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Wenn Künstlerträume wahr werden

Internationale Künstler-Gemeinschaft in Paris swissinfo.ch

Ein Atelieraufenthalt in Paris ist begehrt. Die Seine-Metropole hat bei Schweizer Künstlern nichts von ihrer Attraktivität eingebüsst.

Ein Augenschein in der Cité Internationale des Arts, wo zahlreiche Schweizer Kantone und Städte Atelieraufenthalte vergeben.

Paris, die Stadt, die nirgends anfängt und nirgends aufhört. Geschäftig, schnell und schön lockt die Seine-Metropole unaufhörlich Menschen aus aller Welt an: Emigranten, Touristen, Modefreaks. Und unentwegt Künstlerinnen und Künstler.

Einer ihrer Treffpunkte ist die Cité Internationale des Arts. Hier wohnen bildende Künstlerinnen, Fotografen, Malerinnen, Musiker, Multimedia-Installateure, Textil-Künstlerinnen, Komponisten.

Internationale Wohngemeinschaft

An bester Lage, direkt an der Seine mit Blick auf Notre Dame steht der langgezogene weisse Bau aus dem Jahre 1965. Zahlreiche Länder und viele Schweizer Kantone haben hier ein Künstler-Atelier gemietet. Aktuell arbeiten Künstlerinnen und Künstler aus über 35 Nationen in der Cité.

Die Cité, wie sie von ihren Teilzeit-Bewohnern genannt wird, ist eine internationale Wohngemeinschaft mit Bewohnern der exzentrischen Art. Künstlerinnen und Künstlern eben, die eine gemeinsame Sprache haben – die Sprache der Kunst.

Eine Bernerin in Paris

Eine, die sich zurzeit von Paris inspirieren lässt, ist Barbara Feuz. Die Bernerin, die seit Mitte der 80er Jahre in Basel lebt und arbeitet, hat dieses Jahr von der Kulturförderung Basel Land einen halbjährigen Atelieraufenthalt erhalten.

Seit Anfang Juli lebt sie nun im rund 30 Quadratmeter grossen Atelier «Carl Spitteler» und lässt sich von der hektisch-kreativen Atmosphäre der Stadt treiben. «Der Start hier war harzig. Die Stadt hat mich fast überrannt. Bis ich meine Struktur fand dauerte es eine Weile. Am Anfang konnte ich nur auf Postkarten, also auf kleinem Format zeichnen.»

In der Zwischenzeit hat sich Barbara Feuz eingelebt, hat sich in ihrem spärlich möblierten Atelier arrangiert, hat Kontakte geknüpft, hat sich in ihrer unmittelbaren Umgebung umgesehen.

Aktuell arbeitet sie an ihrem «Back-Stage-Manager»-Projekt. Hier bezieht sie 18 Künstler und Künstlerinnen aus der Cité mit ein. Feuz scannt deren Kleider und Schuhe und färbt den Ausdruck später in deren Lieblingsfarbe ein. In einem weiteren Schritt signiert sie das nun entstandene Werk mit den Unterschriften der Protagonisten. Einer Unterschrift, die notabene auch wieder kopiert ist.

Was ist nun Original, was ist Kopie? Ein Thema, das die Schweizer Künstlerin immer wieder umtreibt. Und seit sie ihre Anfangsschwierigkeiten überwunden hat, ist Barbara Feuz in einem eigentlichen Schaffensrausch.

Auf den Hund gekommen

«In Paris bin ich auf den Hund gekommen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt fotografiere ich sie auch. Hunde, Hunde, Hunde. In Basel werde ich sie malen und jeweils geschichtsträchtigen Orten zuordnen.» So findet der grässliche Hundekot auf den Pflastesteinen von Paris samt Verursachern Eingang in die Kunst.

Wie das Resümee ihres Pariser Aufenthaltes aussehen wird, ist für Barbara Feuz noch nicht ganz klar. «Der ganze Drive hier ist super. Ich glaube, was der Aufenthalt wirklich bringt, weiss ich erst, wenn ich wieder zurück bin.»

In Paris hängen geblieben

Einer, dessen Atelieraufenthalt zu Ende ist und der gleichwohl in Paris hängen geblieben ist, ist der Videokünstler Christoph Oertli. Von April 2002 bis April 2003 arbeitete er im Cité-Atelier des Kantons Basel Stadt.

Basel Stadt ist einer der wenigen Kantone, die ganzjährige Atelieraufenthalte samt Stipendien in den Bereichen Malerei und Bildhauere vergeben. Oertli liess sich weder von der Stadt noch von der langen Aufenthaltsdauer beeindrucken und ging seine Zeit geruhsam an.

«Paris bietet so viel, hat ein wahnsinniges Angebot an Museen, Kinos, Konzerten, Tanz. Zuerst schaute ich mich einfach mal um, schöpfte aus dem Vollen.» Und ging dann an die Arbeit.

Christoph Oertli nützte seine Cité-Zeit für die ganzen Vorbereitungsarbeiten zu einem Kunst-Video. Einer Mischung aus Videokunst und Spielfilm. Satte sieben Minuten geloopt für die Museen in der Schweiz. Und ab November an der Viper in Basel zu sehen.

«Ein solcher Aufenthalt ist ein Luxus. Ich habe nebst dem Video viel angefangen, viel aufgegleist. Es ist schön, dass es die Cité gibt, aber neuen Medien gegenüber ist der Ort recht verstaubt. Hier täte eine Anpassung gut», bilanziert Oertli.

Anpassungen notwendig

Tatsächlich haben die Ateliers der Cité seit 1965 keine grossen Veränderungen mehr erfahren. Das heisst, für die neuen Kunst-Medien wie Video, digitale Fotografie, Netzwerk-Poesie, Perfomances und spartenübergreifende Projekte fehlt die Infrastruktur.

So bestechend die Idee war und ist, Kunstschaffenden aus aller Welt eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die es ihnen erlaubt unter ihresgleichen und unter einigermassen gesicherten Bedingungen zu arbeiten, so wichtig ist es auch, den neuen Medien Raum zu verschaffen.

Doch wie überall mangelt es an Geld, sind Sponsoren Mangelware. Und in der Person von Präsidentin Simone Félix Brunau ist keine Erneuerin an der Macht. So behelfen sich einzelne Cité-Bewohner, indem sie auf eigene Rechnung einen Internet-Anschluss installieren lassen.

Viele mögen momentan Berlin hipper, New York wichtiger finden. Doch Paris hat nichts von seiner Anziehung verloren. Die Stadt der Liebe oszilliert ungebrochen zwischen Tradition und Moderne, zwischen Alltag und ewigem Sonntag. Genügend Gründe für Kunstschaffende aus aller Welt, sich von Paris immer und immer wieder verführen oder begeistern zu lassen.


swissinfo, Brigitta Javurek, Paris

Die Cité Internationale des Arts wurde 1965 eröffnet und beherbergt über 300 Ateliers.
Aktuell arbeiten Künstler aus über 35 Nationen in der Cité.

Die meisten Kantone in der Schweiz kennen die Kulturförderung mittels Atelieraufenthalten und Stipendien.

Berlin, New York und Paris sind die bekanntesten und begehrtesten Ateliers.

In der Cité sind sechs Kantone, zwei Städte und einige Kunst-Gesellschaften seit 1965 dabei. Weitere haben sich später eingemietet.

So hat sich beispielsweise der Kanton Zürich 1965 zu einem Preis von damals 70’500 Franken eingekauft.

Die jährlichen Kosten belaufen sich heute auf 3300 Euro, umgerechnet gut 5000 Franken.

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