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Solothurner Filmtage in erfolgreichem Umfeld

Eintauchen in die mystische Welt des Marmorera-Stausees. (Bild: marmorerafilm.ch)

Bundesrat Samuel Schmid hat am Montagnachmittag die Solothurner Filmtage eröffnet. Sie bieten einen Querschnitt durch das aktuelle Schweizer Filmschaffen.

Der Schweizer Film verzeichnet gegenwärtig einen regelrechten Höhenflug: 2006 haben so viele Menschen einheimische Filme gesehen wie noch nie.

Mit der Schweizer Premiere des Mystery-Thrillers «Marmorera», einem Spielfilm über ein im Stausee versunkenes Schweizer Dorf, sind die 42. Solothurner Filmtage am Montag offiziell eröffnet worden.

Die Werkschau des Schweizer Films hat in letzter Zeit öfter für Schlagzeilen gesorgt.

Im Zentrum der Debatte stand dabei aber nicht der siebentägige Anlass selber, sondern der Schweizer Filmpreis.

Die Filmtage haben damit eigentlich organisatorisch nichts zu tun; sie bieten lediglich die Plattform dafür.

Nicolas Bideau, Leiter der Sektion Film im Bundesamt für Kultur (BAK) und damit Organisator des Preises, hatte letzten Januar eine Kontroverse um Solothurn als Gastort für den Filmpreis losgetreten. Solothurn sei nicht unbedingt für einen glamourösen Anlass dieser Art geeignet, hatte er befunden.

Doch am Filmfestival Locarno im Sommer tönte es plötzlich ganz anders: Der Standort Solothurn stehe nicht mehr in Frage, erklärte Bideau. Auch sein Vorgesetzter, Bundesrat Pascal Couchepin, sprach sich mehrmals für Solothurn aus.

Roter Teppich

Mehr Glamour, mehr Hollywood wurde angekündigt, ein «Schweizer Oscar» sollte die Vergabe des mit insgesamt 600’000 Franken dotierten Filmpreises werden, mit Stars und Sternchen.

Doch daraus scheint nicht viel zu werden: Angesagt ist lediglich Schweizer Polit-Prominenz. Und auch die Jury ist eher mit weniger bekannten Personen besetzt.

Nach einigem Hin und Her um den Veranstaltungsort ist nun klar, dass die Verleihung im Konzertsaal stattfinden wird. Nur dieser ist gross genug, um die rund 700 eingeladenen Gäste aufzunehmen. Und immerhin ist für den Anlass «festliche Abendgarderobe» vorgeschrieben.

Neu wird am Mittwochabend beim Filmpreis auch eine Auszeichnung für das beste Drehbuch vergeben. Bideau plant, dass in Zukunft die Sparte «Filmmusik» ebenfalls einen eigenen Preis erhalten soll.

Top-Film übergangen

Zu reden gegeben hat in letzter Zeit auch die Tatsache, dass die äusserst erfolgreiche Komödie «Die Herbstzeitlosen» um eine ältere Dame, die in ihrem verschlafenen Dorf einen Dessous-Laden eröffnet, nicht für den Filmpreis nominiert wurde.

Dies, obwohl sich Bideau vom Filmpreis eine grössere Breitenwirkung erhofft. Der Film von Bettina Oberli mit Stephanie Glaser in der Hauptrolle ist indes nicht der erste Kassenschlager, der von der Jury bei der Nomination übergangen worden ist.

Die ganze Debatte um den Filmpreis habe aber auch ihre guten Seiten, sagte Festivaldirektor Ivo Kummer in der Presse. Sie zeige, dass sowohl Solothurn wie auch der Filmpreis ernst genommen würden.

Einige Neuheiten

Auch die Filmtage können mit Neuheiten aufwarten. So wird erstmals der «Prix du Public» verliehen, an dem alle 11 Abendfilme der beiden Hauptspielstätten Landhaus und Reithalle teilnehmen.

Zudem präsentiert das unabhängige «non-profit»-Kulturprojekt agent-provocateur.ch die Siegerfilme des öffentlichen Wettbewerbs für zeitgenössische Kürzestfilme bis 30 Sekunden. Auch dies eine Premiere.

Rekordjahr

Für den Schweizer Film wird 2006 als Rekordjahr in die Geschichte eingehen. «Grounding – Die letzten Tage der Swissair» über das Airline-Debakel und «Die Herbstzeitlosen» liegen mit je gegen 400’000 Eintritten fast gleichauf an der Spitze.

Zwar erreichte 2005 der erfolgreichste Schweizer Film «Mein Name ist Eugen» die Rekordzahl von über einer halben Million Besuchern. Doch «Die Herbstzeitlosen» läuft derzeit immer noch erfolgreich in den Kinos, mit über 10’000 Zuschauern pro Woche.

Weil mit dem Wunderkind-Drama «Vitus», in Hollywood im Rennen um den Auslands-Oscar, und der Komödie «Handyman» zwei weitere Filme rund 200’000 Besucher erreichten, kommt die Schweiz 2006 auf einen Rekord-Marktanteil von 9,6% (2005: 5,9%).

Mit 60% der Eintritte kommen die meisten Filme aus den USA. Doch gleich danach folgen die Schweizer Produktionen, noch vor Frankreich mit 8,7%, Grossbritannien mit 8,3% und Deutschland mit 6%.

swissinfo, Christian Raaflaub

Die 10 an der Kinokasse erfolgreichsten Schweizer Filme 2006:
1. Grounding: 374’137
2. Die Herbstzeitlosen: 361’850
3. Handyman: 206’163
4. Vitus: 197’349
5. Jeune homme: 99’310
6. Mein Name ist Eugen: 63’971
7. Das Fräulein: 46’431
8. Das Erbe der Bergler (Dok): 33’968
9. Cannabis: 23’367
10. Mon frère se marie: 23’353

Bester Spielfilm:
– Comme des voleurs (Lionel Baier)
– Das Fräulein (Andrea Staka)
– Grounding (Michael Steiner/Tobias Fueter)
– Mon frère se marie (Jean-Stéphane Bron)
– Vitus (Fredi M. Murer)

Bester Dokumentarfilm:
– Das Erbe der Bergler (Erich Langjahr)
– Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez (Heidi Specogna)
– Ein Lied für Argyris (Stefan Haupt)
– Hippie Masala (Ulrich Grossenbacher/Damaris Lüthi)
– La liste de Carla (Marcel Schüpbach)

Bestes Drehbuch (neu):
– Cannabis
– Das Fräulein
– Jeune homme
– Nachbeben
– Vitus

Beste Hauptrolle:
– Jean-Luc Bideau (in «Mon frère se marie»)
– Stephanie Glaser (in «Die Herbstzeitlosen»)
– Michael Neuenschwander (in «Nachbeben»)

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