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«SP-Wirren und SVP-Klarheit»

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Der eine tritt auf dem Höhepunkt des Erfolges seiner Partei ab, der andere auf dem Tiefpunkt: So sieht die Schweizer Presse die Rücktritte der SVP- und SP-Parteipräsidenten.

Die Demissionen von Ueli Maurer und Hans-Jürg Fehr werden in den Medien als politische Paukenschläge empfunden.

Der Rücktritt des Präsidenten der Sozialdemokratischen Partei (SP), Hans-Jürg Fehr, sei nach der Wahlschlappe aus der Not heraus erfolgt, schreibt der Zürcher Tages-Anzeiger. Der Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Ueli Maurer, habe seinen Abgang hingegen schon vor den Wahlen vorbereitet und abgesprochen.

«Der Unterschied ist exemplarisch für die beiden Parteiführungen und steht letztlich auch für ihren Erfolg und Misserfolg.» Oder kurz zusammengefasst, wie der Tagi titelt: «SP-Wirren und SVP-Klarheit».

«Doppelter Donnerschlag»

Die Neue Luzerner Zeitung bezeichnet den Rücktritt der beiden Parteipräsidenten als «doppelten Donnerschlag». Und dieser hänge mit den Wahlen zusammen.

«Ueli Maurer verlässt die SVP nach zwölfjähriger Arbeit an der Parteispitze auf dem Höhepunkt seiner Karriere und dem (vielleicht vorläufigen) Höhepunkt der SVP», schreibt die NLZ. Anders bei Fehr: Er habe wohl immer mit dem Makel zu leben, die Partei in wenigen Jahren in ein historisches Tief geführt zu haben.

Aber immerhin: Für die Berner Zeitung hat SP-Präsident Fehr nach der Wahlschlappe Grösse gezeigt. «Wenn einer Partei fast ein Fünftel der Wählerschaft den Rücken kehrt, braucht es einen Neubeginn», schreibt die BZ.

Ähnlich tönt es in der Aargauer Zeitung, die von einer «Zeit des Aufbruchs» spricht. Ein Neuanfang bei der SP bringe die Chance für einen Generationenwechsel.

«Triumph und Elend»

Es sei einzigartig, dass die Präsidenten am selben Tag den Rücktritt angekündigt hätten – allerdings vor unterschiedlichem Hintergrund, heisst es im Berner Bund.

«Hans-Jürg Fehr erlebte am vergangenen Wochenende sein Waterloo.» Ueli Maurer hingegen gehe auf seinem politischen Höhepunkt, «das Haupt mit Lorbeer umkränzt». Oder wie Der Bund titelt: «Triumph und Elend».

Maurers Abgang sei zudem kalkuliert. Am Tag, da Verena Diener ihre erneute Kandidatur zu den Zürcher Ständeratswahlen ankündigte, habe er ihr die Schlagzeilen gestohlen.

Die Neue Zürcher Zeitung zieht bereits in den Schlagzeilen Bilanz über die beiden zurücktretenden Parteipräsidenten. Ueli Maurer, den die Basler Zeitung übrigens als «Blochers Trompeter» bezeichnet, ist für die NZZ «ein Parteipräsident fürs Lehrbuch». Und Hans-Jürg Fehr ist «der ‹Fehrplayer› ohne Feuer».

Ein erfolgloser Trainer muss gehen

Wenn der Trainer verliere, müsse er gehen, schreiben die Westschweizer Zeitungen Tribune de Genève und 24heures. Fehr habe wenig Charisma und sei klar der «Sündenbock für den Abstieg der Sozialisten in die zweite Spielklasse der Schweizer Politik».

Wenig schmeichelhaft auch der Kommentar zu Ueli Maurers Abgang: «Er ist ein altmodischer, gegen 60 gehender Mann, der die Frauen nur dann liebt, wenn sie zu Hause bleiben und der in den Wählern der französischsprachigen Schweiz lediglich Wahlkanonenfutter sieht.»

Le Temps sieht in der Demission Maurers einen Teil der «grossen Manöver» der SVP hinsichtlich der Bundesratswahlen. Und Fehrs Rücktritt habe das Verdienst, «die Situation der SP zu klären».

Eine Klärung bei der SP scheint der Tessiner Zeitung La Regione wichtig. «Für die SP ist viel auf dem Spiel. Sie kann sich keine Fehler mehr erlauben.»

Für den Corriere del Ticino ist die SVP immer wieder für Überraschungen gut. «Immer.» Und diesmal sei es diese: «Eine Mannschaft, die gewinnt? Die muss ausgewechselt werden!»

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Die Schweizer Parlamentswahlen haben am 21. Oktober stattgefunden.

Die SP ist mit 19,5% der Stimmen die grosse Verliererin. Das entspricht einem Rückgang gegenüber den Wahlen 2003 von 3,8% oder dem Verlust von 9 Sitzen im Nationalrat.

Die SVP erreicht mit 29% der Stimmen einen neuen Höhepunkt. Gegenüber 2003 gewann die SVP 2,3% oder 7 Sitze.

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