Daniele Finzi Pasca versprüht seine Magie für die Fête des Vignerons
Der Tessiner Regisseur und Choreograf inszeniert das Schauspiel der Fête des Vignerons 2019, des Winzerfestivals, das am 18. Juli in Vevey beginnt. Wie fast alles, das er produziert, dürfte die Aufführung magisch werden. Treffen mit einem Traumkünstler von internationalem Rang.
In der opulenten Umgebung des Genfer Grand Théâtre wirkt Daniele Finzi PascaExterner Link wie ein Kobold, der aus einem Kindermärchen entwichen ist. Schlanke Figur, funkelnde Augen, agiler Gang, lebhafte Gesten: Der Tessiner ist ein Magier der Bühnenbretter, der auch mit Worten jonglieren kann.
Was er sagt, kommt flüssig daher, verwoben mit Metaphern. In perfektem Französisch richtete er sich im Mai im Genfer Grand Théâtre, das seine Opernsaison präsentierte, an die versammelten Medienvertreter. Finzi Pasca wird im September dieses Jahres für die Genfer Institution das Werk «Einstein on the Beach» inszenieren, einer OperExterner Link von Philip Glass.
Dort treffen wir ihn, nicht um über Opernwerke zu reden, sondern über die Fête des Vignerons 2019Externer Link, die er gestalten wird. Der international gefragte Künstler ist stets in Bewegung, seine Zeit begrenzt. Sein Presseagent hatte uns gewarnt: «Sie haben 15 Minuten Zeit für ein Interview, keine Sekunde mehr.»
Ein archäologisches Werk
Finzi Pasca empfängt uns in einer der Logen des Theaters. Er ist entspannt, trotz des Zeitdrucks. In einer ruhigen, fast frommen Atmosphäre flüstert er und man hört ihm zu.
«Vor sieben Jahren besuchte mich der Abt-Präsident der Bruderschaft der Winzer [Confrérie des VigneronsExterner Link] und schlug mir vor, die Konzeption der nächsten Fête des Vignerons zu übernehmen. Die letzte Ausgabe von 1999 war seiner Ansicht nach etwas intellektuell ausgefallen. Für 2019 wünschte er sich einen etwas emotionaleren, stärker berührenden Ansatz.»
Etwas Zauberhaftes also! Finzi Pasca wird sein ganzes Talent einbringen, um das Publikum zu begeistern, wie er es auch bei den Olympischen Spielen in Turin (2006) und Sotschi (2014) getan hatte, wo er die Schlussfeiern inszeniert hatte.
Die Bruderschaft weiss, dass es ihm gelungen war, bei diesen beiden internationalen Aufführungen Italien und Russland spürbar, lebhaft zu machen. Sie rechnet damit, dass sich Finzi Pasca für Helvetien, seine Heimat, selbst übertreffen wird.
Er sei kein Winzersohn, wie er vorgehen werde, um die Geschichte des Festes in seinem Schauspiel zu erzählen, wird er gefragt. Wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort: «Man muss kein Soldatensohn sein, um die Geschichte eines Kriegs zu erzählen.»
Meister der körperlichen Anstrengung
Mit den anderen Künstlerinnen und Künstlern (Librettisten, Musikerinnen, Tontechniker) hat Finzi Pasca eine Art archäologische Vorarbeit geleistet.
«Wir befragten die Mitglieder der Bruderschaft zu den überlieferten Traditionen der Fête des Vignerons, um den Sinn des Festivals besser zu verstehen. Viele Leute stellen sich vor, dass die Zeremonien, (die sich über drei Wochen erstrecken werden und mehrere Tausend Zuschauerinnen und Zuschauer anlocken dürften) den griechischen Dionysos-Festen ähneln. Das ist falsch. Es geht für mich nicht darum, den Göttern des Olymp Ehre zu erweisen, sondern den Weinbauern und Rebarbeitern, die – wie die Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Spielen – die Meister der körperlichen Anstrengung sind. Ihre intensive, manuelle Arbeit verschönert die Erde, die Natur.»
«Ich suche die Leichtigkeit, auch in der Tragik.»
Daniele Finzi Pasca
Die Eröffnung des Freilichtspektakels findet am 18. Juli statt, in einer riesigen Arena auf dem Marktplatz in Vevey, die speziell für diesen Anlass gebaut wurde. Thema der Show: Die Krönung der Weinbauern und Rebarbeiter, die für ihre Arbeit belohnt werden. Das gleiche Thema wird dann drei Wochen lang in mehreren kleineren Vorstellungen täglich präsentiert. Auf dass die Besten gewinnen mögen!
Die erste Fête des Vignerons geht auf 1797 zurück. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Tradition der Krönung der Weinbauern und Rebarbeiter geboren, die bei jeder Ausgabe des Festes zum Zug kommt. Für die diesjährige Ausgabe stellte sich Finzi Pasca ein Treffen zwischen einem kleinen Mädchen und seinem Grossvater vor, der diesem von der Rebe erzählt, von ihrer Pflege, der Ernte, dem Verlauf der Jahreszeiten, den Launen des Himmels… Dieser Himmel, den Finzi Pasca immer vertrauensvoll im Auge behält.
Märchenhafte Kreationen
«Blau ist eine meiner Lieblingsfarben, sie richtet mich auf», sagt Finzi Pasca und spricht vom Einfluss seiner Grossmutter auf sein Leben. «Sie war es, die mich lehrte, immer zum Himmel zu blicken, vor allem in schwierigen Zeiten.»
Vor drei Jahren verlor er seine Frau, ebenfalls eine Künstlerin. Noch mit ihr hatte er angefangen, sich für die Ausrichtung der Fête vorzubereiten. Sie hiess Julie, wie das kleine Mädchen in dem von ihm inszenierten Schauspiel. Ein Weg für ihn, die Erinnerung an seine Frau hoch zu halten.
Eine himmlische Flucht. So könnte man die märchenhaften Kreationen des Tessiners sehen. Der Hinweis entlockt unserem Gesprächspartner ein Lächeln, bevor er erklärt: «Ich suche die Leichtigkeit, auch in der Tragik.»
Finzi Pascas Kunst kann auch etwas Surreales an sich haben. Sein Werk «La Verità» ist zum Beispiel inspiriert von einem Gemälde Salvador Dalís.
Aber seine ätherischen Figuren erinnern in ihrer Schwerelosigkeit eher an Werke von Marc Chagall. «Ich fühle mich dem französisch-russischen Maler in der Tat sehr verbunden», räumt der Regisseur und Choreograf, der weltweit derart viele Menschen zum Träumen und Schweben bringt, ein.
Fête des Vignerons
Die Fête des Vignerons wird von der Bruderschaft der Winzer von Vevey organisiert und produziert. Ihr Ziel ist es, die Perfektion des Rebbaus in der Region Lavaux (Kanton Waadt) zu fördern und zu unterstützen. Das Fest findet fünf Mal pro Jahrhundert statt.
Es handelt sich um eine lebendige Tradition, die seit dem 18. Jahrhundert von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Fête des Vignerons wurde am 1. Dezember 2016 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen.
Mit dem Fest werden die traditionellen Werte und Kenntnisse der Rebbaukultur, des Handwerks und der Folklore einer ganzen Region oder gar eines ganzen Landes zelebriert.
Regisseur und Gestalter der Fête des Vignerons 2019 ist Daniele Finzi Pasca. Das Libretto der von ihm inszenierten Schau wurde von Blaise Hofmann und Stéphane Blok geschrieben. Die Musik stammt von Maria Bonzanigo, Jérôme Berney und Valentin Villard.
(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)
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