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Wirtschaftsflaute setzt Schweizer Medien zu

Die Wirtschaftsflaute setzt den CH-Medien zu swissinfo.ch

Sinkende Werbeeinnahmen veranlassen die grossen Schweizer Verlage zu einem massiven Stellenabbau.

Experten erwarten eine Erholung der Wirtschaft frühestens 2003 und warnen vor weiteren Entlassungen und Konsolidierungen.

“Das rasante Wachstum der Werbeeinnahmen bis zum Jahr 2000 hat zu einem stetigen Kapazitätsausbau bei den Schweizer Medien geführt”, sagt Roger Blum, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Bern gegenüber swissinfo.

Mittlerweile sind die Werbeeinnahmen regelrecht eingebrochen, und die Verleger reagieren mit Entlassungen. Auch werden vor allem Projekte im Online-Bereich gestoppt oder redimensioniert.

Das jüngste Beispiel ist die “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ). Der Verlag baut 80 Stellen ab, 12% der Belegschaft. 27 Personen wurden entlassen, die restlichen Mitarbeiter sollen durch natürliche Fluktuationen und Pensionierungen abgebaut werden.

Bis 2003 will die NZZ damit über 20 Millionen Franken einsparen. Bereits im Sommer hatte der Verlag 2 Mitarbeitern der Online-Redaktion gekündigt. Im gleichen Zeitraum musste das Berner Tochterunternehmen “Der Bund” 8 Personen entlassen, knapp 10% aller Mitarbeitenden.

Keine Besserung in Sicht

Auch beim “Tages-Anzeiger” kriselt es: Nach einem Abbau von 16 Stellen bei “TeleZüri” redimensioniert der Verlag nun den Online-Bereich durch die Entlassung von 7 Personen. Dies entspricht einem Stellenabbau von 15% im Online-Bereich.

Laut Unternehmens-Sprecher Peter Hartmeier werden weitere Massnahmen geprüft, da man in den nächsten 12 Monaten keine wesentliche Erholung der Wirtschaft erwarte.

Der Jean Frey Verlag will 9 Mio. Franken einsparen und hat 25 Stellen gestrichen. Die Einsparungen sollen neben dem Personalabbau auch durch Zusammenlegung der vier Publikationen im Online-Bereich erreicht werden.

Das Pressehaus Ringier wird die genaue Anzahl weiterer Entlassungen in den kommenden Wochen bekannt geben. Ende September hatte der Verlag geplante Einsparungen von 30 Mio Franken angekündigt.

Bei der Tochter “Cash” schlug sich das Sparprogramm bereits in einer Reduktion von 3 Stellen nieder. Auch die Westschweizer Sonntagszeitung “dimanche.ch” – ebenfalls eine Ringier-Tochter – musste im Sommer 8 von 36 Beschäftigten entlassen.

Keine Entlassungen im Tessin und in der Westschweiz

Laut Federica Bonetti vom Tessiner Radio gibt es bei den Südschweizer Medien (“Corriere del Ticino”, “La Regione” und “Giornale del Popolo”) keine nennenswerten Entlassungen. Und das kürzlich lancierte Gratisblatt “Ticino oggi” stelle bislang keine echte Konkurrenz dar.

Allerdings stünde laut Bonetti eine Konsolidierung an, da die süditalienische Leserschaft zu klein sei für drei Zeitungen. Als Sieger werde wohl der “Corriere del Ticino” hervorgehen.

Bei den Westschweizer Tageszeitungen herrscht bislang keine Krisenstimmung. “Le Temps” gab bisher keine Entlassungen bekannt, und das Verlagshaus Edipresse (“24heures”, “Le Matin” und “Tribune de Genève”) reduzierte bereits Anfang Jahr seine Online-Aktivitäten.

Einbruch bei den Werbeeinnahmen

Zum ersten Mal seit einem halben Jahrzehnt lagen 2001 die Werbeumsätze mit 5,6 Mrd. Franken 2% unter dem Vorjahresniveau. Vor allem im Internet-Bereich brachen die Werbeumsätze um über 40% ein. Tageszeitungen und Fachzeitschriften verzeichnen Umsatzeinbrüche von rund 10%.

Der Hauptgrund liegt beim Rückgang der Stelleninserate, die rund einen Drittel der Werbeeinnahmen ausmachen. Das jüngste Beispiel NZZ zeigt das Ausmass der Krise: Die Werbeeinnahmen sanken seit 2000 um 40 Mio. Franken.

Allerdings soll sich der Werbemarkt laut dem Basler Forschungsunternehmen Prognos nächstes Jahr erholen. Die Werbeeinnahmen bei den Zeitungen und Publikumszeitschriften würden jedoch nur unterdurchschnittlich wachsen.

Verändertes Leseverhalten

Einige Schweizer Medien befinden sich in einem schmerzhaften Anpassungsprozess: Nicht nur die schlechte Wirtschaftslage, sondern auch verändertes Leseverhalten setzen ihnen zu. Viele Unternehmen haben eine Strukturanpassung versäumt oder zu spät in die Wege geleitet.

Laut einer Studie wächst eine neue Konsumenten-Generation heran, die zwar mehr Medien konsumiert, aber weniger Tageszeitungen liest.

Die traditionellen Medienhäuser müssen neue Einnahmenquellen zu finden, zum Beispiel das Internet. Viele Unternehmen sind jedoch im falschen Moment und zu euphorisch auf diesen Zug aufgesprungen.

In Zukunft Gratisblatt und Pendlerzeitung?

Die Schweizer Tageszeitungen müssen sich zunehmend mit einer ernsthaften Konkurrenz auseinandersetzen, den Gratiszeitungen. Diese konnten letztes Jahr ihre Werbeinnahmen sogar um 5% steigern.

Dieser Trend wird hauptsächlich durch deutschsprachige Leser aus den Agglomerationen verursacht. Nicht zufällig erwägt der “Tages-Anzeiger” deshalb die Lancierung einer eigenen Pendlerzeitung. Auch der Kanton Tessin hat seit diesem Herbst eine Gratiszeitung.

Da die Wirtschaft weiterhin stagniert, werden laut Experten weitere Entlassungen und Konsolidierungen in der Schweizerischen Medienlandschaft immer wahrscheinlicher.

swissinfo, Elvira Wiegers

Das Werbevolumen ist im September weiter rückläufig und sank gegenüber dem Vorjahresmonat um knapp 12%.
Der Hauptgrund ist der Einbruch bei den Stelleninserat von über 40%.
Vor allem Deutschschweizer und Tessiner Zeitungen sind betroffen.
Die Gratiszeitungen konnten ihr Inseratevolumen steigern.

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