Lafarge wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen Menschlichkeit angeklagt
(Keystone-SDA) Das Berufungsgericht in Paris hat am Mittwoch die Anklage gegen den französischen Zementkonzern Lafarge wegen «Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit» im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten bis 2014 in Syrien bestätigt.
Dies gab das Gericht nach dem Entscheid bekannt. Lafarge «bleibt wegen dieser Vorwürfe» und der Gefährdung des Lebens anderer «im Rahmen der Fortsetzung der gerichtlichen Ermittlungen» angeklagt, so das Dokument. Damit lehnten die Ermittler den Antrag auf Aufhebung der Anklage gegen das französische Unternehmen, das 2015 mit Holcim fusionierte, ab.
Millionen an Terrorgruppen
Im Rahmen der bereits im Juni 2017 eröffneten Untersuchung wird der damals zweitgrösste Zementkonzern der Welt verdächtigt, 2013 und 2014 über die Tochtergesellschaft Lafarge Cement Syria (LCS) fast 13 Millionen Euro an terroristische Gruppen, darunter den sogenannten Islamischen Staat (IS), sowie an Mittelsmänner gezahlt zu haben.
Damit wollte Lafarge den Betrieb seiner Zementfabrik während des Bürgerkriegs in Syrien aufrechterhalten. Lafarge soll zudem Zement aus dem syrischen Werk an den IS verkauft haben, um von der Terrorgruppe im Gegenzug Rohstoffe für den Betrieb der Zementproduktion zu beziehen.
Gerichtliches Hickhack
Die gerichtliche Auseinandersetzung dazu zieht sich seit Jahren hin: Im Jahr 2019 hatte das Pariser Berufungsgericht eine entsprechende Anklage zum Vorwurf der «Komplizenschaft bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit» fallen gelassen. Dagegen reichten in der Folge verschiedene Organisationen mit Erfolg Berufung ein. Im September 2021 hob der Kassationsgerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts auf.
Das Kassationsgericht hob indes im September auch die Entscheidung des Berufungsgerichts auf, die Anklage wegen «Gefährdung des Lebens anderer» aufrechtzuerhalten. Beide Fragestellungen wurden an das Berufungsgericht zurückgewiesen, welches Ende März 2022 eine weitere Anhörung mit mehr als 100 Nebenklägern durchgeführt hat. Hauptklägerin ist die französische Generalstaatsanwaltschaft.
Holcim legt Berufung ein
Holcim lehnt die Entscheidung des Berufungsgerichts «entschieden ab», wie ein Sprecher am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP sagte. Man werde gegen den Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof Berufung einlegen. Die Entscheidung aus Paris sei überdies nicht als Urteil zu bewerten. «Es geht darum, den Umfang der untersuchten Anklagepunkte zu bestimmen.»
Für den Rekurs hat Holcim fünf Arbeitstage Zeit. Das wäre bis zum nächsten Mittwoch, dem 25. Mai. Danach dürfte es bis zu einer Entscheidung acht bis zwölf Monate dauern.
Der französische Lafarge-Konzern fusionierte 2015 mit der schweizerischen Holcim. Der Konzern hiess im Anschluss während mehrerer Jahre offiziell LafargeHolcim. Inzwischen wurde der Namen des Gesamtunternehmens jedoch wieder zu Holcim zurückverwandelt.
«Die Vorfälle bei Lafarge SA wurden unserem Verwaltungsrat zum Zeitpunkt der Fusion im Jahr 2015 verschwiegen», erklärte Holcim in einer Stellungnahme weiter. Lafarge SA gehe mit dieser Altlast verantwortungsvoll um und arbeite weiterhin uneingeschränkt mit den Behörden zusammen.
Bei den Investoren kam der Entscheid aus Paris nicht gut an. Der Aktienkurs rauschte um 3 Prozent in die Tiefe, erholte sich dann aber wieder etwas. Gegen 17 Uhr lag das Papier noch um rund 1 Prozent im Minus.
NGOs zufrieden
Die zwei Nichtregierungsorganisationen Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) mit Sitz in Berlin und Sherpa mit Sitz in Frankreich, die am Ursprung der Klage standen, zeigten sich zufrieden mit dem Gerichtsentscheid: Es sei eine Weltpremiere, dass ein Unternehmen, dass wissentlich mehrere Millionen Euro an eine kriminelle Organisation bezahlt habe, der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werde.
Lafarge werde in vier Punkten angeklagt, darunter auch der «Finanzierung einer terroristischen Unternehmung» und der «Verletzung eines Ölembargos», sagte ECCHR-Rechtsvertreterin Claire Tixeire.