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Le Fritz – Opfer des Jurakonfliktes

"Le Fritz" in Les Rangiers wurde 1984 von jurassischen Separatisten vom Sockel gestürzt. Keystone

Das Volk nannte es "le Fritz" - das Denkmal im Kanton Jura, welches an die Grenzbesetzung der Schweizer Armee von 1914 -1918 erinnerte.

Später geriet der Fritz unverschuldet in den Jurakonflikt – und verlor dabei sein in Stein gehauenes Leben.

Die Nachricht erreichte die Öffentlichkeit an einem Sonntag im Jahr 1984: Das Soldatendenkmal «Le Fritz» auf der Passhöhe von Les Rangiers sei Opfer eines Anschlages geworden.

Unbekannte hätten den aufrecht stehenden granitenen Soldaten vom Sockel gerissen. Bald darauf übernahm die Jugendgruppe des «Rassemblement jurassien», die «Béliers», die Verantwortung für den Anschlag.

Ein Teil der Öffentlichkeit reagierte mit Entsetzen auf die Tat. Andere wiederum konnten sich ein Lachen nicht verkneifen und fragten sich: «Wer ist ‹Le Fritz›?»

Die Wacht von Les Rangiers

Das Soldatendenkmal mit eigentlichem Namen «Sentinelle des Rangiers» (die Wacht) wurde 1924 anlässlich des 10-jährigen Gedenktages der Mobilmachung der Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg auf der Passhöhe von Les Rangiers im damaligen Berner Jura feierlich eingeweiht und sollte vor allem an die Grenzbesetzung in diesem Teil der Schweiz erinnern.

Das Denkmal zeigt einen strammen Soldaten mit einem Langgewehr, gekleidet in einen Kaput (Militärmantel) aus der Zeit des Ersten Weltkriegs.

Der Soldat mit Tschako war aus Granit gehauen, überlebensgross und stand auf einem Steinsockel, der mit einem grossen Schweizerkreuz versehen war.

Zur Einweihung kamen alle Grössen der damaligen Heeresleitung in den Berner Jura, so auch der Weltkriegsgeneral Ulrich Wille, dann natürlich der Schöpfer der «La Sentinelle», der Bildhauer Charles L’Eplatenier, einer der Lehrmeister des grossen Schweizer Architekten Le Corbusier.

Preussisches Aussehen

Fortan stand also der «etwas martialisch dreinschauende Soldat», wie sich der Militärhistoriker Gerhard Wyss gegenüber swissinfo ausdrückt, an der Kreuzung der Strassen nach Porrentruy, Delémont und Saignelégier.

Das stramme Aussehen des Soldatendenkmals erinnerte wohl die einheimische französischsprachige Bevölkerung vor allem an einen preussischen Soldaten, und so kriegte das Denkmal bald einmal den Namen «Le Fritz».

Als es 1984 zum ersten Mal von den jungen Wilden der Bewegung für einen unabhängigen Jura (den es damals schon gab) vom Sockel gestürzt wurde, so Gerhard Wyss, müsse der Hintergrund, die Symbolik dafür wohl in der Zeit des Ersten Weltkrieges gesucht werden.

Symbol für vergangen Zeitgeist

«Le Fritz» habe einen Zeitgeist verkörpert, in der die Schweiz stärker in zwei Lager getrennt gewesen sei, als man heute annehme.

Hier die von der deutschsprachigen Schweiz geprägte Armeeführung rund um den späteren General Ulrich Wille und Oberst-Korpskommandant Sprecher von Bernegg. Sie sei bekannt gewesen für ihre preussisch geprägte Armeeführung mit Stechschritt, Gewehrgriff und Drill.

Die «Kaisermanöver» für den deutschen Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1912 hätten dafür ein beredtes Zeugnis abgelegt.

Dem gegenüber herrschte in der französischsprachigen Schweiz eine Vorliebe für die französische Art der Heeresführung vor.

Dieser Graben und die zum Teil schlechte Behandlung der Truppe schufen einen tiefen Graben zwischen Volk und Armeeführung einerseits, aber auch zwischen der Deutsch- und Westschweiz. Wurde doch die «Suisse alémanique» für die Lage mitverantwortlich gemacht.

Symbole zerstören

Zwar waren während der Zeit des Jurakonfliktes die Aktiv-Dienstler aus dem Ersten Weltkrieg längst Grossväter geworden. Ihr Missmut gegenüber der ihrer Meinung nach preussisch geprägten «Deutschschweiz» aber hat sich weiter vererbt.

So kam es 1964, als bei Les Rangiers der 50 Jahre der Mobilmachung von 1914 gedacht werden sollte, zu einer vom «Rassemblement jurassien» organisierten Gegen-Veranstaltung. Im Visier hatten die Aktivisten den damaligen Bundesrat Paul Chaudet und den Berner Regierungsrat Virgile Moine.

Die jurassischen Aktivisten zielten im Konflikt mit dem Kanton Bern jedoch vor allem auf bernische Symbole. So rissen sie in Bern die über 400-jährige Statue der Justitia vom Brunnensockel.

Sie verübten zwei Mal einen Brandanschlag auf die alte Holzbrücke in Büren an der Aare, einen Sprengstoff-Anschlag auf das Haus des Bern treuen FDP-Grossrates Guillaume-Albert Houriet und mauerten den Eingang des Berner Rathauses zu.

Gegen den Schweizer «Stillstand»

Viele der Anschläge wurden lange nach der Gründung des heutigen Kantons Jura begangen. Für die jurassischen «Hardliner» war die Kantonsgründung eben nur zum Teil erfolgreich.

Sie wollten – und wollen heute noch – die südjurassischen Bezirke Courtelary, Moutier und La Neuveville, die sich in der Volksabstimmung für den Verbleib beim Kanton Bern aussprachen, zum Kanton Jura holen.

Da passt der Anschlag auf das Soldatendenkmal von Les Rangiers auf den ersten Blick nicht ins Bild. Doch, so Gerhard Wyss, seien viele Leute im Jura damals der Meinung gewesen, die (Deutschschweizer) Politik und vor allem die Armee im Jurakonflikt stünden mehrheitlich auf der Seite Berns.

Die Autonomistengruppe begründete ihren Denkmal-Sturz in einem Bekennerschreiben daher als «Akt gegen den helvetischen Immobilismus».

Nach dem Anschlag wurde «Le Fritz» wieder aufgestellt, jedoch Anfang 1989 (als Begründung wurden die Diamantfeiern zum 50. Jahrestag der Kriegsmobilmachung im Zweiten Weltkrieg genannt) erneut von jurassischen Aktivisten umgerissen.

Der falsche Feind

Irreparablen Schaden erlitten die Überreste, als das Depot, in dem die Bruchstücke des Denkmals eingelagert waren, einem Brandanschlag zum Opfer fiel. Heute liegten die Überreste von «le Fritz» in einem Depot des kantonalen Strassenbauamtes in Glovelier.

Francis Erard, ehemaliger Direktor von Pro Jura, (die Organisation hatte 1924 das Denkmal ermöglicht, die jurassische Fahne kreiert und zählt heute rund 2000 Mitglieder) sorgt sich um die letzten Bruchstücke: «Souvenir-Jäger brechen Stücke heraus und nehmen sie mit nach Hause», sagt er gegenüber swissinfo.

Noch heute kann Erard die Zerstörung des Denkmals nicht verstehen. «Da haben sich die jungen Spunde der Béliers wirklich den falschen Feind ausgesucht, um sich gegen Bern aufzulehnen», sagt er. Bei der Grenzbesetzung sei ja die gemeinsame Heimat geschützt worden, von Soldaten aus der ganzen Schweiz.

Er und seine Organisation würden das Denkmal am liebsten wieder aufstellen. «Es ist ein Projekt am Laufen, mehr kann ich aber nicht sagen», meint Francis Erard geheimnisvoll.

Ob «La Sentinelle» je wieder am alten Ort in neuem Glanz auferstehen wird, wäre Sache des Kantons.

Denn auch die russgeschwärzten Überreste des alten Fritz gehören heute – Ironie der Geschichte – dem Kanton Jura.

swissinfo, Urs Maurer

Die Heere der Franzosen und Deutschen standen im Ersten Weltkrieg an der Grenze zur Schweiz in einem Stellungskrieg. Es bestand die Absicht, dem Gegner via die Schweiz in den Rücken zu fallen.

1924: Le Fritz wird eingeweiht.

1964: Jurassische Autonomisten verhindern eine Gedenkfeier «50 Jahre Beginn der Grenzbesetzung».

1984: Die «Gruppe Bélier» stürzt das Denkmal. Le Fritz zerbricht.

1987: Bei einem Brandanschlag Unbekannter spaltet sich der Granit der Statue.

1989: Die Béliers stürzen le Fritz erneut vom Sockel.

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