10 Jahre Kinderrechte und eine gemischte Bilanz
Die Umsetzung der UNO-Kinderrechtskonvention kommt in der Schweiz nur zögerlich voran. Kinderrechts-Organisationen fordern daher den Bund auf, schneller vorwärts zu machen.
Das Schweizer Parlament hat die Konvention am 26. März 1997 gegen den Widerstand konservativer Kräfte ratifiziert.
Über 400 Kinder und Jugendliche haben am Montag auf dem Berner Bundesplatz dagegen protestiert, dass in der Schweiz ihren Rechten immer noch zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Sie überreichten Vertretern von Bund und Kantonen symbolisch Steine mit ihren eingravierten Visionen für die Kinderrechte.
Laut dem Netzwerk Kinderrechte Schweiz, dem 48 Verbände angehören, fordern die Kinder vor allem Schutz, Förderung und Mitwirkung.
Die Schweiz habe noch grossen Nachholbedarf bei den Kinderrechten, obwohl sie vor genau zehn Jahren die Kinderrechtskonvention der UNO in Kraft gesetzt hat.
Das zeige unter anderem eine Umfrage von Terre des hommes bei 3200 Kindern und Erwachsenen: Weniger als 10% wussten, dass die Konvention das Recht der Kinder verbrieft, Schutz und Förderung zu erhalten sowie Mitglied der Gesellschaft zu sein. Viele Menschen meinen, die Konvention betreffe die Schweiz nicht.
Die Resultate bestätigten, dass dem Bund und den Kantonen der Wille zur Umsetzung der Konvention fehle, schreibt das Netzwerk. Es gebe keine Stelle, welche die Umsetzung kantonsübergreifend koordiniere.
Problem: Scheidungen
Zudem sei kein nationaler Aktionsplan in Planung, wie zum Beispiel in Deutschland und Österreich, wo mit solchen Aktionsplänen die Konvention umgesetzt wird.
Besonders wenig bekannt ist das Recht der Kinder, mitzuwirken und mitzureden. Bei Scheidungen etwa müssen sie von Gesetz wegen angehört werden.
Trotzdem werde nur eines von zehn betroffenen Kindern unter zehn Jahren tatsächlich befragt, schreibt das Netzwerk Kinderrechte.
In schulinternen Angelegenheiten wird das Mitspracherecht der Kinder zwar zunehmend gefördert. Doch meist beschränke sich dies auf Themen, die für den Schulbetrieb wenig wichtig seien.
Dies muss sich laut dem Netzwerk ändern. Auch zu Hause seien Erwachsene aufgefordert, ihre Macht zu teilen, wo es um Fragen gehe, die Kinder mit betreffen.
Bund: positiveres Fazit
Ein positiveres Bild zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention zieht der Bund. Die rechtliche Situation und die Lebensbedingungen der Kinder hätten sich in den letzten zehn Jahren verbessert, teilte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) mit.
Zu nennen seien etwa der Mutterschaftsurlaub oder die Vereinheitlichung der Familienzulagen.
Wie die Kinderrechts-Organisationen sieht aber auch das BSV bei der Koordination Verbesserungspotenzial. Es will bis Ende Jahr dem Bundesrat einen Bericht vorlegen. Dieser wird auch klären, ob es für die wichtigsten Koordinationsaufgeben Gesetzesänderungen braucht.
swissinfo und Agenturen
Vor 10 Jahren hat das Schweizer Parlament die Kinderrechtskonvention der UNO ratifiziert.
Die Konvention postuliert drei Kategorien von Rechten: Schutzrechte (Schutz vor sexueller Ausbeutung), Förderungsrechte (Recht auf Bildung und Versorgungsrechte (Recht auf Nahrung und Wasser).
Von Bedeutung ist die Konvention, weil ihr ein historisch neuartiges Verständnis von Kindheit zugrunde liegt.
Kinder werden nicht mehr als unmündige Wesen betrachtet, die der Verfügungsgewalt von Erwachsenen unterstellt werden, sondern als Individuen, die respektiert und ernst genommen werden müssen.
Laut einer Umfrage von Terre des hommes haben 21% der befragten Schüler und Erwachsenen noch nie etwas von der Kinderrechtskonvention der UNO gehört.
58,5% konnten mindestens eines der Rechte angeben.
Lediglich 8,7% konnten über die Konvention umfassend Auskunft geben.
Das am wenigsten bekannte Kinderrecht ist das Recht auf Mitsprache.
3200 Personen wurden befragt. Mehr als 45% von ihnen sind jünger als 13, 24,9% sind zwischen 13- und 18-jährig, 26,7% sind über 18 Jahre alt.
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