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Von der Kolonie Berns bis zu Pepsi Cola

Christoph von Graffenried erhält von Königin Anne die Ermächtigung zur Gründung einer Kolonie. Ronny Kummer

Eine Ausstellung im Historischen Museum Bern zeigt, wie es kam, dass der Patriziersohn Christoph von Graffenried in der Neuen Welt ein neues Bern gründete. Am Anfang standen Kolonialgelüste des Staates Bern.

Armut war ein Auswanderungsgrund um 1700 aus dem Bernbiet, vor allem aus dem Emmental und dem Berner Oberland. Auch die verfolgten Täufer wanderten nach Amerika aus, oder sie wurden gar dorthin deportiert. Doch bei Christoph von Graffenried, einem Berner Patrizier, standen andere Faktoren im Vordergrund. Es war die Reiselust, der Traum nach fremden Welten, die ihn von Bern weglockten.

Wie Leo Schelbert, emeritierter Professor für amerikanische Geschichte der Universität Illinois, an der Vernissage der Gastausstellung im Historischen Museum Bern, erläuterte, hatte einer der Begleiter von Graffenrieds nicht nur vermeintliche Silberminen im Landesinnern von Virginia entdeckt, sondern er meinte auch, der Staat Bern könne eine eigene Kolonie unter englischer Oberhoheit bilden. Diese Kolonie Berns wäre seiner Idee nach ausschliessliches Territorium Berns und würde England als Bollwerk gegen Frankreich dienen.

In Bern wurde daher eine halboffizielle Aktiengesellschaft gegründet, um den Plan zu verwirklichen. Von Graffenried, vom Abenteuer gelockt, hoffte, mit der Ausbeutung der Silberminen seine Schulden begleichen zu können.

Der Globus als Ziel der Sehnsucht

Dazu kam, dass es kein harmonisches Verhältnis gewesen sei, das Christoph von Graffenried zu seinem Vater gepflegt habe, erzählt Kurator Max Werren auf der Führung durch die Ausstellung. Zwar habe der Sohn standesgemäss geheiratet und eine Karriere als Grossrat und Landvogt von Yverdon begonnen, doch sein Vater habe ihn als «liederlich» bezeichnet.

Die erste Szene der Ausstellung veranschaulicht denn auch, wie Christoph von Graffenried im Jahr 1708, in einem luxuriösen Salon auf einen Himmelsglobus schaut. Es habe ihn in die Welt hinausgezogen, sagte Werren. Seine daneben sitzende Frau Regina von Graffenried, geborene Tscharner, sieht er nicht an. Im Hintergrund ist das Dorf und das Schloss Worb zu sehen, auf einer Zeichnung von Albrecht Kauw von 1669. Sie wird im Historischen Museum Bern aufbewahrt.

Ein Schweizer wird englischer Landgraf

Das nächste plastische Bild zeigt, wie Christoph von Graffenried am 22. August 1709 zum Landgrafen von Carolina ernannt wird. Ein Beamter des englischen Hofs ist Zeuge, wie Königin Anne von Grafenried eine Urkunde überreicht. Sie ermächtigt den Patriziersohn zur Gründung einer (englischen) Kolonie im Namen der Krone. Daraufhin reist von Graffenried 1710 im Frühjahr mit einer Gruppe Auswanderern und einem Berner nach Nordamerika. Durch die Lektüre von Büchern hat er sich schon kundig gemacht über die Gebiete Carolina und Virgina.

Doch Carolina ist schon besiedelt, wie die nächste Ausstellungswand belegt: Indianer leben dort. «Die Indianer, auf die von Graffenried stiess, entsprechen gar nicht unserem heutigen, europäischen Bild von Indianern», hielt Kurator Werren fest, «es waren nämlich Waldindianer, die ganz friedlich in Jurte-artigen Häusern leben.» Sie hätten gerade Strassen und Pflanzgärten gehabt, wie Bilder des englischen Landvermessers und Zeichners John White zeigen. Der Kontakt zu den Indianern sei anfangs in friedlicher Atmosphäre verlaufen, erzählt Werren. Von Graffenried kaufte ihnen das ihm von der englischen Krone zugewiesene Land ab.

Später hat von Graffenried die Indianer selbst gezeichnet. Er hat die Situation erfasst, wie er von ihnen gefangen gehalten wird, wie in der dritten Szene im Historischen Museum dargestellt wird. Sein Begleiter, ein Engländer, wird ermordet, er selber wird nach einem Monat freigelassen. Von Graffenried sei ein ausgezeichneter Zeichner gewesen, merkt Werren an.

Nach drei Jahren nach Bern zurück

Von Graffenried reiste drei Jahre nach seiner Ankunft und der Gründung New Berns zurück in die Schweiz, nach Bern. Doch das Städchen New Bern, das durch den Krieg gegen die Indianer vernichtet wurde, wurde wieder aufgebaut.

1861-1865 geriet es erneut in einen Krieg, in den Bürgerkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und den Konföderierten Staaten. In der Gastausstellung stehen sich in der vierten Szenerie zwei Soldaten in Originaluniformen gegenüber.

«Am Anfang konzentrierte sich die Ausstellung auf das Leben von Christophe von Graffenried. Als ich dann einen Besuch in New Bern machte, habe ich das Konzept etwas angepasst. Die Ausstellung zeigt nun die 300-jährige Entwicklung einer Kleinstadt», sagte Kurator Max Werren, der diese Ausstellung im Auftrag des Verein 300 Jahre New Bern zusammengestellt hat. «Anfänglich war die Ausstellung im Schloss Spiez geplant.»

Als das Konzept immer umfangreicher wurde, fragte der Verein das Historische Museum Bern an, ob eine Zusammenarbeit möglich sei. Die Ausstellung findet im neuen Teil des Museums statt, im so genannten Kubus.

Die letzte plastische Darstellung führt aus New Bern führt in die Neuzeit: 1893 erfindet ein junger Mann in einer Drogerie in New Bern für seine Freunde einen neuartigen Drink. Zuerst heisst der Drink Brad’s Drink. 1898 bekommt das Getränk einen neuen Namen: Pepsi Cola. Pepsyn ist ein Enzym, das in der Kolanuss enthalten ist.

New Bern ist heute eine amerikanische Kleinstadt mit 29’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. «Es gibt praktisch keine Schweizer mehr, dort», sagte Werren. Doch Erinnerungen an Bern und an die von Graffenrieds sind überall präsent, wie ein Film und Fotos zum Schluss der Ausstellung zeigt.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Die Gastausstellung im Historischen Museum Bern ist bis am 16. Mai 2010 zu sehen. Nachher wird sie nach New Bern gebracht.

Das Historische Museum Bern ist jeweils am Dienstag von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.

Der Eintritt kostet 18.- für Erwachsene und 13.- reduziert. Kinder bezahlen 8.- Franken.

Das Museum bleibt am 25. Dezember geschlossen.

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