Swiss Institute: Ein «Juwel» in einer Stadt der Museen
Das Swiss Institute in New York ist 20 Jahre alt geworden. Die Institution setzt sich heute für einen innovativen Kulturdialog zwischen der Schweiz und den USA ein.
Von einer Plattform für zeitgenössisches Schweizer Kunstschaffen hat sich das Institute zu einer geschätzten Adresse für Gegenwarts-Kunst in der New Yorker Kunstszene entwickelt.
Das Swiss Institute (SI) ist heute eine innovative Einrichtung, die nationale Stereotypen und traditionelle Kunst-Thesen hinterfragt.
Ein Kunstraum, der sich wie die Stadt New York immer wieder wandelt.
Die Schweizer Adresse geniesst in der lokalen Kulturszene einen guten Namen. Die «New York Times» reihte das SI jüngst unter fünf kleinen «Juwelen in einer Stadt vieler Museen» ein.
«Freche Nationalplattform»
Seit September hat das SI mit Gianni Jetzer einen neuen Direktor.
Was sind seine Ziele, wie sieht er Kunst, was will er beim Publikum erreichen?
Klar sei, dass das Institut einen guten Ruf habe, auf dem er aufbauen könne, sagt Jetzer. «Die Frage ist, ob man Geheimtipp bleiben darf/kann, oder ob man wachsen will.»
«Ein Ziel ist es, dieses Schweizer Institut als freche National-Plattform weiter zu bringen. Die Schweiz hat eine komplexe nationale Identität und viele Kunstschaffende – das ist neben der 8-Millionen-Metropole New York eine Herausforderung.»
Kunst, so Jetzer, dürfe ruhig wieder ein bisschen unberechenbarer werden. «Wenn wir uns als westliche Gesellschaft Kunst leisten, soll sie auch eine gesellschaftliche Wirkung haben, zum Denken anregen, Risiken eingehen, nicht Salonkunst sein.»
Von der Upper West Side nach SoHo
1986 wurde das Swiss Institut von Schweizerinnen und Schweizern gegründet, als Plattform für Schweizer Kultur in ihrer neuen Heimat.
Untergebracht war das SI damals im Swiss House an der 67. Strasse an der Upper West Side von Manhattan.
Das Haus, dem Basler Rathaus nachempfunden, war 1904 von der Swiss Benevolent Society gebaut worden. Diese hatte dort ursprünglich bedürftige Schweizer Immigranten und Immigrantinnen unterstützt.
1994 zog das Swiss Institute ins Touristen- und Künstlerquartier SoHo um, an den Broadway 495. Mit dem Umzug setzte auch eine Neuausrichtung des Instituts ein.
Die erste vollamtliche Direktorin, Carin Kuoni, setzte auf Themen-Schaus mit Bezug zu den USA, um das Interesse des amerikanischen Publikums zu wecken.
Auf Kuoni folgte Annette Schindler, die noch mehr als ihre Vorgängerin Grenzen überschritt und der es gelang, das SI in der Kunstszene der Stadt zu verankern.
Konzentration auf Visuelle Kunst
Unter dem Romand Marc-Olivier Wahler, der im Jahr 2000 Schindlers Nachfolge antrat, erfolgte schliesslich die Konzentration auf Visuelle Kunst.
Wahler beschritt auch in der Mittelbeschaffung neue Wege.
«Er verstand es hervorragend, das Swiss Institute zum Bild einer Schweiz zu machen, die sich öffnet. Er setzte in gewissem Sinne die ‹guten Dienste› in Ausstellungen um», erklärt Gabriela Eigensatz, die Kulturbeauftragte des Schweizer Generalkonsulats, im Gespräch mit swissinfo.
Für ausländische Vertretungen sei es schwierig, das amerikanische Publikum anzusprechen. Dem SI gelinge das heute. Man gehe wegen des qualitativ herausragenden Kulturangebots dorthin, nicht um Schweizer zu treffen.
«Es geht immer mehr ums Thema, nicht um Nationalitäten.» Das SI sei zu einem Ort geworden, an dem man Kontakte knüpfen, unterschiedlichste Leute treffen könne.
Jetzt hat unter Gianni Jetzer wieder eine neue Epoche begonnen. Für Eigensatz gab Jetzer mit «House Warming», seiner ersten Ausstellung, einen guten Einstand. Die Schau sei provokativ-ausgewogen.
Die Zusammenarbeit mit Jetzer sei gut angelaufen. «Ich schätze seine Kommunikationsfähigkeit, er kann gut auf Leute eingehen.»
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Pro Helvetia
Die neue Flagge, der neue Geist
Das SI liegt versteckt im dritten Stock eines Art-Déco-Gebäudes am Broadway 495. An der Tür weist nur der Name auf der Klingel-Anlage den Weg zum Kunstraum.
Früher flatterte an der Fassade eine Schweizer Flagge, doch zur Zeit ist das Haus eingerüstet. Sobald das Gerüst weg ist, soll dann wieder eine Flagge, eine etwas besondere, auf das SI hinweisen. Entworfen hat sie der Schweizer und Wahl-New-Yorker Olaf Breuning.
«Sie spielt mit der Schweizer Identität», sagt Jetzer. «Das Kreuz wird zum kleinen Gespenst, einem witzigen, sympathischen Maskottchen, das vom Broadway grüsst.»
«Die Menschen denken hier viel zu schnell an Schokolade und Uhren, wenn sie Swiss hören», sagt Jetzer. «Wir wollen das Schweizer Image komplexer gestalten, am besten so komplex wie sich die Schweiz heute darstellt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts als kleines, vitales Land im Herzen Europas.»
Anders als Schweizer Kultur-Institutionen wie das Centre Culturel in Paris oder das Istituto Svizzero in Rom ist das SI keine Schweizer Einrichtung, sondern eine amerikanische Stiftung, die von der Schweiz finanziell unterstützt wird.
Die Stiftung wird von einem schweizerisch-amerikanischen Vorstand unter dem Ko-Präsidium von Dieter von Graffenried, Verleger der Kunstzeitschrift «Parkett», und Fabienne Abrecht, Event-Managerin, geführt.
Das SI wird fast zur Hälfte von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia finanziert. Für den Rest kommen Firmensponsoren und private Spender auf.
Mit der Ausstellung «Housewarming», der Party beim Einziehen in eine neue Wohnung, gab der neue SI-Direktor Gianni Jetzer seinen Einstand als Kurator.
Jetzer lud für «Housewarming» sieben Kunstschaffende aus der Schweiz (Vincent Kohler, David Renggli), Deutschland (Michael Beutler), England (Damien Roach), Polen (Agnieszka Brzezanska ), Amerika (Jenny Vogel) und Schweden (Kollektiv Uglycute) ein, die sich auf unterschiedlichste Weise mit dem Thema, dem Einrichten von Räumen, befassten.
Geb: 1969, aufgewachsen in Zürich.
Studium der Kunstgeschichte und erste Ausstellungs-Erfahrungen in Zürcher Galerie.
Ab 1998 Assistent und Ko-Kurator Migros-Museum.
Initiant von vier Kunstprojekten für die Expo.02.
Ab 2001 Leiter der Kunsthalle St. Gallen.
2005 Swiss Award für seine Kuratoren-Arbeit in St. Gallen.
Seit Herbst 2006 Direktor am SI in New York.
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