Tina Turner rockt vor eigener Haustüre
Vor acht Jahren sagte die wohl erfolgreichste Rock- und Soulsängerin aller Zeiten mit der "Twenty Four Seven-Tour" der Bühne endgültig Adieu. Doch seit 2008 tourt Tina Turner wieder durch die Welt. Am 15. Februar gastiert sie im Zürcher Hallenstadion.
Als das französische Rockidol Johnny Hallyday 2003 auf seiner Tournee zum 60. Geburtstag in Genf das neue Fussballstadion musikalisch eröffnete, spielte er ein Stück aus frühen Tagen. Dazu wurde auf Grossleinwand in schwarz-weiss das selbe Stück gezeigt, allerdings mit einem ganz jungen Johnny. Der Unterschied war frappierend. Und Hallyday sagte amüsiert zum Publikum. «Sie sehen meine Hüften sind etwas steif geworden, aber sonst geht es mir sehr gut.»
Würde auf der heutigen Europa-Tournee von Tina Turner, Rockröhre, Queen of Rock, Souldiva und wie sie auch immer genannt wird, auch ein Video aus frühen Jahren gespielt, dann sähe das in etwa so aus:
Mitten im schwarz-weissen Film malträtiert die seit ihrer Heirat mit Ike Turner Tina heissende Frontsängerin mit gewaltiger Stimme ihr Mikrofon. Dabei schüttelt sie den Körper als wäre sie an eine elektrische Stromleitung angeschlossen.
Dahinter geben die Ikettes, die erste Girlgroup der Rockgeschichte, den Backgroundchor. Sie tragen noch kürzere Röcke als die Meisterin vorne und bewegen sich noch drei Spuren ekstatischer als diese.
Daneben die Rhythmusgruppe mit einem Ike Turner am Bass, der wohlgefällig sein Werk betrachtet: Die Ike and Tina Turner Revue. Das Publikum rast.
Aufstieg und Fall
Ike Turner war ein guter Musiker (sein Rocket 88 aus 1951 gilt vielen als der erste wirkliche Rock ’n› Roll der Musikgeschichte) und er wusste, wie Schwarze im weissen Amerika Erfolg haben konnten: mit Musik, Tanz und Sexappeal. Die Turner-Revue liess die weissen Rockstars aussehen wie etwas gelenkigere Frank Sinatras.
Als es dann dem Plattenproduzenten Phil Spector – einem Typen, der sich gebärdete, als wäre er eben dem Irrenhaus entsprungen – mit seiner Aufnahmetechnik (Wall of Sound) noch gelang, den Wahnsinn der Turners auf Platte zu pressen, ging Ike Turners Saat 1966 nicht nur in den USA auf. «River deep – mountain high» wurde ein Welthit. Er gelangte sogar in die Schweizer Plattenläden. Weitere folgten und mit «Nutbush City Limits» war 1973 der Höhepunkt erreicht.
Parallel zum Aufstieg vollzog sich der persönliche Niedergang von Ike und Tina Turner. Drogen und Gewalt prägten Ike, nachzulesen ist dies alles in der Autobiografie von Tina Turner. Im Film «What’s Love Got To Do with It» ist es zu sehen.
Im Jahr 1978 folgte die Scheidung. Tina Turner verzichtete auf Unterhalt sowie auf alle Rechte an der gemeinsamen Musik.
Harziger Start zu Karriere zwei
Ihre Solokarriere, die heute so einzigartig dasteht, war alles andere als ein Selbstläufer. Die Musikindustrie betrachtete Tina Turner als alternde Rockfrau und setzte auf jüngere Interpretinnen.
Doch Tina Turner kämpfte sich zurück. Mit Hilfe von Altersgenossen wie etwa David Bowie, Rod Stewart oder den Rolling Stones.
Immer und ewig allerdings musste sie auf der Bühne die soulige sexy Tina geben. Was Ike erfunden hatte, liess sie nicht mehr los. Im Jahr 2000 ging es – gemäss eigenen Aussagen – mit der «24/7 Tour» zum letzten Mal auf Konzertreisen.
Was um Himmels Willen mag Tina Turner im vergangenen Jahr bewogen haben, sich mit 68 Jahren noch einmal in High Heels, signalfarbenes Minikleid und knallenge Leggings zu zwängen?
Brigitte Ruf aus Winterthur ist, wie sie gegenüber swissinfo sagt, eingefleischter Fan von Tina Turner. Besitzt (fast) alle Platten und CDs seit 1958 und sogar ein Paar Schuhe von Tina Turner, von der Diva eigenhändig signiert.
«Ich weiss auch nicht, warum sie noch einmal auf Tournee gegangen ist, ich dachte auch mit 60 sei, wie sie ja selber gesagt hat, Schluss.» Brigitte Ruf ist einfach froh, dass die Kritiken gut sind. Sie hatte da schon ihre Bedenken. «Und dass Tina bei ihren Konzerten jetzt eine halbe Stunde Pause macht, ist für sie auch neu.»
Heimspiel
Es war wohl nicht in erster Linie das Geld, obwohl Brigitte Ruf sagt: «Die Eintrittspreise diesmal sind mir zu hoch, ich kann es mir nicht mehr leisten.»
Vielleicht war es die Gala am Grammy Award 2008. Da trat Tina Turner mit der Soulsängerin Beyoncé Knowles auf und wurde stürmisch gefeiert. Gut möglich, dass Tina sich gedacht hat: was diese Retortenbabys der Popmusik können, kann ich noch lange – und gab kurz danach ihre Tournee bekannt.
Wie dem auch sei. Am 15. und 16. Februar tritt Tina Turner im Zürcher Hallenstadion zu zwei Konzerten auf. Und da sie ja schon längere Zeit in Küsnacht bei Zürich wohnt und schon so etwas wie eine von uns geworden ist, begrüsst sie das Publikum vielleicht in Züridütsch.
Dann würden wir wissen, dass die Soulqueen nicht nur wegen der vorteilhaften Pauschalbesteuerung für Ausländer, welche allerdings im Kanton Zürich nun aufgehoben wird, in der Schweiz wohnt.
swissinfo, Urs Maurer
1939 als Anna Mae Bullock in Nutbush (Tennessee) geboren.
1958 Backgrundsängerin bei Ike Turners Kings of Rhythm.
1962 Heirat mit Ike Turner.
1966 erster Hit in Europa (River deep, Mountain high).
1975 Tina spielt in der Verfilmung der Who-Rockoper «Tommy» die Acid Queen.
1978 Scheidung von Ike Turner (2007 gestorben). Beginn der Solokarriere.
1984 Album «Privat dancer».
1986 Album «Break every Rule».
1992 Film: «Tina-What’s Love Got to Do with It?»
2000 ging sie mit der «24/7 Tour» (nach eigenen Angaben) zum letzten Mal auf Tournee.
Seit 2008 doch wieder auf Tour in den USA und Europa. Erstes Konzert am 1. Oktober 2008 in Kansas City (USA).
Tina Turner hat vier Kinder. Zwei aus der Ehe mit Ike Turner, zwei hat Ike in die Ehe mitgebracht.
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