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Wenn aus Phantasie ernst wird…

Das NIFFF-Plakat 2006. NIFFF

Abscheu, Zittern, Action, Science Fiction: Vom 3. bis 9. Juli findet in Neuenburg zum sechsten Mal das Festival des "International Fantastic Film" statt.

Rund 60 Filme sind im Programm. Daneben Gäste wie George A. Romero oder John Landis. Weiter gibt es Symposien und Diskussionen. Hier das Gespräch mit Präsident Olivier Müller.

Das Festival zeigt das Hauptprogramm «Der fantastische Film» sowie die beiden komplementären Programmschienen «Asiatisches Kino» und «Digitale Bilder».

Es will damit eine Bandbreite «vom Blockbuster zum Autorenfilm, von der schwarzen Komödie zum Science-Fiction-Opus, vom Zeichentrickfilm zur digitalen Animation» präsentieren, sagen die Veranstalter.

Neu vom Bundesamt für Kultur (BAK) unterstützt, im vergangenen Jahr die Auszeichnung Cérémonie du Méliès d’Or erhalten: Das Filmfestival von Neuenburg hat eine erstaunliche internationale Dimension erreicht.

Olivier Müller ist Präsident dieses Anlasses, voller Abenteuerlust und Dynamik. In Neuenburg spielt der Fantastische Film die Karte der Abscheu, aber auch der Science Fiction, des Thrillers oder der Komödie.

swissinfo: Man erhält den Eindruck, das International Fantastic Films (NIFFF) werde jedes Jahr grösser, dennoch sprechen Sie weiterhin von einem «kleinen Festival».

Olivier Müller: Machen Sie einen Rundgang durch unsere Büros, und Sie werden sehen, wir sind ein kleines Team. Die Gehälter sind auch klein. Wir befinden uns in einem Milieu, wo wir sehr wettbewerbsfähig sein müssen. Kino ist – wie andere Bereiche auch – eine Industrie. Wir müssen kämpfen, um gute Filme zeigen zu können, um wichtige Journalisten vor Ort zu haben.

swissinfo: Welchen Einfluss hatte die Auszeichnung Cérémonie du Méliès d’Or vom vergangenen Jahr für Neuenburg?

O.M.: Das hat unser Festival in der ausländischen Presse bekannt gemacht. Leute kamen aus Belgien oder den skandinavischen Ländern. Die Auswirkungen sind in diesem Jahr zu sehen: Es sind alle grossen skandinavischen Filme anwesend.

Es wirkte sich auch in der Schweiz aus. Es hat uns ermöglicht, in Bern einen guten Eindruck zu machen. Der Chef des Bundesamtes für Kultur (BAK), Jean-Frédéric Jauslin, ist gekommen. Nun haben wir einen ausgezeichneten Draht ins BAK.

Und – paradoxerweise – war es auch für Neuenburg selber wichtig. Es erlaubte uns, das Eis zwischen den kantonalen Behörden und uns zu brechen. Es ist denen klar geworden, dass wir auch mal den Mund voll nehmen müssen und sagen: Es gibt im ganzen Kanton kein vergleichbares kulturelles Ereignis, welches die selbe Bedeutung für den Tourismus hat wie das NIFFF.

swissinfo: Sie haben die internationale Anerkennung gebraucht, damit Sie hier ernst genommen werden?

P.M.: Der Prophet gilt ja bekanntlich nichts im eigenen Land. Aber es stimmt, wir mussten erst hier hart arbeiten, bis die Leute merkten, dass in Stockholm, Brüssel oder Bern über uns gesprochen wird. Das hat die Einheimischen erst aufgeweckt.

swissinfo: Zum zweiten Mal organisieren Sie ein Symposium zum Thema «Stelle Dir die Zukunft vor», dem sich ein Treffen über das Schweizer Filmschaffen anschliesst. Ist das eine Imagefrage, eine Art politische Glaubwürdigkeit ins NIFFF zu bringen?

O.M.: Es gab Erwägungen dieser Art. Doch eigentlich organisierst du solche Ereignisse, weil du davon überzeugt bist, und weil du Lust hast, so etwas zu machen.

Diesbezüglich eine Anekdote zum Nachmittag, an dem Nicolas Bideau, Leiter der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, hier sein wird. Um ihn überhaupt dafür zu gewinnen, sagte ich ihm, der Fantastische Film sei ein potentieller Katalysator desjenigen Filmes, den er, Bideau, ja den «qualitativen und kommerziell erfolgreichen» Film nennt.

Ich habe ihm erzählt, was in Neuseeland mit dem «Herr der Ringe» geschehen ist. Ich habe mit ihm über Peter Jackson gesprochen, der erst kleine Horrorfilme drehte, und dem niemand in Neuseeland Beachtung schenkte. Das Geld erhielt immer Jane Campion, so quasi die offizielle Filmemacherin Neuseelands.

In einem Land mit vier Millionen Einwohnern, der Schweiz sehr ähnlich, wurde Peter Jackson urplötzlich zum «ersten Arbeitgeber» und das während drei Jahren. Es ist ihm sogar gelungen, das Potential in Neuseeland zu halten, ein riesengrosses Studio, Weta, zu schaffen, das nun der Hauptdienstleister ist für Hollywood. Peter Jackson hat Ungewöhnliches für die Kreativität aber auch die Wirtschaft in Neuseeland geleistet.

Ich habe Bideau gefragt, ob das in der Schweiz nicht auch möglich wäre, indem wir die Talente hier ermutigen würden, aktiv zu werden. Bideau, der provokante Herausforderungen liebt, hat OK gesagt. Er werde sich mit denjenigen, welche im Filmgenre Horror oder Fantasie tätig seien, auseinander setzen. Um die Diskussion zu erweitern wird auch Michael Steiner, der «Grounding» gedreht hat, dazustossen. Unsere Arbeit besteht nun mal auch darin, den Schweizer Film zu fördern.

swissinfo: Für dieses Jahr wurden Filmvorführungen unter freiem Himmel angekündigt. Nun finden sie nicht statt. Immer noch das grosse Projekt des NIFFF?

O.M.: Das ist ja der Gag! Aber es wird schwierig sein, weil die Vorführungen praktisch neben unseren Kinos stattfinden sollten, also mitten in der Stadt. Das ist nicht einfach. Denken sie an den Verkehr, die Leute, die hier wohnen. Es brauchte zähe Verhandlungen mit den Behörden. Aber wir haben es geschafft. Seit Februar besitzen wir die Erlaubnis für 2007.

Es wird eine Grossleinwand und 1000 Sitzplätze haben. Unsere kleine «Piazza Grande» in Neuenburgs Stadtzentrum. Mehr haben nicht Platz.

Damit wird es uns möglich sein noch mehr Aufmerksamkeit zu erheischen. Ein Film, unter freiem Himmel, im Juli, am See. Ein tolles Erlebnis. Das wird viele veranlassen, das Festival zu besuchen

swissinfo-Interview, Bernhard Léchot, Neuenburg
(Übertragung aus dem Französischen: Urs Maurer)

Das 6. International Fantastic Film Festival in Neuenburg findet vom 3. bis 9. Juli in den Kinos Apollo statt.

Als Eröffnungsfilm wird «Tideland» von Terry Gilliam gespielt, gefolgt von «Stay» von Marc Forster.

Rund 40 Filme nehmen an vier Wettbewerben teil: International, Asien, Kurzfilme Schweiz und europäische Kurzfilme.

Die Retrospektive ist dem Thema «atypische Superhelden» gewidmet.

Am 5. und 6. Juli wird das Symposium «Imaging the Future» stattfinden. In diesem Jahr ist das Festival dem Thema «More than human/ plus qu’humain?» gewidmet.

Mikrotechnologie, Medizin, Informatik sowie das Bild des Superhelden und des Mutanten im Film. Wird der Mensch die biologischen Grenzen seines Daseins erreichen? Wird der Mensch bald transzendent? Eine Veranstaltung mit dem Maison d’Ailleurs in Yverdon-les-Bains und dem Ethnografischen Museum in Neuenburg.

Am Nachmittag des 7. Juli findet die Diskussion «Die fantastische Zukunft des Schweizer Films» statt. Mit dabei: Nicolas Bideau vom Bundesamt für Kultur (BAK) und die Regisseure Xavier Ruiz, Michael Steiner, Dominique Othenin-Girard.

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