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Vom Silicon Valley an den Genfersee

Thomas und Monika Henzinger: Von der kalifornischen Sonne an die Gestade des Genfersees. epfl

Monika Henzinger leitet die Forschungsabteilung der Suchmaschine Google. Sie und ihr Mann Thomas gehören zur Weltspitze in Sachen Informatik und Internet.

Zurück aus den USA, lehren die beiden nun an der Technischen Hochschule Lausanne, wo swissinfo Thomas Henzinger getroffen hat.

Der 42-jährige Österreicher Thomas Henzinger gehört zur Weltspitze in den Bereichen Bordcomputeranwendungen und Hybridsoftware.

Heute kommen weltweit 90% aller Mikroprozessoren anderswo als in einem PC zum Einsatz: Vom Mikrowellenherd über das Handy bis zum Bremssystem in den Autos, sind diese Chips zu finden.

Thomas Henzinger befasst sich in seiner Forschung mit der Sicherheit dieser Systeme, welche oft zwei ganz unterschiedliche Bereiche, nämlich den analogen und den digitalen, verbinden müssen.

swissinfo: Warum sind sie in die Schweiz, und hier insbesondere an die EPFL gekommen, wo Sie doch auch ein Angebot der zweiten Eidgenössischen Technischen Hochschule des Landes, der ETH Zürich hatten?

Thomas Henzinger: Wir lebten lange in den USA, aber wir sind beide Europäer. Es war seit einiger Zeit bekannt, dass wir zurückkehren wollten. Nun hat uns der neue Dekan der Fakultät Informatik und Kommunikation, Willy Zwaenepoele, geholt.

Was Zürich angeht, so sprechen wir zwar Deutsch, das ist unsere Muttersprache. Aber das spielt keine Rolle. Unsere Arbeitssprache ist ohnehin Englisch. Und hier bietet sich uns eine gute Gelegenheit, Französisch zu lernen.

Für unseren Entschluss haben wir mehrere Kriterien berücksichtigt. Das wichtigste war wohl die Philosophie der EPFL. Diese Schule hat vor kurzem den «tenure track» (die erleichterte Ernennung neuer Professoren) und den Unterricht auf Englisch eingeführt. Das scheint mir genau richtig.

swissinfo: Hier hat man etwas Mühe zu verstehen, dass man zugunsten der Schweiz auf ein Leben in Kalifornien verzichten kann.

T. H.: Auch dabei haben wir mehrere Kriterien berücksichtigt. Eines der wichtigsten war, dass wir unsere Töchter in Europa aufwachsen lassen wollen, dass sie ihre Grosseltern mehr als einmal jährlich sehen können. Die ältere ist sechs, und es war der letzte Moment, um sie hier einzuschulen.

In den USA haben die öffentlichen Schulen –Primar- wie Sekundarschulen – nicht wirklich das Niveau, das man erwarten könnte. Die meisten Leute, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder in Privatschulen. Aber das finden wir nicht gut.

Abgesehen davon lebte ich sehr gerne in Kalifornien. Ich könnte nicht sagen, wo man besser lebt, nur, dass das Leben ganz anders ist. Und es ist ein Luxus, während den verschiedenen Lebensabschnitten an verschiedenen Orten leben zu können.

swissinfo: Die meisten Leute, die im Silicon Valley arbeiten, gelten als arbeitssüchtig. Stimmt das?

T. H.: Da ist schon etwas dran. Die Einstellung zur Arbeit ist wirklich anders als hier.

Aber wenn sie süchtig sind, dann, weil sie gerne arbeiten und ihren Job aufregend finden. Nicht, weil man sie dazu zwingt.

Viele Leute, vor allem in der Wissenschaft, trennen Arbeit und Freizeit weniger stark als hier. Man ist dauernd mit seiner Arbeit verbunden.

swissinfo: Sind Thomas und Monika Henzinger auch Workaholics?

T. H.: Sicher, wie immer man das Wort auch auffasst … Und schliesslich hatten wir in den USA Erfolg damit. Das ist ein stark auf Wettbewerb ausgerichtetes Umfeld. Ob an der Universität oder in der Industrie, man muss sich dauernd beweisen.

Aber nochmals, ich tat das, und das gilt sicher auch für meine Frau, weil es uns gefiel. Und wir werden dies hier auch tun. Ich liebe meine Arbeit, meinen Beruf.

swissinfo: Man spricht oft vom «Brain drain», dieser Flucht der klugen Köpfe in die USA. Heute erleben wir das Gegenteil, den «Brain gain». Sie und Ihre Frau sind gute Beispiele dafür. Denken Sie, dass Amerika eines Tages seine Führungsposition im Bereich wissenschaftliche Forschung verlieren könnte?

T. H.: Es ist nicht an mir, darüber zu spekulieren. Aber ich würde natürlich sehr gerne sehen, dass der Rest der Welt, vor allem Europa, wettbewerbsfähiger würde.

Einer der Gründe für die gewaltige wissenschaftliche Macht der USA heute ist wirklich, dass sie die brillantesten Studierenden der ganzen Welt anziehen. Und wenn man sich in diesem Bereich auszeichnen will, braucht es einen starken Willen und die nötigen Mittel.

Ausserdem gehen diese jungen Leute nicht nur zum Studium hin. Viele von ihnen bleiben und bringen dem Land ausserordentlich viel.

Einige Kreise in den USA wollen zwar die Einwanderung beschränken, aber sie vergessen allzu oft, wie viele Ausländer von sehr hohem Niveau das Land anzieht. Und diese sind es, die einen grossen Teil der amerikanischen Wirtschaft lenken, insbesondere in den technologischen Bereichen.

swissinfo: Sie sprechen zuerst von Studierenden. Sie finden, diese sind es, und nicht die Professoren, welche Forschung betreiben.

T. H.: Das ist eine Tatsache. Nochmals, die amerikanischen Hochschulen sind weltweit konkurrenzlos. Ob uns das gefällt oder nicht, ich glaube, das können alle bestätigen. Und ihre Kraft sind die Studentinnen und Studenten.

Wenn Sie die besten Talente aus der ganzen Welt zusammenbringen, schafft das eine sehr aufregende intellektuelle Atmosphäre, da sprühen Funken der Kreativität. Notfalls würde das auch ohne Professoren funktionieren.

So geht das, neue Ideen werden geboren und entwickeln sich. Die Rolle des Professors ist es im Wesentlichen, dieses Umfeld zu stärken, die Dinge zu ermöglichen.

swissinfo: Aber schliesslich ziehen doch die Professoren die Studierenden an. Wenn nun Sie und Ihre Frau an der EPFL sind, dürfte das die besten jungen Talente anziehen.

T. H.: Das hoffen wir auf jeden Fall.

swissinfo: Denken Sie, dass ein kleines Land wie die Schweiz die nötigen Bedingungen für Hochschulen von weltweitem Rang aufweist?

T. H.: Ich denke, dass Sie diese schon haben. Wirklich, verglichen mit den meisten Ländern Europas sind die Technischen Hochschulen von Zürich und Lausanne von sehr hohem Niveau. Und es ist bestimmt genug Geld vorhanden, um etwas zu machen. Auch deshalb haben wir beschlossen, hierher zu kommen.

swissinfo: Könnte die Präsenz des Ehepaars Henzinger nicht zu einer weiteren Erfolgsgeschichte wie jene von Logitech werden, die ebenfalls auf dem Campus der EPFL begann?

T. H.: Als Hochschulprofessoren, die aus den USA kommen, stehen wir den Wirtschaftskreisen automatisch nahe. Und in meinem Forschungsbereich gibt es sicher Möglichkeiten zur kommerziellen Entwicklung.

Mir persönlich aber liegen Unterricht und Forschung mehr am Herzen.

Interview swissinfo, Marc-André Miserez
(Übersetzung aus dem Französischen: Charlotte Egger.)

Thomas Henzinger kam 1962 in Linz, Österreich, zur Welt.

Studien in Linz und Delaware, Doktorat in Princeton.

1997-98, ausserordentlicher Professor, danach, dank dem System der beschleunigten Ernennung («tenure track»), ordentlicher Professor an der Universität von Berkeley, Kalifornien.

Forschungsleiter bei über 25 wissenschaftlichen Projekten.

Mehrere akademische Auszeichnungen, darunter der «National science foundation career award» und der George Forsythe-Preis von Stanford für seinen ausgezeichneten Unterricht.

Mitglied von über 50 internationalen Konferenzen.

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