Wird «Chaplin’s World» wie «Disney World»?
Das Museumsprojekt "Charlie Chaplin" wurde diese Woche vorgestellt. Die Initianten möchten eine Ausstellung mit dem Namen "Chaplins World" realisieren. Ihnen ist wichtig, dass die Persönlichkeit Charlie Chaplins nicht verraten wird.
«Ich bin sehr glücklich, dass wir so nahe am Erfolg sind», sagte Michael Chaplin, der Präsident der Fondation Charlie Chaplin, anlässlich der Präsentation des definitiven Projekts zur Ehrung seines Vaters.
Die Fondation und die Chaplin Museum AG haben die Presse diese Woche in Domaine de Ban, in Corsier-sur-Vevey versammelt. Dort, wo Sir Charles Spencer Chaplin und seine zahlreichen Familienmitglieder ab 1953 bis zu seinem Tod an Weihnachten 1977 lebten.
Die Initianten gaben bekannt, dass das Baubewilligungsgesuch am 21. November eingereicht worden sei. Die Baubewilligung dürfte im Januar oder im Februar erteilt werden.
«Wenn alles gut geht und keine Einsprachen mehr eingereicht werden», sagte Philippe Meylan, der Architekt des Projekts, «werden die Bauarbeiten im Juni 2010 beginnen und das Museum wird zwei Jahre später eröffnet.»
Es brauchte jedoch fast zehn Jahre, bis dieses ehrgeizige Projekt konkret wurde. Es war eine Abfolge von Einsprachen, Widerstand, Finanzschwierigkeiten und polemischen Auseinandersetzungen.
Museum über «Modern Times»
Das Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert wird so renoviert, dass die Intimsphäre der Familie Chaplin und jene berühmtmer Besucher nacherlebt werden kann. Michael Jackson hat beispielsweise in der Garage übernachtet.
Die Nebengebäude und der Garten werden neu hergerichtet. Eine Ausstellungshalle wird gebaut, die ganz dem cinematografischen Werk Chaplins gewidmet ist. Die ganze Infrastruktur wird im Minergiestandard gebaut.
Ein Café, eine Boutique und ein Theatersaal mit 200 Plätzen gehören dazu. Erstellt werden auch ein Parkplatz, ein Zugang für Fussgänger sowie ein Veloweg. Ausserdem soll eine Busverbindung nach Vevey eingerichtet werden.
Das Ganze macht ein Budget von mehr als 50 Mio. Franken erforderlich. Davon werden 15 Millionen ins Museum gesteckt.
«Das Anwesen bleibt eine der schönsten Landschaften am Genfersee, ein Katzensprung vom Lavaux, dem Weltkulturerbe der Unesco, entfernt», sagte Philippe Meylan.
Clooney, Alinghi und Chaplin
Meylan und sein Partner Yves Durand, ein Ausstellungsmacher für Museen aus Quebec, streben die neue Bezeichnung «Chaplin’s World, The Modern Times Museum» an. Damit soll die internationale Dimension des chaplinschen Erbes bewahrt werden.
Die Initianten bekräftigen, «mehr als ein Museum realisieren zu wollen, ein Projekt an der Grenze von Unterhaltung und Kultur, umgesetzt in der Sprache des neuen Jahrhunderts und basierend auf neuen Technologien».
Auf den ersten Blick vermittelt das Projekt den Eindruck von «Hypervermarktung». Dazu kommt, dass das Logo von Nestlé überall gut platziert auftaucht. Mit der Nespresso-Werbung, von George Clooney unterschrieben, hat sich das multinationale Unternehmen von Vevey seinen Platz gesichert.
Roland Decorvet, Generaldirektor von Nestlé Schweiz, bestätigt seinen Glauben an «dieses Projekt mit internationalen Dimensionen», an diese «Attraktion, auf die Vevey seit Langem wartet». Er fügt an, ohne den Betrag zu nennen, dass eine «Beteiligung von Nestlé logisch ist».
«Ein Werk, das für sich selbst spricht»
Die Ausstellungsveranstalter halten fest, dass die «Persönlichkeit Chaplins uns gebietet, den Menschen, den Künstler, den Filmemacher und den Bürger zu ehren», wie Yves Durand sagte.
«Was für uns zählt, ist, dass wir seine Sprache, seine Bilder, seine Musik würdigen. Es ist ein aussergewöhnliches Werk, das für sich selbst spricht.»
Um für das perspektivische Werk ein Konzept zu erarbeiten, hat Durand auf eine internationale Grösse zurückgegriffen, auf François Confino, der an der Expo 02, an der Weltausstellung in Hannover 2000, an der Weltausstellung in Shanghai und an vielen weitern Orten Ausstellungen konzipiert hat.
Der Franzose sei «extrem beeindruckt». «Es ging darum, Charlie Chaplin in seiner Authentizität zu zeigen. Wir möchten, wohlverstanden, kein Disneyland aus der Persönlichkeit machen, wir wollen ihm Ehre erweisen», betont er.
«Es handelt sich um ein Gelände von 2000 Quadratmetern, das dem Filmschaffen gewidmet ist. Es ist sehr schwierig, ich habe Respekt davor, denn ich möchte keinen Kitsch bringen», so Confino. Erwartet werden rund 300’000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr.
Mein Vater hat es verdient
Die Famile hat keine Angst, dass mit dem Museum der Charakter von Chaplins Werk verfälscht wird. «Mein Bruder und ich haben das Haus nach dem Tod unserer Mutter übernommen, und unsere vielen Kinder sind dort im gleichen Paradies aufgewachsen wie wir. Aber sie sind jetzt gross, und die Last dieses Eigentums wurde uns zu schwer», sagte Michael Chaplin.
Auch sein Bruder, Eugene Chaplin, scheint zufrieden: «Dieses Haus, das mich immer an meinen Vater und an meine Mutter erinnern wird, wurde etwas vernachlässigt. Ich bin glücklich, dass ihm wieder Leben eingehaucht wird. Mein Vater verdient das. Die Idee ist sehr innovativ. Ich hoffe trotzdem, dass der Name noch geändert wird, denn ‹Chaplin’s World› ist ein bisschen marktschreierisch, und das ist nicht das Ziel.»
Isabelle Eichenberger, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Eveline Kobler)
London-Vevey. Sir Charles Spencer Chaplin wurde 1889 in East Lane, London geboren. Seine Eltern waren Variétékünstler.
Chaplin war Regisseur, Drehbuchautor, Produzent, Cutter seiner Filme und hat auch die Musik zu seinen Filmen komponiert. In 50 Jahren hat er 80 Kurzfilme und Spielfilme gedreht, davon mehr als 70 mit der Hauptperson «Charlot», die er 1914 erfunden hatte.
1903 begann seine Karriere im Theater, 1908 startete sie im Film in den USA.
1953 wurde er als Kommunist aus den USA verjagt. Er liess sich in Manoir de Ban, bei Vevey nieder. Dort starb er am 25. Dezember 1977.
2000: Die Schweizer Gesellschaft ARCO «Architecture et Conseils SA» und die «Experience International» aus Kanada schlagen den Mitgliedern der Familie Chaplin ein Projekt vor, das Charlie Chaplin und seinem Werk gewidmet ist.
2001: Die Fondation «Musée Charlie Chaplin» wird gegründet. Vier Familienmitglieder und vier Vertreter der Nachbargemeinden sind involviert. Sie schlagen ein Projekt vor, das «L’Espace Musée Charlie Chaplin» heisst und in Domaine de Ban, dem Besitz der Familie Chaplin in Corsier-sur-Vevey, verwirklicht werden soll.
2009: Nach langem Hin und Her (Widerstand, Rekursen) reichen die Fondation und das Chaplin Museum Development SA das Baubewilligungsgesuch ein.
2010: Ohne weitere Einsprachen könnten die Arbeiten im Juni beginnen. Die Eröffnung ist für zwei Jahre später geplant.
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