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Sternenforscher sucht nach bewohnbaren Exoplaneten

Michel Mayor erwartet, dass die erste Raumfahrt-Mission zu einem Exoplaneten in den nächsten 20 Jahren gestartet wird. swissinfo.ch

Im 21. Jahrhundert dürften riesige Fortschritte im Verständnis für extrasolare Planeten oder Exoplaneten gemacht werden, erwartet Astronom Michel Mayor. Zum Anlass des internationalen Astronomiejahrs stand er swissinfo Red und Antwort.

1995 machte Mayor zusammen mit seinem Berufskollegen Didier Queloz von der Universität Genf eine Entdeckung, die die moderne Astronomie revolutionierte.

Sie beobachteten den ersten Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, der sich 42 Lichtjahre von der Erde entfernt um einen Stern dreht.

Zwölf Jahre später entdeckten die beiden Forscher Gliese 581 c, einen grossen terrestrischen extrasolaren Planeten, der um den Roten Zwerg Gliese 581 kreist.

Bis heute wurden über 300 Exoplaneten entdeckt, die Hälfte davon vom Team der Universität Genf.

Im März will die US-Raumfahrtsbehörde Nasa ein neues Teleskop namens Kepler ins All schicken, das sich auf die Suche nach erdähnlichen Exoplaneten im Licht von weit entfernten Sonnen machen soll.

swissinfo: Wie wichtig waren die beiden Männer, Johannes Kepler und Galileo Galilei, die dieses Jahr gefeiert werden?

Michel Mayor: Beide haben enorme Leistungen für die Astronomie erbracht. Sie sind die Gründerväter und Schlüsselfiguren, auch wenn sie vor langer Zeit gelebt haben und sich die Physik seither extrem weiterentwickelt hat.

Kepler hat mit eine mystische Suche unternommen, um das Universum zu organisieren – er entdeckte dabei die drei mathematischen Standard-Gesetze der Planetenbewegung. Das war ein echter Wendepunkt.

In meiner Arbeit befasse ich mich mit Exoplaneten, aber die mathematischen Grundlagen sind oft mit den Keplerschen Gesetzen verbunden. Und die Mechanismen basieren grösstenteils auf Galileos Arbeiten. Diese beiden Figuren sind also auch heute noch sehr präsent.

swissinfo: Im 20. Jahrhundert wurden aussergewöhnliche Fortschritte im Verständnis von Sternen gemacht. Wird das 21. das Jahrhundert der Exoplaneten?

M.M.: Das 20. Jahrhundert war eine unglaubliche Periode für die Astrophysik. Zuerst fanden wir heraus, wie Sterne funktionieren. Dann entdeckte Hans Bethe 1937 die Herkunft der Energie unserer Sonne.

Danach wurden wichtige Beiträge zu der Frage geleistet, wie Sterne entstehen, geformt werden und sterben. Eine weitere erstaunliche Arbeit war die Nukleosynthese – das Verständnis für die Entstehung der chemischen Elemente.

Eine weitere bahnbrechende Entdeckung im 20. Jahrhundert war der Anfang der mathematischen Kosmologie. Basierend auf Albert Einsteins Relativitätstheorie gelang dem Menschen ein vergleichender Zugang, um die Entwicklung des gesamten Universums zu erklären.

Die ersten Exoplaneten wurden Ende des Jahrhunderts entdeckt. Doch es ist unglaublich, was wir in den letzten 15 Jahren alles über Exoplaneten gelernt haben. Heute kennen wir über 300.

Doch was mich mehr beeindruckt, ist, wie viele Leute auf diesem Gebiet arbeiten. Es gab eine Vervielfachung der verschiedenen Techniken – Einsatz von Satelliten, Forschung auf der Erde und fundamentale theoretische Methoden.

Die ersten bescheidenen Bilder von Exoplaneten wurden vor einigen Monaten erstellt, doch wir kennen auch ihre Masse, ihre Umlaufbahnen und ihre innere Struktur.

Wir beginnen nun, ihre Atmosphäre zu analysieren, um Wasser, Kohlendioxid und Natrium feststellen zu können. Und wir haben direkt die Temperaturen in ihrer Atmosphäre gemessen.

swissinfo: Wie schwierig ist es, einen Exoplaneten zu entdecken?

M.M.: Ein Exoplanet wiegt weniger als ein Stern, darum sind Störungen in den Bewegungen eines Sternes eine indirekte Nachweismethode. Doch die Masse eines Planeten ist wichtig, denn wenn sie zu klein ist, hat sie keinen Einfluss auf einen Stern.

Die andere Schwierigkeit ist es, zu versuchen, einen solchen Planeten wirklich zu sehen. Stellen Sie sich eine Kerze vor, die einen Meter vor einem Leuchtturm steht, und Sie versuchen, diese von tausend Kilometern Entfernung zu sehen. Es ist klar, dass der Leuchtturm die Kerze total überstrahlt und es Ihnen verunmöglicht, sie zu sehen.

swissinfo: Inwieweit kann die dreijährige Kepler-Mission der Nasa das Verständnis für das Universum und die Entdeckung von neuen Planeten verbessern?

M.M.: Das Ziel der Mission ist, die Anzahl erdähnlicher Planeten festzustellen, die sich in der richtigen Distanz zu ihrem Stern befinden und auf denen sich möglicherweise Leben bilden könnte.

Wir haben jetzt viele Informationen über grosse Exoplaneten, aber die Grossen sind für uns nicht so interessant. Damit Leben entstehen kann, braucht es relativ leichte, felsige Planeten mit der richtigen Temperatur. Und die Maschinen, die es heute gibt, haben grosse Mühe, solche Planeten aufzuspüren.

swissinfo: Wie hoch ist die Chance, dass es wirklich Leben auf einem anderen Planeten im Universum gibt?

M.M.: Als Wissenschafter fühle ich mich nicht fähig, diese Frage zu beantworten. Es ist möglich, dass es zahlreiche felsige Exoplaneten mit der richtigen Temperatur gibt, die um sonnenähnliche Sterne kreisen. Aber wir wissen einfach nicht, welche möglicherweise interessant wären, damit sich Leben entwickelt.

Doch das ist nicht das grösste Problem. Auch wenn alle Faktoren stimmen bleibt die Frage: Wie gross ist die Chance, dass Chemie und Biologie einen so komplizierten lebenden Organismus hervorbringen können, wie es eine einzelne Zelle ist?

Wir wissen es nicht. Es gibt Leute, die sagen, wenn es hier auf der Erde passiert sei, könne es auch anderswo vorkommen – aber wir wissen es wirklich nicht. Die Biologie ist noch nicht genügend erforscht, um diese Frage zu beantworten.

Wir müssen bescheiden bleiben. Das Universum brauchte mehrere hundert Millionen Jahre, um diese chemischen Experimente in einem grossen Labor durchzuführen – der Erde.

Das ist das ungefährliche wissenschaftliche Argument. Doch persönlich glaube ich, dass das Leben eine Art Nebenprodukt der Gesetze des Universums ist, und wenn die Bedingungen stimmen, ist Leben in der einen oder anderen Form möglich.

An dieser Idee ist nichts schockierend. Die Atome, aus denen wir bestehen, stammen aus einem Stern. Ich kann gut mit der Idee leben, dass auch anderswo Leben existiert.

swissinfo: Was erwarten Sie vom internationalen Astronomiejahr?

M.M.: Astronomie ist schön. Die wichtigsten Aspekte des Universums und dessen Funktionsweise zu verstehen, ist faszinierend.

Wir neigen dazu, Kultur in verschiedene Bereiche einzuteilen: Malerei, Musik, Bildende Kunst, und dann noch die Wissenschaft. Doch Wissenschaften wie Astronomie, Archäologie oder Paläontologie sind alle Teil der Kultur. Es ist eine Schande, dass man beispielsweise die wichtigen Fortschritte in der Astronomie während des 20. Jahrhunderts kaum kennt.

Doch das internationale Astronomiejahr könnte auch eine andere Rolle spielen: In den letzten Jahren ist die Zahl der Studierenden in den reinen Wissenschaften wie Physik oder Mathematik zurückgegangen. Darum hoffe ich, dass die aufregende Seite der Astronomie es schafft, das Interesse zu wecken und neue Studenten anzulocken.

swissinfo-Interview: Simon Bradley
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Planenten ausserhalb unseres Sonnensystems werden Exoplaneten genannt.

Der erste Exoplanet wurde 1995 von den beiden Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz im Observatorium der Universität Genf entdeckt.

Seit dann wurden mehr als 300 Exoplaneten entdeckt, wenn auch keiner durch ein Teleskop gesehen werden kann. Sie können nur indirekt nachgewiesen werden.

Die grösste Anzahl der bisher entdeckten Exoplaneten sind so genannte «heisse Jupiter»: Grosse Gasplaneten, die nah um ihren Stern kreisen.

2007 jedoch fanden Mayor und sein Kollege Stéphane Udry den ersten Exoplaneten in vergleichbarer Grösse zur Erde Er ist 20,5 Lichtjahre oder 193 Billionen Kilometer entfernt und seine Masse ist fünfmal schwerer als die Erde.

Über 130 Länder feiern 2009 das internationale Astronomiejahr mit verschiedenen Anlässen und Aktivitäten, um das Interesse für das Thema zu wecken.

Die Kampagne der internationalen astronomischen Union und der Unesco hat mit der Eröffnungszeremonie am 15. und 16. Januar in Paris begonnen.

Die Organisatoren feiern das 400-Jahr-Jubiläum von Galileo Galileos erstmaligem Gebrauch eines astronomischen Teleskops und der Publikation von Johannes Keplers Astronomica Nova, eines Traktats, das die fundamentalen Gesetze der Planetenbewegungen beschrieb.

Für einen Anlass werden Gruppen in über 30 Ländern an mehr als 150 Orten Hobby-Astronomen helfen, ihre Teleskope auf der Strasse und in wissenschaftlichen Zentren aufzustellen, damit Passanten einen Blick auf die Sonne erhaschen können – natürlich mit professioneller Schutzausrüstung.

In der Schweiz findet die Eröffnungszeremonie am 5. Februar an der Universät Bern statt.

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