Sommerfest mit Bockwurst und Jodel
Die Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin feierte am Wochenende ihr traditionelles Sommerfest. Dieses Jahr stand die Schweiz im Zentrum – vom Alpkäse bis zum Zäuerli-Jodel.
Die Schweiz, das sind nicht nur Berge, Seen und Schokolade, sondern auch moderne Literatur und Kunst. Zum Beispiel der Bündner Maler und Bildhauer Viktor Bisquolm, der lange Jahre in Australien lebte und von dort die Punktmalerei der Ureinwohner mitgebracht hat. Oder Silvio Huonder, gebürtiger Churer und Autor, von dem soeben ein Band mit Kurzgeschichten erschienen ist.
Die beiden Schweizer leben schon länger in Deutschland und waren vergangenes Wochenende zu Gast beim Sommerfest der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin.
Während Bisquolm zusammen mit Besuchern an einem grossen Gemeinschaftsbild malte, las Huonder aus seinem neuen Buch «Wieder ein Jahr, abends am See». Die Stiftung Donnersmarck, die sich für Menschen mit einem Schädel-Hirn-Trauma einsetzt, veranstaltet jedes Jahr ein mehrtägiges Fest für die Bewohner und Mitarbeiter mit ihren Familien, für Besucher, Nachbarn und Stiftungsfreunde.
Die Feier ist dabei jeweils einem Land beziehungsweise einem Kulturraum gewidmet.
Jodel aus dem Regenwald und Appenzell
Dieses Jahr stand die Schweiz im Mittelpunkt. Mit Unterstützung der Schweizerischen Botschaft präsentierten die Veranstalter ein buntes Potpourri von Aktionen und Darbietungen – manchmal haarscharf am Klischee der schönen «Schoggischweiz» vorbei schrammend, manchmal auch erfrischend mutig.
So wurde viel gejodelt – aber eben nicht unbedingt so, wie man es kennt. Auf der Holzbühne im weitläufigen Garten der Villa Donnersmarck in Berlin-Zehlendorf juchzte kein bodenständiger Männerchor in schmucker Appenzeller Tracht, sondern das Vokal-Duo «transalpin».
Die beiden Künstler Ingrid Hammer und Sigurd Bemme verwoben ironisch und höchst stimmig Bausteine aus verschiedenen Jodelkulturen miteinander und schufen so neue Klangwelten. Mühelos schafften sie den Spagat zwischen einem traditionellen Zäuerli, dem appenzellerischen Naturjodel, und einem Jodel aus dem zentralafrikanischen Regenwald. Das Publikum war begeistert.
Models im Rollstuhl
Dass die Schweiz auch in Sachen Mode neue Ufer beschreitet – oder in diesem Fall befährt – zeigte am Freitagnachmittag die Modedesignerin Pia Fischer.
Einige ihrer Models fuhren im Rollstuhl auf die Bühne: «In diesem Haus leben Menschen mit einer Behinderung. Deshalb war es für mich selbstverständlich, dass unter den Models auch Rollstuhlfahrerinnen sein sollen», erklärte die gebürtige Luzernerin.
Fischer lebt schon seit längerem in Berlin und hat sich einen Namen gemacht mit extravaganten und farbenprächtigen Kollektionen. Beim Auftritt am Schweizer Fest dominierten die Farben Rot und Weiss, dazu setzte Fischer ironische Akzente wie schwarz-weiss gefleckte Kuhhosen oder eine Tobleroneverpackung als Haarschmuck. «Ich wollte zeigen, wie man die Schweizer Fahne in tragbare Mode umsetzen kann.»
Kulinarisch präsentierte sich die Schweiz von ihrer traditionellen Seite. Nebst Rüeblikuchen, Caramelköpfli, Alpkäse und Schweizer Weinen gab es «Berner Wurst» vom Grill: eine Schweinswurst umwickelt mit Emmentaler und Speck. «Das ist aber leider kein Cervelat, sondern eine ganz normale deutsche Bockwurst», informierte der Mann am Grill die Schweizer Gäste.
Mehr Mut gewünscht
Dass ein Cervelat sozusagen ein helvetisches Nationalsymbol darstellt, und was es sonst noch für mehr oder weniger wichtige Schweizer Wahrzeichen gibt, darüber konnten sich Besucherinnen und Besucher bei einem Quiz informieren.
«Ich kenne die Schweiz ganz gut. Aber dass die Nationalhymne ‹Schweizer Psalm› heisst und Käsekuchen salzig ist, das wusste ich nicht», sagte ein älterer Herr. Wer über ein breites Schweizwissen verfügte und sich auch von Fragen nach dem Schweizer Konkordanzsystem nicht beirren liess, konnte unter anderem 1,5 Kilogramm Appenzeller Käse oder Audio-CDs der Schweizer Botschaft gewinnen.
Am Sonntag spannten die Veranstalter noch einmal den Bogen von der traditionellen zur modernen Schweiz. Mit dem Film «Heimatklänge», einem Porträt der drei Sänger und Musiker Erika Stucky, Noldi Alder und Andreas Zehnder, wurde auf eindrückliche Weise gezeigt, wie aus urtümlicher Volksmusik ganz neue Musikprojekte entstehen.
Man hätte sich für die drei Tage in der Villa Donnersmarck noch mehr solche Beispiele von Schweizern und Schweizerinnen gewünscht, die stolz sind auf ihre Wurzeln und es gleichzeitig wagen, neue Wege zu gehen.
swissinfo, Paola Carega
Die 1916 gegründete Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin unterstützt Menschen, die ein Schädel-Hirn-Trauma beziehungsweise einen Schlaganfall erlitten haben.
Im Zentrum der Stiftungsarbeit steht dabei die nachklinische neurologische Rehabilitation: Die Villa Donnersmarck in Berlin-Zehlendorf schliesst sozusagen die Lücke zwischen Reha-Klinikaufenthalt und Neueingliederung in den Alltag.
Das offene Haus mit dem grossen Garten ist heute ein anerkanntes Rehabilitationszentrum mit einem umfassenden medizinischen, therapeutischen und kulturellen Angebot.
Zur Institution gehören mehrere Wohngemeinschaften, betreute Wohnanlagen und ein ambulanter Pflegedienst.
Ziel der Stiftung, die über ein Stiftungsvolumen von rund 180 Millionen Euro verfügt, ist es, die Menschen in ein möglichst selbstbestimmtes Leben zurückzuführen und sie dabei zu unterstützen.
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