eingebüsst. Doch als gesellschaftliche Netzwerke sind sie immer noch von Bedeutung.

Ob die Frauen ihren Platz im Umzug ab jetzt auf sicher haben, ist aber noch unklar. Denn die Einladung der Zunftmeister gilt nur für 2011.

«Wir freuen uns, dass wir nun Teil des offiziellen Umzugs und somit Teil der Zürcher Kulturlandschaft sind», so Regula Zweifel.

Die letzten zehn Jahre waren die Frauen zwar ebenfalls schon am Sechseläuten präsent, aber die Zünftlerinnen mussten eine halbe Stunde vor dem offiziellen Festumzug marschieren.

Zweifel und ihre Mitstreiterinnen warten gespannt eine Umfrage unter den Zünftlern ab, ob die Fraumünster-Frauen ab 2012 einen festen Gästestatus erhalten sollen. Das Resultat soll im Herbst vorliegen.

Wieso sich die Zunftherren so schwer tun mit der Akzeptanz der Zunftfrauen, kann sich Regula Zweifel nicht erklären. «Die Zünfte wollen an ihren Ritualen festhalten, die wenig Gemeinsamkeiten mit den Lebensstilen der Frauen aufweisen», vermutet Zweifel gegenüber swissinfo.ch.

Anerkennung für Mittelaltermarkt

In der Stadt bekannt geworden sind die Fraumünster-Frauen mit der Organisation des jährlichen Mittelalter-Marktes. Dort bieten Aussteller handgefertigte Kunstobjekte und Alltagsgegenstände an, wie sie in der damaligen Epoche verwendet worden waren.

Die Einladung sei eine Anerkennung der Verdienste der Fraumünster-Frauen um den historischen Markt, sagt Sechseläuten-Sprecher Andreas Weidmann. Es sei historisch bedingt, dass Frauen aber nach wie vor nicht regulär am Anlass mitmachen könnten.

«Anfänglich waren Zünfte Vereinigungen von Handwerksmeistern, denen aber auch Frauen angehörten», erklärt Weidmann. Später seien die Zünfte zur reinen Männersache geworden, so wie es auch reine Frauenorganisationen gebe. «Diese Tradition halten wir in Zürich lebendig», so Weidmann.

Abgesehen von der Frauenzunft-Premiere im offiziellen Umzug bleibt an der Sechseläuten-Ausgabe 2011 alles so, wie es seit dem frühen 20. Jahrhundert ist.

Schneider-Ammann, Maurer und Römer

Wiederum beehren Mitglieder der Schweizer Regierung das Frühlingsfest. Dieses Jahr sind es Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sowie Armeeminister Ueli Maurer.

Der Gastkanton Basel-Landschaft wird dafür sorgen, dass am Sechseläuten nicht nur mittelalterliche Zünftler hoch zu Ross zu sehen sein werden, sondern auch Römerinnen und Römer, wie sie vor 2000 Jahren in Augusta Raurica lebten.

Die römische Kolonie liegt auf heutigem Kantonsgebiet von Basel-Landschaft, und die Ruinen der Kolonie gehören heute zu den bedeutendsten archäologischen Stätten der Schweiz. Dies trifft insbesondere auf das römische Theater zu.

Der Umzug und das Verbrennen des Böögg werden am Montag vom Schweizer Fernsehen übertragen. Im vergangenen Jahr dauerte es 12 Minuten und 54 Sekunden, bis der Kopf des Schneemanns explodierte. «Tatsächlich gab es einen langen Sommer, und wir hoffen, dass der Böögg auch dieses Jahr schnell verbrennt», sagt Weidmann.

Sechseläuten ist hinter der Street Parade einer der grössten Anlässe der Stadt Zürich.

Das Fest beginnt jeweils am Freitag Abend mit dem Auftritt des Gastkantons. Dies ist 2011 Basel-Landschaft.

Am Sonntag findet der Kinderumzug statt.

Das eigentliche Fest startet am Montagvormittag um zehn Uhr in den Zunfthäusern. Nach dem Mittagessen beginnt um drei Uhr der Umzug durch die Innenstadt. Die kostümierten Teilnehmer stellen ihre Zünfte auf 26 Wagen dar.

Der Scheiterhaufen unter dem Böögg, der den Winter symbolisiert, wird um 18 Uhr angezündet.

Insgesamt umfasst die Parade rund 5000 Teilnehmer. Laut den Organisatoren säumen jeweils 100’000 Menschen die Strassen.

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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