Streifzug durch die Schweiz des 20. Jahrhunderts
Ein kiloschweres Natel, ein tonnenschwerer Bankkundensafe, eine Bluse der ersten Bundesrätin Elisabeth Kopp, die Street Parade: Das sind alles Objekte des 20. Jahrhunderts.
Mit verschiedenen kulturgeschichtlichen Zeugnissen führt eine Ausstellung des Landesmuseums Zürich die Besucher in die jüngste Vergangenheit zurück.
Seit 15 Jahren sammelt das Schweizerische Landesmuseum Objekte, welche die Kulturgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert dokumentieren. Die Sonderausstellung «Preview – Streifzug durch die Schweiz im 20 Jahrhundert» zeigt einen Teil dieses grossen Sammelbestandes.
Die rund 130 Objekte, Fotos und Gemälde stammen nicht aus der Fundschicht einer Grabung, sondern aus dem Alltag der letzten drei Generationen. Sie zeigen in zehn thematischen Gruppen einen Querschnitt der Schweizer Geschichte zwischen 1900 und 2005 – oder von Ferdinand Hodler bis Pipilotti Rist.
Von der Generalsmütze Ulrich Willes…
Da ist die Feldmütze von Ulrich Wille (1848-1918), General der Schweizer Armee von 1914-1918 zu sehen. Oder ein Kundensafe aus dem Jahr 1912 der ehemaligen Schweizerischen Volksbank. Oder ein Toilettentisch aus Birkenholz mit Glaseinsatz aus den Jahren 1928/29.
Einfach und funktional das Modell Notzimmergarnitur des in die Schweiz gelangten jüdischen Flüchtlings Mauritius Ehrlich. Er entwickelte 1942 die Notzimmergarnitur für Kriegsgeschädigte. Bis 1947 wurden 30’000 davon als Starthilfe für Notleidende produziert.
…bis zu den Love Mobiles der Street Parade
Unter jüngeren Zeitzeugen-Objekten ist zum Beispiel eine dreibeinige Liege mit Hocker aus glasfaserverstärktem Polyester aus dem Jahr 1970 zu sehen. An den Einzug der ersten Frau in die Schweizer Landesregierung 1984 erinnern Jupe und Bluse, die Elisabeth Kopp bei ihrer Vereidigung zur Bundesrätin trug. Und dann die Sonnenbrosche von Ruth Dreifuss, der zweiten Frau im Bundesrat.
Das ausgestellte Solarmobil ist Zeitzeuge des ersten Solarmobilrennens in der Schweiz 1985, der «Tour de Sol». Das heutige Trend-Objekt Mini-Trottinett gab es schon 1994, hergestellt in den Sulzer Lehrlingswerkstätten von Edmundo Duarte, auf Anregung eines Lehrlings. Und schliesslich das Bild «Motion on the Sun», Love Mobiles und tanzende Massen an der Street Parade 1999.
Erforschung der jüngsten Schweizer Geschichte
Anfang des 20 Jahrhunderts vergingen noch rund 100 Jahre, bis ein Objekt ins Museum kam. Heute wird von Generation zu Generation gesammelt. Für Museumsdirektor Andres Furger ist dies auch notwendig, denn viele Dinge seien später kaum mehr zu bekommen. Darum sei es wichtig, früh mit dem Sammeln zu beginnen.
Das Landesmuseum will mit der Ausstellung «Preview» einen Anstoss zur systematischen Erforschung der Schweizer Geschichte im 20. Jahrhundert geben. Furger regt dazu ein Nationales Forschungsprogramm an. Mit der Ausstellung will das Landesmuseum einen ersten Anstoss dazu geben.
Notwendiger Neubau
«Preview» sei gewissermassen auch eine Vorschau auf den geplanten Landesmuseums-Neubau in Zürich. Dass die jüngste Kulturgeschichte der Schweiz bisher keinen Raum im Landesmuseum fand, macht nach Ansicht Furgers die Dringlichkeit der geplanten Erweiterung des Gebäudes in Zürich deutlich.
Von den seit über 15 Jahren systematisch gesammelten Objekten zur Kulturgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert sah das Publikum bis anhin wenig. Die jetzige Dauerausstellung des Landesmuseums zum Beispiel endet thematisch bereits im 17. Jahrhundert.
Stolze 28’000 Objekte aus dem Zeitraum von 1900 bis 2005 besitzt das Sammlungszentrum des Museums heute. Die derzeitige Ausstellung «Preview» bietet laut Museumsdirektor Furger zumindest Gelegenheit, eine Auswahl dessen zu zeigen, was in den Depots schlummert.
Ein Ausblick
Einen Rückblick auf die Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert zeigt uns also die Ausstellung im Zürcher Landesmuseum. Warum heisst ein solcher Rückblick «Preview»?
Darauf haben die Ausstellungs-Macherinnen Pascale Meyer und Christina Sonderegger eine klare Antwort: Sie verstehen den Rückblick eben auch als Ausblick auf weitere zeitgeschichtliche Ausstellungen.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Das Schweizereiche Landesmuseum sammelt seit über 15 Jahren gezielt Objekte, welche die Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts dokumentieren. Diese Gegenstände stehen stellvertretend für wichtige Ereignisse, Bewegungen und Strukturen der Sozial-, Wirtschafts- sowie der Kunst- und der politischen Geschichte der Schweiz.
Auf der Basis ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung wurden aus dem Sammlungsbestand zehn Themen ausgewählt: «Lebenswelten», «Innovation», «Arbeit», «Luxus», «Konsumkultur», «Geld und Gold», «Krisen und Konflikte», «Ladies first», «Ausstellung Schweiz» und «Heimat».
Die gesammelten Objekte werden entweder an Auktionen ersteigert, über Sammler oder den Handel erworben, oder Privatpersonen bieten dem Museum ihre Objekte an.
«Preview – Streifzug durch die Schweiz im 20. Jahrhundert»:
Landesmuseum Zürich, 5. Mai – 29. Oktober 2006
Rund 130 Objekte, Fotos und Gemälde
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