Yann Lambiel und die Politik des Spottes
Der Walliser Komiker Yann Lambiel ist ein Meister des Parodierens. Ein Gespräch mit einem Störenfried, der sich über die Politiker lustig macht, aber die Politik nicht besonders mag.
Zahlreiche Politiker wie der ehemalige SP-Bundesrat Moritz Leuenberger, der SVP- Nationalrat Oskar Freysinger oder der grüne Stadtpräsident von Lausanne, Daniel Brélaz, bekommen vom Westschweizer Komiker Yann Lambiel ihr Fett ab. Als brillanter Imitator mokiert er sich über die kleinen Fehler der Politiker, doch auch Personen aus Sport und Showbiz werden nicht verschont.
Nebst seinen Bühnenauftritten (aktuell «Aux suivants!») ist Yann Lambiel seit elf Jahren mit seinen Parodien von Schweizer Persönlichkeiten in der Satiresendung «La Soupe» des Westschweizer Radios (RSR) präsent. Mehrere Komiker treten auf und begrüssen jeden Sonntag einen Gast, meist aus der Welt der Politik.
swissinfo.ch: Was bedeutet Ihnen als Meister des Parodierens von Politikern eigentlich die Politik?
Yann Lambiel: Bevor ich vor rund fünfzehn Jahren in der P’tit Music-Hohl Thierry Meury getroffen hatte, interessierte mich die Politik überhaupt nicht. Meury ist auch Komiker, er hilft mit beim Texten und tritt auch in der Sendung «La Soupe» auf. Er zeigte mir die satirische Seite der Politik, so kam es, dass ich mich etwas mehr dafür interessierte.
Doch ich analysiere lieber die Art und Weise, wie sich die Menschen ausdrücken. In meiner Position gebe ich meine politische Meinung nicht preis, schliesslich mache ich mich über alle lustig, nur so bin ich glaubwürdig.
Auch wenn ich gegenüber den Politikern sehr kritisch bin, bewundere ich sie doch auch. Denn es ist sehr schwierig, Lösungen herbeizuführen. Es gibt sehr gute Leute, die grosse Risiken eingehen, wie Dick Marty (FDP-Ständerat aus dem Kanton Tessin). Er ist sehr mutig.
Aber in unserer Sendung traten auch schon ein paar Bescheuerte auf, ich hüte mich Namen zu nennen. Fast alle kommen aus der gleichen politischen Ecke. Sie vertreten seltsame Ideen, das ist schon fast beängstigend.
swissinfo.ch: Stammen Sie aus einer politisch aktiven Familie?
Y.L.: In Saxon (Kanton Wallis) gab es drei Blaskapellen und drei Parteien. Ich war in der FDP-Kapelle. Mein Urgrossvater, mein Grossvater und mein Vater spielten auch in dieser Blaskapelle, doch die Musik war ihnen wichtiger als die Partei.
Mir wurde später auch bewusst, dass es besser ist, aus verschiedenen Quellen zu schöpfen und keiner Partei anzugehören.
swissinfo.ch: Seit 11 Jahren tummeln Sie sich mit der Sendung «La Soupe» in der Welt der Politik. Wie nehmen Sie die Entwicklung dieses Universums wahr?
Y.L.: Heutzutage sind die Politiker überall erreichbar, sie müssen sich jederzeit zu irgendeinem Thema äussern können. Dies hat einen grossen Einfluss auf ihre Ausdrucksweise und die Haltung, die sie dabei einnehmen. Wer sich davor drückt, wer nicht mitspielt, hat mit Konsequenzen zu rechnen.
Der Bundesrat geniesst immer weniger Respekt, von den sieben Weisen zu sprechen, scheint heute lächerlich. Als wir mit der Sendung «La Soupe» angefangen haben, wurden wir gefragt, ob wir bei den Bundesräten die Bewilligung eingeholt hätten, sie zu verspotten.
swissinfo.ch: Was erwarten Sie von den eidgenössischen Wahlen im nächsten Herbst?
Y.L.: Nicht viel. Je mehr Politiker wir in unsere Sendung einladen, desto bewusster wird mir, wie stark die Politik von Geld, Macht und Lobbying regiert wird. Es gibt Parteien, die verfügen über 15 Millionen Franken Wahlbudget, andere über zwei Millionen. Das geht für mich nicht auf.
Die Tatsache, dass man die Lobbyisten nicht kennt, nicht weiss, wer die Parteien finanziert, erinnert stark an die Mafia, in die ich natürlich kein Vertrauen haben kann. Natürlich reden nicht alle Unsinn, aber niemand hat wirklich eine weisse Weste.
Ich bin von der Politik ziemlich desillusioniert, ich habe den Eindruck, alles wiederhole sich.
Ich versuche über Initiativen und Gesetzesvorschläge abzustimmen, doch bei den Wahlen ist es schwieriger, da man Leute unterstützen muss. Es bereitet mir Mühe, die Politiker ernst zu nehmen, denn ich habe immer den Drang, Schwachstellen aufzuspüren.
Es ist mein Job, die Glaubwürdigkeit der Politiker zu untergraben und sie zu verspotten. Ich lebe mit all den Clowns, deshalb ist es schwierig, sie ernst zu nehmen.
swissinfo.ch: Alt Bundesrat Pascal Couchepin war Ihre Lieblingsfigur. Welches sind nun, nach seinem Rücktritt 2009, Ihre Favoriten?
Y.L.: Ich mag extravertierte Persönlichkeiten, die laut sprechen. Was mich an den Menschen interessiert, ist ihr Talent zur unfreiwilligen Komik. Ich liebe es, den Genfer Staatsrat der Grünen, Robert Kramer, zu parodieren, er bringt mich wirklich zum Lachen, auch wenn er ein guter Politiker ist.
Ich schaue auch gern den Politikern beim Debattieren zu und merke, wie sich unsere Berufe gleichen. Dieselbe Inszenierung, die Wiederholungen, die stereotypen Phrasen (Vgl. «le sketch des bananes bleues»).
swissinfo.ch: Wie reagieren die Politiker auf ihre Parodie?
Y.L.: Am Anfang hatte ich mehr Echo. Damals sprachen die Bundesräte sogar untereinander darüber. Pascal Couchepin lud uns nach Bern ein. Dabei waren Laurent Flutsch (Archäologe und Texter für Lambiel und «La Soupe»), Thierry Meury und Ivan Frésard (ehemaliger Moderator der Sendung «La Soupe»). Dies war am Anfang seiner Amtszeit, er verstand nicht, warum wir «Dummköpfe» (vom Sonntag) uns über ihn lustig machten.
In seinem imposanten Büro sagte er zu uns, «wenn ich richtig verstehe, ist das Ziel Ihrer Sendung, mich als Blödmann hinzustellen». Dem konnten wir nur zustimmen.
Heute kriege ich wenig Feedback, doch im Allgemeinen fühlen sich die Politiker geschmeichelt, wenn man sie parodiert. Ein Politiker mag es, wenn man über ihn spricht – ausser vielleicht Micheline Calmy-Rey (Aussenministerin SP), die kein Verständnis hat, dass wir uns über ihre Arbeit lustig machen. Ihr fehlt es an Selbstironie. Es ist doch merkwürdig: Wer keine innere Distanz hat, gibt wenig her für einen Komiker.
Geburt. Yann Lambiel wurde 1973 in Saxon im Kanton Wallis geboren. Musikbegeistert gründete er mit sechzehn Jahren eine Tanzkapelle. Parallel dazu machte er eine Lehre als Sanitärinstallateur.
Anfänge. Ein erste Parodie schrieb er 1996 zusammen mit der Pianistin Sandrine Viglino. Ein Jahr später hängte er seinen Beruf als Sanitärinstallateur an den Nagel und liess sich in Genf nieder.
Mit seinem Programm tourte er zwischen 1997 und 1999 durch die ganze Romandie. Am Humorfestival Morges-sous-Rire gewann er 1997 den ersten Preis.
«La Soupe». Im Jahr 2000 stiess er zum Team von «La Soupe», einer Satiresendung des Westschweizer Radios. Er parodierte Pascal Couchepin, Ruth Dreifuss, Adolf Ogi. Ein Jahr später präsentierte er sein erstes Satireprogramm «Satires obligatoires».
Programme. Nach «Délit Suisse» 2004 schuf er 2007 «Patinage satirique». Im April erhielt er den Schweizer KleinKunstPreis in Thun.
Aktuell. Yann Lambiel ist immer noch jeden Sonntag mit seinen Parodien von Schweizer Politikern in der Sendung «La Soupe» zu hören.
Daneben ist er mit seinem Programm «Aux suivants!» unterwegs, das er im Frühling 2010 auf die Bühne brachte und von Tausenden in der Westschweiz besucht wurde.
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch