Verbotene Fotos einer Freikirche
Trotz eines richterlichen Verbots hat das Musée de l'Elysée in Lausanne Fotos aus dem Bildband "In Jesus' Namen" des Schweizer Fotografen Christian Lutz gezeigt, allerdings mit Zensurbalken. Lutz zeigt in dem Buch Fotos der Freikirche "International Christian Fellowship". Mitglieder der Kirche, die abgelichtet wurden, haben Klage eingereicht und ein vorläufiges richterliches Verbot erwirkt. Die Zensurbalken enthalten Ausschnitte aus den Klageschriften, mit welchen die Kirchenmitglieder begründen, weshalb die Fotos nicht publiziert werden dürfen.
ICF (International Christian Fellowship) ist eine der bedeutendsten Freien Kirchen der Schweiz. Ihr Erfolg und ihre rasante Entwicklung haben das öffentliche Interesse geweckt und für Faszination, aber auch Bedenken gesorgt. Die nach dem Muster der amerikanischen Megachurches entwickelte Kirche wurde Ende 1990er-Jahre in Zürich gegründet.
Die Kirche ist heute auch in der Westschweiz verbreitet mit Niederlassungen in Lausanne und Genf. Sie verfügt über ein beachtliches Budget sowie hochentwickelte und leistungsfähige Marketing- und Kommunikationsmethoden.
Im Mai 2011 ist der Fotograf Christian Lutz dem Pastor und Gründer der evangelischen Bewegung ICF begegnet. Dieser stellt auch Kontakte zu anderen Managern der Kirche her, denen der Fotograf sein Projekt, sein Vorhaben und seine Themen für die Trilogie vorstellt.
Die Verantwortlichen der Kirche erklären sich einverstanden und öffnen ihm die Türen zu ihrer Gemeinschaft. Trotzdem holt der Fotograf bei den jeweiligen Organisatoren systematisch eine Bewilligung ein für jede einzelne Veranstaltung der ICF, an der er teilnehmen und fotografieren möchte.
In der Folge begleitet Christian Lutz verschiedene Reisen und Ferienlager und nimmt an zahlreichen Ereignissen teil. Er begegnet den Mitgliedern der Kirche, diskutiert und spricht mit ihnen offen über sein Projekt
Trotzdem wird das Buch «In Jesus› Name» in einem gerichtlichen Verfahren verboten. Der Fotograf und der Verleger sind mit 21 individuellen Klagen von Personen konfrontiert, die im Werk erscheinen, mit der Begründung, dass die Autorenrechte der Fotografien verletzt würden. (Text: Musée de l’Elysée)
Foto Nr. 3
Text aus der Klageschrift: «Kläger 8, 25-jährig, trägt einen Tarnanzug und ein Stirnband. Er sieht erschöpft aus und blickt ins Leere; er schaut nicht ins Gesicht des Mannes zu seiner Linken. Was das Rollenspiel der Teilnehmer mit dem Militär zu tun hat, wird nicht klar, und auch nicht, was die Religion mit dem Militärdienst zu tun hat.»
Foto Nr. 4
Test aus der Klageschrift: «Kläger 17, 21-jährig, ist der Mann im gelben T-Shirt links auf dem Bild. Seine Hände liegen auf den Oberschenkeln eines Minderjährigen, der seine Hände vor dem Gesicht hält. Das Bild macht die Absicht des Klägers nicht verständlich. Es kann gegenüber Dritten den Eindruck einer sexuellen Absicht erwecken. Die offensive Art der Abbildung ist für die betroffene Person verletzend.»
Foto Nr. 7
Text aus der Klageschrift: «Klägerin 4, 20-jährig, in der Mitte des Fotos mit geschlossenen Augen. Das Foto erweckt den Eindruck, dass sie ein anderes Mädchen, das in der Badewanne kniet, taufen möchte. Im Hintergrund stehen Snowboards, die offensichtlich zum Trocknen aufgestellt wurden. Das Foto wirkt herablassend. Als ob es hier um eine Taufe oder ein Gebet ginge. Der Betrachter könnte erwarten, dass sich ein solches Ritual in einer angemessenen Umgebung und nicht in einem Badezimmer abspielen sollte. Oder öffnet sich das Mädchen in der Badewanne die Venen? Der Text am Ende des Buches könnte zu einer solchen Interpretation verleiten.»
Foto Nr. 10
Text aus der Klageschrift: «Dieses Foto gehört zu den krassesten des Buches. Es erweckt den Eindruck von Pädophilie. Man könnte denken, dass der Kläger 11a im grünen Poloshirt, die 14-jährige Klägerin 11b, die vor ihm sitzt, geschwängert habe. Oder noch schlimmer: Man könnte denken, dass das Foto Mitglieder einer Sekte zeigt, die Polygamie und sexuelle Beziehungen mit Kindern erlaubt. In Wahrheit ist der Kläger 11a aber der Vater der Klägerin 11b. Klägerin 7 blickt auf den Boden, und die anderen Männer schliessen die Augen, als ob sie sich schämen würden. Das Foto wurde im Rahmen einer Aktivität namens «fathers and daughters» gemacht. Es ist zwei- oder sogar mehrdeutig und irreführend. Das Foto trägt zur Konfusion und Schädigung der Kläger 7, 11a und der Klägerin 11b bei.
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