Techno-Bässe lassen Zürich vibrieren
Zürichs Innenstadt verwandelt sich dieses Wochenende zum grössten Techno-Dancefloor Europas. Für die 16. Street Parade tanzen mehrere Hunderttausend durch die Strassen am Seebecken.
Die Parade hat mit einem Umzug begonnen, während dem die tanzenden Massen 23 vibrierende Sattelschlepper bis in die Aussenbezirke begleiten.
Die 23 aus dem In- und Ausland gekommenen «Love Mobiles»-Sattelschlepper werden seit 13 Uhr von Hunderttausenden von House- und Technofans unter dem Motto «Respect!» begleitet – zuerst zum «Warm-up» mit den ägyptischen DJ’s Aly & Fila, anschliessend auf dem schrillen Umzug.
Ihre Route führt die Raver, Partygänger und Schaulustigen auf 2,4 Kilometern um das Seebecken Zürichs. Die pumpenden Beats und Grooves sind aber noch in den weiter entfernten Teilen der Innenstadt zu hören.
Gegen 22 Uhr soll der Umzug zu Ende gehen. Danach ist vor dem Opernhaus eine stündige Lasershow vorgesehen. Nebst der offiziellen Street Parade finden in und um die Limmatstadt rund 100 Parties vom Grossrave bis zum Underground-Event statt. Die Polizeistunde in Zürich ist für Innenräume aufgehoben.
Eröffnung durch den Gründer
Um 14.30 Uhr eröffnete der Gründer der Street Parade, Marek Krynski, den offiziellen Teil der diesjährigen Parade.
Er war kurzfristig in die Bresche gesprungen, nachdem Dr. Motte, der Begründer der Berliner Love Parade, am Samstagmorgen wegen Krankheit abgesagt hatte.
Zwei Love Mobiles ausgefallen
Ursprünglich waren 25 Love Mobiles für den Start gemeldet. Ein deutsches Love Mobile schaffte es allerdings wegen technischer Probleme nicht bis nach Zürich.
Und auch das Buddha-Mobile von Techno-Paradiesvogel Etienne Rainer war nicht am Start dabei. Im Vorjahr waren 37 Love Mobiles dabei. Die schön dekorierten Love Mobiles, die sich mit einer Geschwindigkeit von 0,5 km pro Stunde bewegen, fahren ausserdem klimaneutral.
Ohrstöpsel empfohlen
Bezüglich der zulässigen Lautstärke gelten an der Street Parade klare Vorschriften. Laut Street Parade-Sprecher Stefan Epli dürfen die DJ’s ihren Sound mit höchstens 100 Dezibel durch die Lautsprecher jagen.
Wer sich also unmittelbar bei einem der vibrierenden Sattelschlepper aufhält, sollte laut der Empfehlung der Veranstaltung Ohrstöpsel benutzen.
Rund 200 Techno-DJ’s sind angesagt. Unter den Stars ist besonders der Deutsche Paul van Dyk zu erwähnen – weltweit die Nummer 1 in dieser Art von Musik.
Am Vormittag noch Wolkendecke
Noch am Vormittag hatte eine dunkelgraue Wolkendecke den Himmel über Zürich verhüllt. Zudem setzte zum wiederholten Male ein hartnäckiger Nieselregen ein, sodass Strassen und Wiesen noch während längerer Zeit feucht blieben. Die Temperatur blieb frisch, vom Sommer war kaum etwas zu spüren.
Doch Petrus war den Ravern wohl gesinnt: Gegen Mittag blinzelte erstmals die Sonne durch und die Wolkendecke lichtete sich allmählich. Dementsprechend erwarteten die Veranstalter für die diesjährige Parade 600’000 bis 900’000 Besucher. Am späten Nachmittag waren es dann 800’000 – wie vor einem Jahr.
Lange Nacht
Entlang der Umzugsroute dürfen die Gartenwirtschaften ihre Gäste auch nach Mitternacht im Freien bewirten. Die SBB setzen für den Anlass rund 110 Extrazüge ein. Der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) fährt rund um die Uhr, ebenso die meisten Tram- und Buslinien der Stadt.
Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte stehen erneut mit einem Grossaufgebot bereit. Wie die Zürcher Stadtpolizei im Vorfeld meldete, will sie den Grossanlass auch als Vorbereitung auf die EURO 08 nutzen.
Am Hauptbahnhof von Zürich können die Raver die Pillen, die sie gekauft haben und die im Umlauf sind, analysieren lassen. Die Veranstalter machen auch auf den Umstand aufmerksam, dass immer mehr Junge Alkohol konsumieren – ein Phänomen, das immer mehr Sorge bereitet.
Die diesjährige Street Parade ist laut Sprecher Epli mit einem Budget von 1 Mio. Franken eine «low budget»-Veranstaltung. Möglich sei das nur, weil die DJ’s ihre Sounds gratis auflegen und 3000 Freiwillige ohne Lohn arbeiten.
Ein Toter nach Messerstecherei
Auf einer Brücke im Festareal der Innenstadt fand die Polizei am Abend einen jungen Mann mit Stichverletzungen im Brustbereich am Boden. Trotz sofortiger Betreuung durch Rettungssanitäter erlag der Mann noch am Tatort seinen Verletzungen. Die Kantonspolizei Zürich sucht einen zirka 18-jährigen Tatverdächtigen.
swissinfo und Agenturen
1992 gründete der Student Marek Krynski die Zürcher Streetparade. Inspiriert wurde er von einem TV-Bericht über die Berliner Loveparade.
An der ersten Parade machten rund 2000 Personen mit. Sie fand auf der noblen Bahnhofstrasse statt, was vielen in Zürich sauer aufstiess.
2002 fiel erstmals eine Parade ins Wasser – nach zehn sonnigen Ausgaben. Trotzdem tanzten rund 650’000 Leute auf dem nassen Asphalt.
2006 hiess das Motto «Move your mind». Dies sollte die aufkommende Konsumhaltung am Anlass bekämpfen. Immer mehr Besucherinnen und Besucher auf der Strasse folgten der Parade unverkleidet.
Das diesjährige Motto heisst «Respect!» – nicht nur Respekt gegenüber Natur und Mitmenschen, auch gegenüber sich selbst, und vor allem gegenüber der Gesundheit: Feiern ohne «Abstürze», Kampftrinken und Pillenschmeissen.
Drogen-Hotline: 0800 620 620
Die Street Parade gilt als Anlass einer privaten Trägerschaft auf öffentlichem Grund, wie das Sechseläuten oder der Zirkus Knie, aber nicht wie das Theater Spektakel, an dem die Stadt Zürich beteiligt ist.
Die nicht gewinnorientierten Street Parade-Organisatoren müssten demnach die Grösse des Anlasses ihrem jährlich unterschiedlichen, privat gesponsorten Budget anpassen.
Nun ist der Sponsor Philip Morris bei der Street Parade ausgestiegen, und das Budget schrumpfte von 1,2 Mio. Franken im Vorjahr auf 1 Mio. – ohne dass der Anlass selbst entsprechend verkleinert werden kann.
Denn die Street Parade ist nicht einfach um 100’000 Personen zu verkleinern.
Die Organisatoren haben deshalb diesen Frühling den Stadtrat um einen Gebührenerlass angefragt. Auch die Reinigungskosten bis zu einer Viertel Million Franken soll die Stadt übernehmen.
Immerhin bescherte der Anlass 2006 der Stadt eine geschätzte Wertschöpfung von 150 Mio. Franken.
Noch will der Stadtrat nicht einlenken. Nach der diesjährigen Parade wollen ihn die Organisatoren nochmals zu überzeugen versuchen.
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