SRI-Kurzwellendienst: Das Ende einer Epoche
Der Schweizer Auslandsdienst auf Kurzwelle gehörte seit dem Zweiten Weltkrieg international zu den angesehensten Radio-Programmen.
Mit einem Abschiedsfest beim Sendemast in Sottens (VD), dem letzten Kurzwellensender, ging am Montag formal ein langes Kapitel Schweizer Radiogeschichte zu Ende.
«Fast 70 Jahre lang haben unsere Kurzwellenprogramme eine bedeutende Rolle gespielt, um die Realität und die Rolle der Schweiz im Ausland bekannt zu machen», betont Nicolas Lombard, Direktor von swissinfo, der neuen Bezeichnung von Schweizer Radio International (SRI) seit der Umstellung auf eine multimediale Internet-Plattform.
«SRI war Jahrzehnte lang eine Nabelschnur für die Auslandschweizer. Sie besassen häufig keine anderen Informations-Möglichkeiten über die Schweiz», doppelt Giovanni Conti nach. Als Direktor von Swisscom Broadcast ist er für die technischen Aspekte des Kurzwellendienstes verantwortlich gewesen.
Technologie und Migration
Die Geburt von SRI fiel in die 30-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Es war die Pionierzeit des Radios. Damals begann man auch, auf Kurzwelle zu senden.
Dank der Kurzwelle entstand ein Kommunikations-Instrument, das es erlaubte, innerhalb von kürzester Zeit in die hintersten Winkel der Erde vorzudringen. Es war so etwas wie der Anfang des Globalisierungszeitalters in den Medien.
Die Schweiz war unter den ersten Ländern, die diese Technologie nutzten. Man wollte so das Informationsbedürfnis der mehr als 200’000 Landsleute im Ausland befriedigen.
Die Gemeinschaft der Auslandschweizer wuchs innerhalb von wenigen Jahrzehnten stark an. Die Migration führte viele Schweizer bei der Suche nach Arbeit von verarmten Alpentälern in industrialisierte Regionen Europas oder in die neue Welt nach Übersee.
Vom Faschismus umzingelt
Zugleich beschleunigte das Aufkommen der faschistischen Diktaturen in den Nachbarländern die Geburt von SRI. Der Sender sollte ein Ventil schweizerischen Nationalbewusstseins sein und die Prinzipien der Eidgenossenschaft im Ausland verbreiten.
Ab 1935 sendete die Radio Schweiz AG über den 20-kW-Kurzwellensender des Völkerbundes, der 1932 in Prangins eingerichtet worden war. Am 27.4.1938 stimmte das Schweizer Parlament dem Bau des ersten Kurzwellen-Zentrums in Schwarzenburg (Kanton Bern) zu.
Während des Zweiten Weltkriegs ab dem Jahr 1939 kam SRI eine besonders wichtige Aufgabe zu. In dieser tragischen Epoche wurden die Sendungen der beiden grossartigen Journalisten René Payot und Jean-Rodolphe von Salis zu den einzigen «freien Stimmen» in Kontinentaleuropa.
Mehr als in jeder anderen historischen Epoche war die Schweiz damals von Ländern isoliert, welche die gleichen Ideale und Rechtsauffassungen teilten. «Nur die Kurzwellensendungen erlauben es, in der ganzen Welt die Botschaft zu verbreiten, dass im Herzen Europas noch eine demokratische Insel existiert», schrieb Paul Borsinger, der erste SRI-Direktor, während des Zweiten Weltkriegs.
Goldene Zeiten
Die Nachkriegsphase, insbesondere die Phase des Kalten Krieges, entwickelte sich dann zum goldenen Zeitalter von SRI. Die Sendungen wurden in acht Sprachen ausgestrahlt. Pro Jahr trafen bis zu 130’000 Briefe von Hörerinnen und Hörern aus aller Welt ein.
«In dieser Epoche politischer Propaganda hat die Neutralität der Schweiz sicherlich den Erfolg von SRI begünstigt», meint Nicolas Lombard, der seit 1965 für Schweizer Radio International tätig ist.
Meinungsumfragen der Agentur Gallup in den USA und des Internationalen Kurzwellen-Clubs in Grossbritannien haben in den 60-er und 70-er Jahren ergeben, dass SRI zu den angesehensten und am meisten gehörten internationalen Radiostationen zählte, gleich nach den grossen Sendern aus den USA, Grossbritannien, Frankreich und Deutschland.
Die Schweiz hat keine Vergangenheit als Kolonialmacht. Und dies verschaffte SRI einen Vorteil in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas, wo die internationalen Radiostationen häufig die einzige Informationsquelle darstellten.
Im Kalten Krieg rüsteten die beiden Blöcke in Ost und West nicht nur militärisch gegeneinander auf, sondern führten auch einen Propagandakrieg über ihre Radiosender, über Frequenzen und die Leistung der Antennen.
In diesem medialen Wettrüsten geriet auch SRI unter Zugzwang. So wurde 1972 in Sottens ein 500-KW-Sender mit Drehstandantenne für den Überseedienst installiert, der die Leistung gegenüber dem Vorläufer verzehnfachte.
Ende oder Übergang?
Doch Ende der 80-er Jahre begann der schleichende Niedergang des Kurwellenzeitalters für das Radio.
Mit dem Fall der Mauer 1989 in Berlin brach die Spannung zwischen Ost und West zusammen, aber auch das Interesse für die geopolitische Situation der Welt. In fast allen Ländern konzentrierten sich die Medien auf die nationale Berichterstattung. Die internationalen Sender gerieten in eine Identitätskrise.
Die gute Empfangsqualität von Radiosendungen auf FM-Frequenzen sowie die neue Satellitentechnologie, die weltweit Fernsehbilder übermitteln kann, verstärkte die Krise des Kurzwellenmediums.
Das Sparprogramm des Bundes versetzte dem teuren Kurzwellendienst schliesslich den Gnadenstoss. Das Ende einer Ära war erreicht.
Giovanni Conti redet jedoch lieber von einem technologischen Übergang statt von einem Ende.
«Eine veraltete Technologie wie die Kurzwelle ist am Ende, dafür kommt eine neue, digitale Technologie. Wir müssen die Qualität der alten Technologie immer so lange wie möglich aufrecht erhalten, ohne den Anschluss an die neuen Technologien zu verpassen», meint der CEO von Swisscom Broadcast.
Dieser Meinung schliesst sich auch Nicolas Lombard an: «Internet kann das Kurzwellenangebot nicht einfach ersetzen. Es öffnet aber neue und grandiose Möglichkeiten der multimedialen Kommunikation, die wir uns bis heute kaum vorstellen konnten.»
swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
1935: Start des Schweizer Kurzwellendienstes um Programme im Ausland verbreiten zu können.
1939: Errichtung des 1. Kurzwellen-Zentrum in Schwarzenburg (Kanton Bern).
1972: Der Kurzwellensender Sottens wird in Betrieb genommen.
1978: Umbenennung in Schweizer Radio International (SRI)
2004: Einstellung des Kurzwellensender Sottens; die Kurzwellen-Ära geht zu Ende.
Mit seinem Kurzwellenprogramm in acht Sprachen erreichte Schweizer Radio International (SRI) während des Kalten Krieges weltweit schätzungsweise zwischen 5 und 10 Millionen Zuhörerinnen und Zuhörer.
In Folge der Krise des Kurzwellenradios entschied SRI Ende der 90-er Jahre, auf die Ausstrahlung von Radioprogrammen weitgehend zu verzichten. Die letzte Sendung in englischer Sprache wurde am 12.April 2004 ausgestrahlt.
Am 30. Oktober 2004 wird das Kurzwellenradio vollständig eingestellt. SRI konzentriert sich künftig ganz auf die multimediale, neunsprachige Internet-Plattform www.swissinfo.org.
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