Weltwirtschaftsforum im Griff der Finanzkrise
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat das diesjährige WEF fest im Griff gehabt. Während die Banker als Verantwortliche für den Scherbenhaufen meist die Köpfe einzogen und das Rampenlicht mieden, überboten sich Politiker mit Lösungsvorschlägen für die Krise.
Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hatte den Teilnehmern des 39. Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos gleich zu Beginn die Leviten gelesen.
Obwohl die Krise in der Luft gehangen habe, hätten sich die meisten Wirtschaftskapitäne noch ihre Scheibe vom Kuchen abschneiden wollen. Die «wollten die steigende Welle nicht wahrhaben».
Die Welt erlebe jetzt ihre erste richtig globale Krise, die sich mit beispielloser Geschwindigkeit weiterentwickle.
«Unabhängig vom politischen oder wirtschaftlichen System sitzen alle Nationen im selben Boot», so Putin.
Dieses Jahr sei das erste Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Weltkonjunktur schrumpfe, sagte Morgan-Stanley-Banker Stephen Roach. Die Industriestaaten erlebten einen Abschwung, den man noch nie gesehen habe. Darunter litten auch die Schwellenländer.
Kritik an Boni
Global war auch die Empörung über jene Banker, die sich vom normalen Leben abgekoppelt haben. US-Präsident Barack Obama bezeichnete es diese Woche in Washington als beschämend und «der Gipfel der Verantwortungslosigkeit», dass die Wall-Street-Banken trotz Milliardenverlusten und Staatshilfe im vergangenen Jahr über 18 Mrd. Dollar an Boni ausgeschüttet hätten. Am WEF sorgten die Boni der UBS für rote Köpfe.
«Man hat Boni immer damit legitimiert, dass sie ein Anreiz seien, hart zu arbeiten. Doch wenn man seine Bank ins Desaster führt und dafür noch einen Bonus kriegt, dann entpuppt sich der Bonus als Trick, als Gimmick, als Diebstahl», sagte US-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem Interview mit der NZZ am Sonntag im Hinblick auf die US-Banken.
Politiker im Rampenlicht
Nachdem der Karren nun im Dreck steckt, gingen die meisten Banker in Deckung, die in den Vorjahren prominent an den WEF-Podien aufgetreten waren. Ausnahmen waren Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann oder Credit Suisse-Präsident Walter Kielholz.
Und da die Banker, wie etwa UBS-Präsident Peter Kurer oder UBS- Geschäftsleiter Marcel Rohner, den grossen Auftritt scheuten, nutzten die Politiker das Rampenlicht. Dort taten sie das, was Politiker am liebsten tun: Vorschläge machen und bezüglich der Umsetzung vage bleiben.
So forderte der britische Premierminister Gordon Brown ein gemeinsames Vorgehen der Staaten gegen die Krise und legte gleich einen Drei-Punkte-Plan vor.
Um die Banken vor dem Kollaps zu bewahren, müssten die Sparer auf der ganzen Welt geschützt werden. Zudem sprach sich Brown für weltweite Konjunkturprogramme und Steuersenkungen aus.
Gleichzeitig müssten auch weltweite Regeln für das Finanzsystem eingeführt werden: Das Flickwerk der derzeitigen Regulierung sei durch eine globale Koordination der Aufsichtsbehörden zu ersetzen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nutzte das WEF, um ihre Idee eines Weltwirtschaftsrats erneut aufs Tapet zu bringen.
Hoffnungen auf G20
Brown und Merkel wollen ihre Vorschläge beim Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) im April in London unterbreiten. Doch bis dahin dürften die Ideen zerredet und von der Entwicklung der Ereignisse überrollt werden.
Bei diesem Club der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer möchte die Schweiz mit am Tisch sitzen, wenn er über die globale Finanzkrise berät. Bundespräsident Hans-Rudolf lotete am WEF die Chancen dafür aus.
Das 39. WEF stand unter dem Motto «Die Welt nach der Krise gestalten». Zwar wurde dabei keine Allheilmethode gegen die Finanzkrise gefunden, dennoch zog der Bundespräsident eine positive Bilanz.
Doha ankurbeln
Bundesrätin Doris Leuthard ihrerseits versuchte, mit der Einladung zu einer informellen WTO-Ministerrunde der stillstehenden Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels wieder Leben einzuhauchen.
Die Öffnung der Märkte sei das Beste, was man gegen die Krise tun könne, stellten die 20 Handelsminister fest und warnten vor Protektionismus.
Keine Lösung mit Libyen
Nicht erfüllt haben sich die Hoffnungen auf eine rasche Lösung des diplomatischen Konflikts zwischen der Schweiz und Libyen. Diese waren am Freitag vom Saif al-Islam Gaddafi geschürt worden, einem Sohn des libyschen Herrschers Muammar Gaddafi.
Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hatte sich am Donnerstag und Freitag zu Gesprächen mit dem Gaddafi-Sohn getroffen, kehrte dann aber ohne konkretes Ergebnis aus Davos zurück.
Die Gespräche würden nun auf diplomatischer Ebene fortgesetzt, sagte ihr Sprecher Jean-Philippe Jutzi am Sonntag.
swissinfo und Agenturen
Die Anfänge: Das World Economic Forum wurde 1971 als «Management Symposium» von Klaus Schwab gegründet.
Slogan: Die Ausgabe 2009 versammelte vom 28. Januar bis 1. Februar über 2500 Teilnehmende aus 96 Ländern. Sie stand unter dem Motto «Shaping the Post-Crisis World» (Die Welt nach der Krise gestalten).
Prominenz: Die bekanntesten unter den anwesenden Persönlichkeiten waren Wladimir Putin, Angela Merkel, die Premierminister Chinas (Wen Jiabao), Japans (Taro Aso) und Grossbritanniens (Gordon Brown), die französischen Minister Bernard Kouchner und Christine Lagarde, UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Die Organisatoren des Open Forum, der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) und das WEF, sind mit der siebten Ausgabe ihres Anlasses zufrieden.
Die Mischung zwischen informativen und kontroversen Diskussionen sei die richtige gewesen, die Teilnehmer gut gewählt.
Kontrovers waren beispielsweise die Panels zu Finanzkrise und Sterbehilfe.
Daneben vermochte auch eine Diskussion über die Ungerechtigkeiten des Klimawandels mit dem ehemaligen UNO-Generalsekretär und Präsident des Global Humanitarian Forums, Kofi Annan, die Aula der Schweizerischen Alpinen Mittelschule zu überfüllen.
Insgesamt besuchten knapp 2300 Menschen die sieben Veranstaltungen des Open Forum.
Ziel des Anlasses am Rande des WEF ist es, die Auswirkungen der Globalisierung auf den Einzelnen zu thematisieren.
In der Nacht auf Freitag explodierte in Davos in einem Gebäudeeingang ein Sprengsatz. Verletzt wurde niemand, doch gingen Scheiben und Türrahmen zu Bruch.
Gemäss einem Bekennerschreiben richtete sich der Angriff gegen den Telefonverteiler von Davos Tourismus – Congress Center und der Davoser Zeitung.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch