Weltkrieg in den Nachbarländern, Spanische Grippe, Revolutionen, Armut — heute ist es schwierig, sich ein Bild von der Schweiz während des Generalstreiks zu machen. Wie uns Fotografien aus dieser Zeit weiterhelfen: Eine kleine Bildbetrachtung.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Daniel Rihs (Text & Bildredaktion)
Ein Bild wirkt auf den ersten Blick wahrhaft: Als Beweis einer Tatsache, die eins zu eins abgebildet wird. Doch die Betrachtung einer Fotografie unterliegt stets unseren eigenen kulturellen Prägungen, Vorinformationen, Erwartungen.
Gerade historische Fotografien sind herausfordernd: Es fehlen Datierungen, Namen, Informationen. Die Suche danach ist nicht immer ganz einfach. Bei dieser Galerie zum Generalstreik haben wir in verschiedenen Archiven und mit verschiedenen Fachleuten die Information zusammenbekommen.
Was sehen wir?
Wir nehmen exemplarisch das erste Bild als Beispiel: Wir sehen vierzehn Kinder mit Eimern in den Händen. Dunkle Strümpfe: Es könnte kalt sein. Die Gebäude sowie die Hausmauer aus grossen Steinquadern rechterhand lassen auf eine städtische Umgebung schliessen. Der verschmitzte Gesichtsausdruck vom Jungen in der Bildmitte gibt der Szenerie etwas Heiteres.
Was wissen wir?
Aufschluss über die Lebenswirklichkeit dieser Kinder gibt uns ein Bildkommentar des Zürcher Fotografen und Sozialforschers Roland Gretler (1937 – 2018), der mit «Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte»Externer Linkein Bildarchiv zur Arbeiterbewegung aufbaute. In einer Spezialausgabe der Schweizer «Wochenzeitung» vom 5. November 1998Externer Link schreibt er, dass er das Foto von 1917 in einem Umschlag mit der Aufschrift ‘Tante Emilie’ erhalten habe.
Über Tante Emilie konnte er kaum mehr in Erfahrung bringen, als dass sie als engagierte Sozialistin jeweils Suppe an die armen Kinder in Zürich verteilte. Gretler macht darauf aufmerksam, dass Soldaten damals einen Sold von 80 Rappen pro Tag erhielten, ohne Entschädigung für Lohnausfall.
Ein Bild spricht nie für sich selbst
Jetzt wird klar, warum ein solches Foto in einer Dokumentation zum Generalstreik erscheint: Während Industrielle mit Munitionsverkäufen an die Kriegsparteien grosse Gewinne machten, waren am Ende des Ersten Weltkriegs 700’000 Menschen in der Schweiz auf öffentliche Unterstützung wie verbilligte Abgaben von Lebensmittel angewiesen.
Ein Bild mag mehr als tausend Worte sagen, aber es spricht nie für sich selbst. Es braucht stets einen Kontext, um es richtig begreifen zu können.
Die Zeit um den Generalstreik in der Schweiz war eine komplexe. Hier finden Sie die Ereignisse der Jahre 1918 und davor im Überblick:
Mehr
Mehr
Vor der Revolution kam die Kapitulation
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Vor 100 Jahren katapultierte er die Schweiz in die Nähe eines Bürgerkrieges: Der Landesgeneralstreik 1918. Wie kam es dazu? Ein Überblick.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
Wie die Schweiz ein gerechteres Wahlsystem schuf
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
1918 beschliesst das Schweizer Volk Historisches: Die Einführung des Verhältniswahlrechts. Wie kam es zu diesem Entscheid?
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Vor 100 Jahren katapultierte er die Schweiz in die Nähe eines Bürgerkrieges: Der Landesgeneralstreik 1918. Wie kam es dazu? Ein Überblick.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Das mehrsprachige Theaterprojekt «1918.CH» erinnert an den landesweiten Generalstreik vor 100 Jahren. Am Donnerstag war Premiere in der Alten Hauptwerkstätte der SBB in Olten. Das Projekt mit täglichen Aufführungen dauert bis 23. September. «Ein Land braucht Erinnerung, so wie jeder Einzelne Erinnerung braucht. Wenn ich nicht weiss, wo ich herkomme, weiss ich nicht, wer ich…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch