1300 Pädophile im Internet geschnappt

Eine grosse Polizeiaktion läuft in der Schweiz und in Europa gegen Kinderpornografie im Internet.
In der Schweiz werden 1300 Personen verdächtigt, für den Zugang zu einer kinder-pornografischen Website per Kreditkarten bezahlt zu haben.
Die vom Bundesamt für Polizei (BAP) koordinierte Operation wird in der Mehrheit der Schweizer Kantone durchgeführt.
Erste Informationen zum Kinderporno-Fall wurden im August letzten Jahres von der amerikanischen Bundespolizei FBI an das BAP übermittelt. Nach umfassenden Vorabklärungen, Auswertungen und der Erhebung von Beweismitteln wurden diese Informationen im Juni 2002 an die betroffenen Kantone weitergeleitet. Diese begannen mit den entsprechenden Ermittlungen.
In allen Kantonen…
Am Dienstag wurde bekannt, dass im Kanton Luzern gegen knapp 40 Personen ermittelt werde. Im Kanton Bern wurden seit Mitte September 118 Personen überprüft und rund 100 Hausdurchsuchungen vorgenommen.
In den Kantonen Zürich und Aargau laufen die Ermittlungen auf Hochtouren, weshalb die Behörden noch keine Angaben zum Umfang ihrer Aktionen machen wollten. Im Kanton Baselland sind bereits 39 und im Kanton Basel-Stadt 25 Strafverfahren wegen Kinderpornographie eröffnet.
… aus allen Berufen.
Auch im Kanton Solothurn laufen Ermittlungen gegen zwei Lehrer, einen Untersuchungsrichter und einen Schulpsychologen, wie bereits vergangene Woche zu erfahren war.
Gegen den Personalchef der Obwaldner Verwaltung wurde ebenfalls ein Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes harter Pornografie eingeleitet. Ob es sich dabei um Kinderpornografie handelt, konnte jedoch nicht bestätigt werden. Der Personalleiter reichte am Montag seine Kündigung ein. Ermittlungen sind auch in allen Westschweizer Kantonen im Gang.
Bilanz frühestens im Oktober
Bei den Angeschuldigten handelt es sich um Männer im Alter von 18 bis rund 60 Jahren aus den verschiedensten Berufsgruppen. Viele von ihnen hätten selbst Kinder, wurde mitgeteilt. Ermittelt wird in den beiden Basel auch gegen je zwei Lehrer und einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung.
Laut Bundesamt für Polizei wird eine Bilanz über die grösste Polizeiaktion in der Schweizer Kriminalgeschichte frühestens Anfang Oktober möglich sein. Man sei im übrigen verärgert darüber, dass es nicht gelungen sei, den Schlag bis zum Abschluss der Razzien in allen Kantonen geheim zu halten. Denn es sei davon auszugehen, dass ein Teil der Verdächtigten wegen der vorzeitigen Information Beweismaterial auf Datenträgern noch vor der Polizei-Intervention habe löschen können.
Justizministerin Metzler «zutiefst erschüttert»
Bundesrätin Ruth Metzler zeigte sich am Mittwoch tief betroffen über das Ausmass der Affäre in der Schweiz. Sie äusserte Verständnis für die Raktionen in der Bevölkerung und sagte, sie sei selber «zutiefst erschüttert» über den Skandal. Kritik, wonach die Behörden bisher untätig gewesen seien, wies die EJPD-Chefin jedoch zurück.
US-Firma als Anbieter
Hintergrund des internationalen Schlags sind Ermittlungen gegen die US-Firma «Landslide», die im Internet Zugang zu rund 300 kinderpornografischen Websites bereitstellte.
Laut Informationen des deutschen Bundeskriminalamtes erwirtschaftete die Firma auf diese Weise rund 5,5 Mio. US-Dollar. Der Geschäftsführer der Firma sei im August 2001 von einem US-Bundesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Opfer nicht vergessen
Für Katrin Hartmann, Geschäftsleiterin der Arbeitsgemeinschaft gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern, ist es nicht weiter erstaunlich, dass unter den Beschuldigten auch Amtspersonen, Ärzte und Anwälte sind, wie sie im Schweizer Radio DRS sagte.
«Kinderpornografie wird von allen Schichten konsumiert», sagte sie. Wichtig sei aber, dass bei aller Empörung über die Täter die Opfer nicht vergessen gingen. Die Kinder hätten für sexuelle Handlungen herhalten müssen, und wer sich solche Bilder anschaue, sei mitverantwortlich.
Alleine in Deutschland gebe es schätzungsweise 130’000 Kinder, die von Eltern oder nahe stehenden Personen für kinderpornografische Aufnahmen missbraucht worden seien.
Kinderpornografie ist harte Pornografie
Das Schweizer Gesetz unterscheidet zwischen sogenannter harter und weicher Pornografie. Der Besitz weicher Pornografie ist straffrei.
Unter harte Pornografie fallen in der Schweiz Sex mit Kindern oder mit Tieren und Szenen mit Gewalt oder menschlichen Ausscheidungen.
Seit dem 1. April dieses Jahres ist nicht nur die Produktion und Verbreitung solchen Materials strafbar, sondern auch Erwerb und Besitz. Die Ermittlungs-Kompetenzen in solchen Fällen liegen bei den Kantonen.
Das blosse Anschauen von Bildern im Internet ist hingegen nicht strafbar.
swissinfo und Agenturen

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