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Solothurn und die Realisten

Ivo Kummer, Direktor der Solothurner Filmtage. www.filmtage-solothurn.ch

Am Montag haben die 38. Solothurner Filmtage begonnen. Sie dauern bis zum 26. Januar. Auf dem Programm stehen 258 Filme und Videos aus allen Bereichen.

Gastland ist Belgien, ausserdem werden die «Schweizer Filmpreise» verliehen.

Jedes Jahr im Januar findet wieder eine Sternstunde des Schweizer Films statt. Die Filmtage sind nicht ein eigentliches Festival mit Wettbewerben, sondern vielmehr eine Art «best of» der helvetischen Produktion des abgelaufenen Jahres, ein Anlass, der rund 34’000 Besucherinnen und Besucher (2002) in die acht Säle lockt.

Ein grosses «best of», an dem insgesamt 258 Filme und Videos gezeigt werden, darunter 125 Dokumentarfilme (50 in Spielfilmlänge) und 102 Spielfilme (63 davon Kurzfilme). Dazu kommen einige Experimental- und Zeichentrickfilme.

Die Zahlen sind zwar eindrücklich, stimmen aber nicht ganz, denn dazu kommen noch eine Retrospektive (die diesmal dem Kameramann Pio Corradi gewidmet ist) und eine Auswahl ausländischer Filme: Der erste Gast an den Filmtagen war Québec im Jahr 2002, dieses Jahr kommt die Ehre Belgien zu.

Das EU-Land schickt 27 Filme, davon sechs in Spielfilmlänge. Darunter beispielsweise «Le Fils» der Gebrüder Dardenne, dessen Hauptakteur letztes Jahr in Cannes eine Auszeichnung erhielt.

Wenig Spielfilme

Einmal mehr sind die Spielfilme die armen Verwandten in der Schweizer Filmwelt. Yvo Kummer, Direktor des Anlasses, bedauert dies: «Das ist eine sehr ernste Situation. (…) Schliesslich sind sie die Königsdisziplin des Films!», erklärte er kürzlich.

Zum ersten Mal hat Solothurn deshalb ein Programm für acht Fernsehfilme organisiert.

Bei den Kinofilmen werden einige Premieren vorgestellt. So «Mutanten» von Katalin Gödrös oder «Das letzte Versteck» von Pierre Koralnik. Aber Premieren sind in Solothurn eher die Ausnahme.

Eine Fülle von Dokumentarfilmen

Der Dokumentarfilm «Die Wägsten und Besten des Landes» von Matthias von Gunten zum Beispiel zeigt eine äusserst traditionelle Schweiz. Er befasst sich mit dem Schwingsport. Ausserdem wird «Das Alphorn» von Stefan Schwietert gezeigt.

Aber die Schweizer Filmschaffenden haben ihre Kamera auch auf weiter entfernte Ziele gerichtet: New York, Fernost, Afrika…

Gemeinsames Thema dieses Jahr ist der Tod in seinen verschiedensten Formen. Stefan Haupt hat einen Film über die Zürcher Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross gedreht, die in den USA lebt. «La mort nécessaire» («Der notwendige Tod») der Neuenburgerin Juliette Frey zeigt die Palliativpflege für Menschen, die dem baldigen Ende ihres Lebens entgegen sehen.

Denise Gilliand befasst sich in «Aux frontières de la mort» («An der Grenze zum Tod») mit dem Dialog zwischen Spital und Sterbenden. «Schreiben gegen den Tod» von Rolf Lyssy und Dominique Rub erzählt von den Bedingungen, unter denen die zum Tod Verurteilten in den USA leben, und über die Erlebnisse einer Schweizerin, die eine Beziehung mit einem Amerikaner in einer texanischen Todeszelle eingegangen ist.

Ist es Zufall oder Zeichen einer Krise oder einer kollektiven Depression der Schweizer Filmschaffenden? Wie auch immer, zu lachen gibt es im winterlichen Solothurn wohl wenig. Aber das ist ja nichts Neues.

Am Rand der Filmtage: Der Schweizer Filmpreis

Die 6. Schweizer Filmpreise werden am Mittwoch am Rand des Anlasses verliehen. Die Jury unter Leitung des Filmemachers und Regisseurs Daniel Schmid vergibt fünf Preise für den besten Spielfilm, den besten Dokumentarfilm, den besten Kurzfilm, die beste Darstellerin und den besten Darsteller.

Dabei sind die Westschweizer dieses Jahr ziemlich in der Minderzahl. Zwar sind Patricia Plattner mit «Les petites couleurs» («Die kleinen Farben») und Vincent Pluss mit «On dirait le sud» («Fast wie im Süden») für die Kategorie Spielfilm ernannt, aber sonst fehlen die Frankophonen sowohl bei den Dokumentarfilmen wie auch bei den Darstellern.

Die Gala der Preisverleihung wird am Mittwoch, 22. Januar, um 22 Uhr 55 am Deutschschweizer Fernsehen SF DRS 1 und um 23 Uhr 05 am Westschweizer Fernsehen TSR 2 gezeigt.

swissinfo, Bernard Léchot

258 Filme und Videos

Darunter 125 Dokumentarfilme (50 in Spielfilmlänge) und 102 Spielfilme (63 davon Kurzfilme) sowie einige Experimental- und Zeichentrickfilme

Dazu eine Retrospektive und einige ausländische Filme

Gast an den Filmtagen: Belgien mit 27 Filmen

Fehlende Öffentlichkeit, Mittel und Ausbildungs-Möglichkeiten für das junge und unabhängige Filmschaffen in der Schweiz waren 1966 die Motivation für eine Tagung zum «Schweizer Film heute». Ihr Erfolg rief nach Wiederholung; die VertreterInnen eines neuen Filmverständnisses hatten in Solothurn eine Plattform für ihre Filme und Anliegen gefunden.

Aus der Initiantin der Tagung, der Film-Gilde Solothurn, wurde die Schweizerische Gesellschaft Solothurner Filmtage, und der Anlass hiess fortan Solothurner Filmtage. Unter anderem wurde 1967 in Solothurn auch der Grundstein für ein Schweizerisches Filmzentrum gelegt und seit 1998 findet in Solothurn die Verleihung des Schweizer Filmpreises statt.

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