"Siamo Italiani", von Alexander J. Seiler, June Kovach und Rob Gnant, 1964
Dieser Dokumentarfilm wird 1966 an den 1. Solothurner Filmtagen gezeigt und gilt als einer der Geburtshelfer des Neuen Schweizer Films. Im Stil des "cinéma vérité" – Handkamera, Direktton und keine künstliche Beleuchtung – geben die Autoren den italienischen Saisonniers eine Stimme und bringen erstmals die Figur des Fremden auf die grosse Leinwand.
(Bilder: Solothurner Filmtage – Retrospektive zur 50. Ausgabe)
Solothurner Filmtage
"Charles mort ou vif", von Alain Tanner, 1969
Der am Filmfestival von Cannes in der "internationalen Kritikerwoche" gezeigte Film ist der erste Langspielfilm von Alain Tanner. Damit erregt der Neue Schweizer Film erstmals international Aufmerksamkeit. "Charles mort ou vif" ist ein Film, der den Geist der 1968er-Jahre atmet. Er setzt den Startpunkt eines politisch geprägten Schweizer Autorenkinos.
Solothurner Filmtage
"Schatten der Engel", von Daniel Schmid, 1976
Skandal in Solothurn: Regisseur Daniel Schmid, Rainer Werner Fassbinder und die Schauspielerin Ingrid Caven erscheinen drei Stunden zu spät zur Pressekonferenz. Die Schweizer Filmer verreissen den Film – basierend auf einem Fassbinder-Stück über eine Prostituierte – als zu ästhetisch und zu wenig politisch. Schmid schwört sich, nie mehr nach Solothurn zu kommen. In Deutschland werden Film und Theaterstück als antisemitisch eingestuft und verboten.
Solothurner Filmtage
"Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.", von Richard Dindo und Niklaus Meienberg, 1976
Ausgehend von einem Text Meienbergs und basierend auf Interviews und historischem Material beleuchtet der Dokumentarfilm von Richard Dindo erstmals kritisch die umstrittene Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Der Film führt zu einem Eklat: Die Landesregierung bezichtigt den Regisseur der Manipulation und entzieht ihm eine vorher zugesprochene Qualitätsprämie.
Solothurner Filmtage
"Il valore della donna è il suo silenzio", von Gertrud Pinkus, 1979
Mit "Das höchste Gut einer Frau ist ihr Schweigen" ist Gertrud Pinkus eine der wenigen Frauen des Neuen Schweizer Films. Sie gibt den Frauen eine Stimme. Die Protagonistin, die süditalienische Emigrantin Maria M., ist das Symbol einer gesamten Generation. Der Spielfilm war eigentlich als Dokumentarfilm konzipiert, doch keine der Protagonistinnen will ihr Gesicht zeigen, aus Angst vor dem Urteil ihrer Familie.
Solothurner Filmtage
"Züri brännt", vom Kollektiv Videoladen, 1980
Der Film gilt als zentrales Werk der Gegenkultur und der Unruhen, die Zürich in den 1980er-Jahren erschüttern. Es wird aber auch als Symbol einer Epoche bezeichnet, in welcher der Film als Instrument politischer und sozialer Anprangerung und als Auflehnung gegen die Politik angesehen wird. Trotz zahlreicher Proteste wird "Züri brännt" an den Solothurner Filmtagen gezeigt. Danach eskaliert die Situation.
Solothurner Filmtage
"E nachtlang Füürland", von Clemens Klopfenstein und Remo Legnazzi, 1982
Die Geschichte eines Achtundsechziger-Journalisten wird zum Teil in den Studios von Schweizer Radio International, heute swissinfo.ch, gedreht. Während der Jugendunruhen in Bern zieht ein Sprecher des Schweizer Radios auf Sinn- und Glücksuche durch die Gassen. Der Film markiert den Beginn der Zusammenarbeit zwischen Deutschschweizer Regisseuren und dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das oft als Erzfeind des Autorenkinos bezeichnet wurde.
Solothurner Filmtage
"Matlosa", von Villi Hermann, 1981
Entfremdung und die Suche nach Identität sind zentrale Themen des Schweizer Kinos. Der Film des Tessiner Regisseurs und Produzenten Villi Hermann ist dafür beispielhaft. Der aus einem Bergdorf stammende Familienvater Alfredo arbeitet in einer Firma in Bellinzona. Er geht auf Spurensuche nach seiner Kindheit und seinen Wurzeln. Das Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz unterstützte zum ersten Mal einen Kinofilm.
Solothurner Filmtage
"Ex Voto", von Erich Langjahr, 1987
Erich Langjahrs dokumentarisches Schaffen steht exemplarisch für eine neue Art "Heimatfilm", der im Gegensatz steht zu jenem der 1950er-Jahre mit dessen verklärendem Blick auf eine idyllische Schweiz. Der während sieben Jahren gedrehte Film zeigt die Armut der Bergbauern in der Innerschweiz, die bedrohliche Natur und das konfliktreiche Zusammenspiel zwischen Landschaft und Ökonomie.
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"Babylon 2", von Samir, 1993
Das in Form und Thema neuartige Werk ist der erste Dokumentarfilm eines "Secondos" (in der Schweiz geborene Kinder von Einwanderern) und der erste digital geschnittene Dokumentarfilm. Samir lotet die Grenzen der Videotechnik aus: Split-Screens, Animationen, Überlagerungen von Bildern und Zwischentitel verleihen dem Film eine jugendliche Verspieltheit. Und das alles vor einem autobiografischen Hintergrund.
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"Well done", von Thomas Imbach, 1994
Gemeinsam mit Jürg Hassler begleitet Thomas Imbach während mehrerer Monate die Angestellten einer grossen Informatik-Firma, welche den Schweizer Finanzplatz am Laufen hält. Der formal und inhaltlich innovative Film löst an den Solothurner Filmtagen Begeisterung aus. Er zeigt die postindustrielle Gesellschaft der Schweiz und den Einfluss der neuen Technologien auf den Alltag.
Solothurner Filmtage
"Journal de Rivesaltes 1941-1942", von Jacqueline Veuve, 1997
Jacqueline Veuves ethnographische Dokumentationen begründen eine langjährige Schweizer Dokumentarfilm-Tradition, die auf stetiger Suche nach Realitäten und Geschichten "einfacher" Leute ist. Die französischsprachige Regisseurin verarbeitet in ihrem Werk ein dunkles Kapitel der Weltgeschichte: Die Deportation tausender Jüdinnen und Juden aus dem südfranzösischen Internierungslager Rivesaltes nach Auschwitz.
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"On dirait le sud", von Vincent Pluss, 2001
An einem einzigen Wochenende gedreht, mit wenig Mitteln und viel Begeisterung, drückt "On dirait le sud" die Philosophie einer neuen Generation von Filmschaffenden aus – darunter Ursula Meier oder Micha Lewinsky. Ihr Credo? Zurück zum Wesentlichen, zur kreativen Energie. Der Schlüssel zum Erfolg? Improvisation. Der Film gewinnt 2003 zur Überraschung vieler den Schweizer Filmpreis.
Solothurner Filmtage
"Verflixt verliebt", von Peter Luisi, 2004
Noch heute ist die öffentliche Unterstützung des Filmschaffens, besonders der jungen Generation, immer wieder ein Diskussionsthema. In seinem Film macht Luisi das tiefe Budget und die fehlenden Mittel zum Thema und setzt die knappen Mittel kreativ und konsequent um. Er gewinnt damit den Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken.
Solothurner Filmtage
Überraschende, bahnbrechende und jahrelang nachhallende Premieren in Solothurn. Ein Überblick.
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