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Überraschender Rücktritt von Adolf Muschg

Keystone

Der Präsident der Berliner Akademie der Künste, der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg, tritt vorzeitig und überraschend von seinem Amt zurück.

Grund dafür seien unüberbrückbare Differenzen mit dem Senat der Akademie, teilte die Institution am Donnerstag mit.

Adolf Muschg gab seine Entscheidung zeitgleich auf einer Mitarbeiter-Versammlung bekannt. Demnach hat es unüberwindbare Differenzen zwischen dem 71-jährigen Männedorfer Schriftsteller und dem Senat der Künstlersozietät über die neue Satzung gegeben.

Bis zur Frühjahrs-Mitglieder-Versammlung führt Vizepräsident Matthias Flügge die Geschäfte. Die Akademie nahm den Rücktritt «mit Bedauern und Respekt» zur Kenntnis. Sie steckt nach jahrelangen Querelen um ihren Neubau am Brandenburger Tor damit erneut in einer schweren Krise.

Probleme nach aussen…

Muschg kritisierte vor allem, dass der Umzug in den Neubau am Pariser Platz im vergangenen Mai – mit Bundespräsident Horst Köhler und dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder als Ehrengäste – nicht dafür genutzt worden sei, die Aktivitäten der Akademie stärker in die Öffentlichkeit zu tragen und ihren Beratungsauftrag auf politischer Ebene effektiver wahrzunehmen.

Auch werde die Mitgliedschaft bedeutender in- und ausländischer Künstler nicht eingesetzt, um aus der Akademie «eine Kulturinstitution mit nicht nur hauptstädtischem, sondern nationalem Anspruch» zu machen.

…und innen

Was die Zusammenarbeit innerhalb der Akademie angeht, sprach Muschg sogar von «Konfusion» und «Dilettantismus». Ein mittleres Unternehmen mit über 150 Mitarbeitern, mehreren Immobilien und einem Jahreshaushalt von 18 Millionen Euro sei so nicht zu führen.

An der seit Jahrzehnten geforderten Kurskorrektur seien schon Präsidenten wie Günter Grass gescheitert. Muschg, der dennoch Mitglied der Literaturabteilung bleiben will, appellierte an die Akademie-Mitglieder, das Steuer in letzter Minute herumzureissen.

Kulturstaatsminister «bedauert»

Muschgs dreijährige Amtszeit wäre im Mai 2006 zu Ende gegangen. Eine Wiederwahl hatte er bereits im Herbst von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann, zu dessen Amtsbereich die Akademie seit Anfang 2004 gehört, sprach von «grossem Bedauern» und betonte, dass sich Muschg ausserordentlich verdient gemacht habe, auch als «Garant für einen reibungslosen Übergang dieser traditionsreichen Institution in die Trägerschaft des Bundes».

swissinfo und Agenturen

Adolf Muschg gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der deutschen Gegenwarts-Literatur.
Seit 1976 ist der Schweizer Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, seit 2003 deren Präsident.
Muschg lebt in der Nähe von Zürich.

Adolf Muschg wurde am 13. Mai 1934 in Zollikon ZH geboren. Er studierte Germanistik, Anglistik und Psychologie.

Nach der Dissertation arbeitete er drei Jahre als Lehrer, danach dozierte er an Universitäten in Tokio, Göttingen, Ithaca (New York) und Genf.

1970 bis 1999 war er ausserordentlicher Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der ETH Zürich. Seit Mai 2003 war er Präsident der Akademie der Künste in Berlin.

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