Wakker-Preis geht nach Biel
Für ihren respektvollen Umgang mit der Baukultur des 20. Jahrhunderts und die Aufwertung des öffentlichen Raums zeichnet der Schweizer Heimatschutz die Stadt Biel mit dem Wakker-Preis 2004 aus.
Treibende Kraft für den städtebaulichen Effort war die Expo02.
«Biel ist und bleibt eine Stadt mit Ecken und Kanten, es ist eben keine touristisch hergerichtete potemkinsche Fassadenstadt», sagt Stadtpräsident Hans Stöckli im Gespräch mit swissinfo.
Die grösste zweisprachige Stadt der Schweiz erhält den Preis nicht für ihre mittelalterliche Altstadt, sondern für die Aufwertung des öffentlichen Raums in den Quartieren, welche zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind.
Eine einheitlich gestaltete Fussgängerzone verbindet die Altstadt mit dem Bahnhof. Dreh-, Angel-, und Mittelpunkt ist der puristisch gestaltete neue Zentralplatz.
Das augenfälligste Gestaltungselement der Fussgängerzone ist die Strassenbeleuchtung von Renzo Piano. Die Kandelaber stehen alle im gleichen Abstand voneinander, unabhängig von den dahinter liegenden Gebäuden oder Querstrassen.
Expo02 als Prozess-Beschleuniger
Der See ist auch für Fussgänger problemlos über einen neu erstellten Zugang zu erreichen. Industriegebäude, aber auch das Kongress-Haus – eine Hochhaus-Ikone der der 60er Jahre – und das Volkshaus aus den 30er Jahren sind saniert worden.
Rückenwind erhielt der städtebauliche Kraftakt Biels dank dem nationalen Projekt der Landesausstellung, Expo02. Diese bewirkte eine Beschleunigung der normalerweise relativ trägen politischen Entscheidungs-Prozesse und der Baubewilligungs-Verfahren.
«Die Expo hat eine unglaubliche Hebelwirkung erzielt und wir konnten sehr viel in Bewegung setzen», bilanziert der Stadtpräsident. «In den Köpfen planen wir selbstverständlich weiter, aber nicht mehr im Schnellzugstempo der Expo.»
Noch zu Beginn der 90er Jahre war in Biel vieles anders: Industrie-Brachen, heruntergekommene Quartiere, verfallene Fassaden und Graffitis prägten das Stadtbild. Die Krisen der 70er und 80er Jahre trafen die Uhrenstadt mit voller Wucht. Arbeitsplätze gingen zu Tausenden verloren, Biel galt für Investoren als unattraktiv.
Aktiver Städtebau
1990 wählten die Bielerinnen und Bieler den damals 38-jährigen Sozialdemokraten Hans Stöckli zum Stadtpräsidenten. Stöckli gelang es, sein Programm «Sparen und investieren» politisch erfolgreich durchzusetzen.
Die Stadt kurbelte den Motor wieder an, indem sie jährlich 15 Mio. Franken in die Infrastruktur investierte und so durch ihre eigenen Ausgaben das Bruttosozialprodukt steigerte.
Die Strategen der Abteilung Stadtmarketing begannen, die Uhren-Metropole als Stadt der Kommunikation zu profilieren. Mittlerweile ist die Swatch-Group immer noch einer der grossen Arbeitgeber in Biel, aber die Kommunikations-Branche hat tausende von neuen Arbeitsplätzen nach Biel gebracht.
Architektur-Wettbewerbe als Voraussetzung
Die Stadt betrieb eine zielgerichtete, aktive Landerwerbspolitk und besitzt heute 25% des überbaubaren Gemeindegebietes. Investoren erhalten das Land im Baurecht, die Verwaltung nimmt aktiv Einfluss auf die Bauentwicklung.
Neubauten werden nicht nach Gutdünken oder politischen Kriterien vergeben, sondern konsequent durch Architektur-Wettbewerbe.
«Wir sind daran, den Schritt von der Industrie- zur Dienstleistungsstadt zu vollziehen und sind damit für Investoren attraktiv geworden», sagt Stadtpräsident Hans Stöckli stolz und verweist darauf, dass die in den vergangenen Jahren gebauten Wohnungen in Biel alle verkauft oder vermietet seien.
Stöckli ist zuversichtlich, dass sich der Aufschwung in den kommenden Jahren fortsetzt. «Wir haben eine Road-Map aufgestellt. Verschiedene Projekte erhalten bald die Baubewilligung, für andere sind die Verhandlungen mit institutionellen Investoren weit fortgeschritten.»
Flachdach-Obligatorium für Neubauten
Die enge Verflechtung von Städtebau und Wirtschaftsentwicklung hat in Biel Tradition. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts verknüpfte der damalige – ebenfalls sozialdemokratische – Stadtpräsident Guido Müller erfolgreich moderne Architektur mit politischen Anliegen.
Schon damals trat die Stadt als Investor auf und baute auf eigene Kosten die Montagehallen und das Verwaltungsgebäude für General Motors. Den Wohnbau kurbelte sie an, indem sie Land zu günstigen Konditionen an Wohnbaugenossenschaften abgegen hat.
Biel kannte damals sehr strenge, konsequent der Moderne verpflichtete Bauvorschriften. Für Neubauten galt ein Flachdach-Obligatorium. Biel nannte sich selbstbewusst «Zukunftsstadt».
«Biel ist es gelungen, nach Jahren der Vernachlässigung den öffentlichen Raum und das bauliche Erbe des 20. Jahrhunderts neu in Wert zu setzen, und die Qualität der Architektur bei Neubauten zu steigern», lobt der Schweizer Heimatschutz das neue, sorgfältig restaurierte und geliftete Biel in der Begründung für die Verleihung des Wakker-Preises.
Peter Egli, Architekt beim Heimatschutz fügt an: «In Biel hat man mehr Verständnis für den Wert von solchen Bauten».
swissinfo, Andreas Keiser, Biel
Der Wakker-Preis 2004 wurde am 19. Juni 2004 im Rahmen eines Volksfestes der Stadt Biel offiziell übergeben.
Der Wakker-Preis des Schweizer Heimatschutzes geht zurück auf das Vermächtnis des Genfer Geschäftsmannes Henri-Louis Wakker (1875-1972).
Der Preis ist mit 20’000 Franken dotiert und wird seit 1972 jährlich an eine politische Gemeinde vergeben.
Anfänglich standen die Bemühungen einer Gemeinde für die Erhaltung eines historischen Ortsbildes im Zentrum.
Seit 15 Jahren werden jedoch Gemeinden ausgezeichnet, die ihr Ortsbild unter einem bestimmten aktuellen Gesichtspunkt weiter entwickeln oder aufwerten.
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