Stefan Kaegi erhält den Hans Reinhart-Ring 2015
Die höchste Auszeichnung im Theaterleben, der Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring 2015, geht an den Autor und Regisseur Stefan Kaegi. Als Mitglied des deutsch-schweizerischen Theaterkollektivs Rimini Protokoll entwickelt er Theater auf der Bühne oder in freien Räumen, bei dem keine Profis, sondern sogenannte "Experten des Alltags" im Zentrum stehen.
Kulturminister Alain Berset hat den mit 100’000 Franken dotierten Preis am Donnerstag-Abend anlässlich des 2. Schweizer Theatertreffens in Winterthur überreicht.
Geläufiger als der Name des 1972 in Solothurn geborenen Stefan Kaegi dürfte das Theaterkollektiv Rimini Protokoll sein, das Kaegi im Jahr 2000 zusammen mit Helgard Haug und Daniel Wetzel, seinen ehemaligen Studienkollegen am Giessener Institut für Angewandte Theaterwissenschaften, gegründet hat.
Unter diesem Label realisiert Kaegi seit 2002 allein, zu zweit oder zu dritt Projekte, in denen er «Experten des Alltags» auf die Bühne holt, Leute aus dem realen Leben, die Auskunft geben. Daher der Begriff Protokoll: Es geht um Bestandesaufnahmen über ein Know-how, das sich um Orte und Dinge herum angesammelt hat, rund um Gerichtssäle etwa oder in einem Sterbehospiz, um zwei ältere Beispiele zu nennen.
Wesentliche Impulse
Rimini-Protokoll zeigen ihre Projekte weltweit an renommierten Theaterhäusern, aber auch auf freiem Feld. Die früheren, informationszentrierten Produktionen erinnern ein wenig an unorthodoxe Seminarabende, neuere bewegen sich hin zum interaktiven Parcours oder verlassen das Theater und erobern den öffentlichen Raum. In «Situation Rooms» etwa vor einem Jahr im Zürcher Schiffbau bekam jeder Besucher iPad und Kopfhörer in die Hand gedrückt, die ihn ins Innere von realen Geschichten führten: Vom Krieg versehrte Leute wie Drogenkrieger, Anwalt und Köchin schilderten darin ihre Erlebnisse.
Hans-Reinhart-Ring
Mit dem Bundesgesetz über die Kulturförderung, das im Januar 2012 in Kraft trat, hat das Bundesamt für Kultur (BAK) einen breiten Fächer von eidgenössischen Preisen ins Leben gerufen, die jedes Jahr in den Sparten Literatur, Tanz, Theater und Musik verliehen werden.
Der Hans-Reinhart-Ring ist ein 1957 gegründeter Preis, mit dem seither jedes Jahr eine Persönlichkeit des Schweizer Theaters geehrt wird. Der Ring ist nach dem Winterthurer Mäzen Hans Reinhart benannt, welcher ihn 1957 gestiftet hat.
Bisher 2013 er von der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur vergeben. Mit der Schaffung des eidgenössischen Preises hat ihn das BAK übernommen. Jetzt wird der Ring, von dem jedes Jahr für die Preisträgerin oder den Preisträger ein neues Exemplar hergestellt wird, vom Kulturamt verliehen, das die Tradition fortführt.
Zu den auf der internationalen Bühne bekanntesten Personen unter den Gewinnern des Rings gehören: Werner Düggelin, Benno Besson, Bruno Ganz, WernLuc Bondy, Christoph Marthaler, Daniele Finzi Pasca und Emil Steinberger.
Damit setzten Kaegi und das Kollektiv Rimini Protokoll «wesentliche Impulse für das internationale zeitgenössische Theater», schreibt das Bundesamt für Kultur, das den Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring auf Empfehlung der Eidgenössischen Jury für Theater vergibt.
Der Hans Reinhart-Ring wird seit 1957 von der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK) verliehen. Seit 2013 setzt der Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring die Tradition als wichtigster Schweizer Theaterpreises fort.
Reality Trend
Kaegi, geboren 1972 in Solothurn, studierte in Zürich Kunst an der Schule für Kunst und Design (F&F) und in Giessen Angewandte Theaterwissenschaften – dort lernte er Helgard Haug und Daniel Wetzel kennen. Mit ihnen gründete er die Theatergruppe Rimini Protokoll, die ihr Hauptquartier im Berliner Theater Hebbel am Ufer (HAU) haben. Das Kollektiv gewann zahlreiche Preise, darunter einen Spezialpreis des Deutschen Theaterpreises DER FAUST (2007) und den Silbernen Löwen der 41. Theaterbiennale Venedig (2011).
Die drei gelten als Begründer eines Reality-Trends im Theater. «In Form von Bühnenwerken, Filmen, Hörspielen oder ortsspezifischen Aktionen ermöglichen sie ungewöhnliche Sichtweisen auf die Realität», so das Bundesamt für Kultur.
Kleinkunstpreis für Pedro Lenz
Weitere Auszeichnungen gingen an Brigitte Rosset, Schauspielerin an der Comédie de Genève, und Robert Hunger-Bühler, Ensemblemitglied am Schauspielhaus Zürich. Auch die Genfer Performance-Künstlerin Maya Bösch, die Schreibwerkstatt Dramenprozessor, die Zürcher Theatergruppe Karl’s kühne Gassenschau und die aus dem Tessin stammende Szenografin Margherita Palli, erhielten Theaterpreise. Der in Olten lebende Spoken-Word-Autor Pedro Lenz erhält den Kleinkunstpreis.
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