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Weltbekannt – weltabgewandt

Keystone

Thriller von Patricia Highsmith stehen in fast allen Büchergestellen. Die Autorin selber aber verschanzte sich zeitlebens hinter einer Mauer des Schweigens.

Sie lebte von 1983 bis zu ihrem Tod 1995 im Tessin, umgeben von ihren Katzen – und Schnecken.

Patricia Highsmith hat die Kriminal-Literatur revolutioniert. Aber war sie auch eine Krimiautorin? Der Amerikanerin, welche die letzten 13 Jahre ihres Lebens zurückgezogen im Tessin lebte und schrieb, waren derlei Fragen gleichgültig: «Ich denke niemals über meinen ‹Platz› in der Literatur nach, und vielleicht habe ich auch gar keinen. Ich betrachte mich selbst als Entertainerin. Ich möchte eine faszinierende Geschichte erzählen», schrieb sie einmal.

Bereits in ihrem Erstling «Zwei Fremde im Zug» (1950) bewies sie ihre kühle Meisterschaft. Sofort nach Erscheinen meldete sich der Meister des «Suspense», Alfred Hitchcock höchstpersönlich, um sich die Filmrechte zu sichern: «Strangers on a Train» wurde 1951 zum Leinwand-Erfolg und später zum Kino-Klassiker.

Charmeur als Killer

Insgesamt schrieb Highsmith 22 Romane und unzählige Kurzgeschichten. Ihre berühmteste Figur ist Tom Ripley, ein charmanter Psychopath.

Er ist ein kaltblütiger Killer, der an den feineren Dinge des Lebens Geschmack gefunden hat. Highsmith verwendete seine Figur als Mittel, die Handlungsschemen des konventionellen Kriminalromans zu brechen.

Patricia Highsmith bringt die Leser dazu, sich mit dem smarten Ripley zu identifizieren, bis sie auf die Seite des Killers kippen und hoffen, er werde der Strafe entgehen. Was ihm dann auch mit wachsender Meisterschaft gelingt.

Tessiner Ruhe

Highsmith, die 1921 in den USA geboren wurde, kaufte 1981 im Tessiner Dorf Aurigeno im Maggiatal ein altes Haus. Unmittelbarer Anlass, so der Literaturwissenschaftler Ulrich Weber, der im Schweizerischen Literaturarchiv (SLA) ihren Nachlass betreut, sei Ärger mit den französischen Steuerbehörden gewesen, die an ihrem damaligen Wohnort in Frankreich eine Hausdurchsuchung vorgenommen hätten.

Daneben hätten aber auch persönliche Gründe – eine Freundin Highsmith› lebte im Tessin – eine Rolle gespielt. «Ich denke nicht, dass sie ein sehr starkes emotionales Verhältnis zur Schweiz hatte. Aber sie wusste, dass es ein angenehmer Ort ist, wo man in Ruhe arbeiten kann», so Weber gegenüber swissinfo.

Wichtig für die Autorin sei eine gut funktionierende Infrastruktur gewesen, und das Tessin habe ihr sicher auch als Landschaft gefallen, so der Highsmith-Kenner Weber weiter.

Sonne hinter Bergrücken

«Ein Ort voller alter Häuser, mit einfachen Leuten und ein paar Touristen im Sommer»: So beschrieb Highsmith ihre neue Wahlheimat. Wohl konnte sie dort ungestört arbeiten, doch machten ihr die Winter im engen Tal zu schaffen, namentlich die Kälte und die fehlende Sonne. «Die Winter in der Schweiz sind schwer zu ertragen und nicht gut für mich», klagte sie.

1988 zog sie nach Tegna, das am milderen Südhang vor dem Eingang ins Maggiatal und ins Centovalli liegt. Das neu erbaute Haus, ein eingeschossiger Bau in U-Form, entsprach ganz ihren Wünschen, hatte sie doch beim Entwurf des Architekten mitgewirkt.

Doch damit hatte sie nicht den Geschmack aller ihrer Gäste getroffen, titulierten doch einige ihr neues Heim als «öffentliches Schwimmbad» oder gar als «Bunker» oder «Festung».

Dieses Urteil wird sie nicht allzu hart getroffen haben: Die beste Gesellschaft waren ihr Katzen und Schnecken.

Karikierend-distanziert

Wenn sie sich zu den Eigenheiten der hiesigen Landesbewohner äusserte, schwang meist ein distanzierter oder gar satirischer Unterton mit. Etwa dann, wenn sie das Mittun in Sport- und Gesangsvereinen als des Schweizers liebste Freizeit-Beschäftigung erkannte.

Oder wenn sie sich darüber mokierte, dass Schweizer den Feierabend nicht in entspannter Atmosphäre mit Getränken und Plaudereien geniessen könnten. Vielmehr würden sie zu Hause von den Ehefrauen erwartet, die ihnen ein ausgedehntes Abendessen zubereitet hätten.

Vorsprung durch Solidität

Daneben hatte die Autorin aber viel Lob für ihre neue Heimat übrig. So rühmte sie allgemein die Schweizer Erzeugnisse, Waren, Dienstleistungen und Konsumgüter, die qualitativ über dem Standard der Nachbarländer lägen.

Schulbildung und Lehrlingswesen waren weitere Punkte, bei denen sie Vorteile gegenüber den USA und dem übrigen Europa sah. Und die Hallen des Flughafens Zürich mit ihren dunklen Marmorböden verglich sie mit einem «sauberen Wohnzimmer».

1990 schreibt Highsmith: «Die Schweiz ist wie ein Club: Nicht alle wollen Mitglied sein. Aber für diejenigen, die Ordnung und ein ruhiges Leben mögen, ist sie der richtige Ort.»

Am 4. Februar 1995 starb Patricia Highsmith in Locarno im Alter von 74 Jahren. An der Kirchenmauer in Tegna erinnert eine schlichte Steinplatte an die enigmatische Autorin.

swissinfo, Renat Künzi

Per Testament machte Patricia Highsmith Daniel Keel vom Zürcher Diogenes Verlag zu ihrem Nachlass-Verwalter.
Es war ferner ihr Wunsch, dass der Nachlass in der Schweiz bleibe.
1996 konnte ihn das Schweizer Literaturarchiv (SLA) in Bern für 150’000 Franken erwerben.
Ein Jahr später ersteigerte das SLA rund 400 Briefe Patricia Highsmiths.
Der Diogenes Verlag legt seit 2002 eine neue Werkausgabe in 30 Bänden auf, die nächstes Jahr abgeschlossen sein sollte.

Patricia Highsmith (1921 bis 1995) ist die wohl bekannteste Thriller-Autorin der Welt.

«The Talented Mr. Ripley» (1955, Deutsch: Der talentierte Mr. Ripley) ist ihr bekanntestes Werk.

Sie lebte von 1983 bis zu ihrem Tod im Tessin.

Sie führte ein sehr zurückgezogenes Dasein und äusserte sich öffentlich nicht zu ihrem Privatleben.

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