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250 Schweizer aus Beirut evakuiert

Die meisten Ausländer haben am Mittwoch Libanon per Schiff verlassen. Keystone

Sieben Tage nach Beginn der israelischen Angriffe sind am Mittwoch rund 250 Schweizer Bürger aus Libanon evakuiert worden, meist auf dem Seeweg Richtung Zypern.

150 Schweizer warten noch auf eine Ausreisemöglichkeit. Grosse Sorgen bereitet dem Schweizer Aussenministerium das Los der rund 50 Landsleute im Süden Libanons.

Eine Woche nach Beginn der militärischen Intervention in Libanon hat die israelische Offensive am Mittwoch einen blutigen Höhepunkt erreicht: Mindestens 55 libanesische Zivilisten wurden bei israelischen Luftangriffen in allen Landesteilen getötet.

Rund eine halbe Million Libanesen befindet sich auf der Flucht. Die Ausländer, die noch vor Ort sind, versuchen, das Land schnellstmöglich zu verlassen, unterstützt von den Regierungen ihrer Herkunftsländer.

Rückkehr in die Schweiz

Die 240 Schweizerinnen und Schweizer, welche am Mittwoch den Libanon per Schiff verlassen konnten, würden nach ihrer Ankunft in der Nacht auf Donnerstag in Zypern von Schweizer Fachleuten der Humanitären Hilfe betreut, teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit.

Die Schweizer Experten sollen danach auch die Rückreise in die Schweiz organisieren. 13 Schweizer Bürger konnten sich einem österreichischen Strassenkonvoi nach Damaskus anschliessen.

Zeit drängt

Seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon haben damit etwa 400 Schweizerinnen und Schweizer das Land verlassen. Wie viele aber immer noch im Libanon sind, konnte das EDA nicht genau angeben. Ihre Zahl wird auf 150 geschätzt. Es gehe darum, möglichst rasche und unkomplizierte Lösungen zu finden, sagte EDA-Sprecher Lars Knuchel.

Schweizer Armee im Einsatz?

Der Delegierte für Humanitäre Hilfe, Toni Frisch, informierte über Pläne, die restlichen Schweizer am kommenden Wochenende mit einer gecharterten Fähre zu evakuieren.

Das Verteidigungsministerium (VBS) prüfe Möglichkeiten zu einem Einsatz der Schweizer Armee bei der Evakuierung, sagte ein VBS-Sprecher.

Gefährliches Gebiet

Laut Toni Frisch bestehen Kontakte zu den über 50 Schweizern, die im Südlibanon festsitzen, dem von den Israelis am meisten beschossenen Gebiet. Man sei in Zusammenarbeit mit UNO-Truppen daran, Ausreisemöglichkeiten zu prüfen, sagte der Leiter der Katastrophenhilfe dazu.

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey will am Donnerstag in Bern über die näheren Einzelheiten der angestrebten Evakuation informieren.

Aussenministerinnen-Treffen

Am Mittwoch erörterte Calmy-Rey die Lage im Nahen Osten mit ihren Amtskolleginnen Ursula Plassnik (Österreich) und Rita Kieber aus Liechtenstein.

Angesichts der gravierenden humanitären Lage in Libanon wollen die drei Aussenministerinnen eine mögliche Zusammenarbeit bei der humanitären Nothilfe prüfen, teilte das EDA nach dem Treffen in der lichtensteinischen Hauptstadt Vaduz mit.

Hilfswerke aktiv

Schweizer Hilfswerke kündigten ebenfalls am Mittwoch Nothilfeaktionen für die Krisenregion an. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) liefert medizinische Hilfe in der Höhe von 150’000 Franken für die Kriegsopfer im Libanon und in Israel.

Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) unterstützt mit 200’000 Franken 2000 Flüchtlinge in Lagern in Beirut und in Südlibanon mit Lebensmitteln, Decken, Hygieneartikeln und Medikamenten.

Und die Caritas beteiligt sich mit 100’000 Franken an den Hilfsaktionen ihrer lokalen Partner in Libanon und Palästina zugunsten der zivilen Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen.

Demonstration in Genf…

In Genf haben am Mittwoch zwischen 300 und 500 Personen an einer Demonstration gegen die israelische Offensive in Libanon teilgenommen. Es handelte sich grösstenteils um Mitglieder der libanesischen Gemeinde in der Schweiz.

Der Gegenschlag Israels habe sich in einen Angriff verwandelt, sagte Cathia Damien, Präsidentin der “Union culturelle libanaise” in Genf. “Wir verlangen, dass die Bombardierung von Zivilisten und der Infrastruktur im ganzen Land eingestellt wird.”

Die Demonstration auf der Mont-Blanc-Brücke verlief friedlich und löste sich am Abend auf.

…und Kritik des IKRK

Das in Genf ansässige Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat sich “äusserst besorgt über die schwerwiegenden Folgen” der israelischen Militäraktion für die Bevölkerung in Libanon erklärt. Hunderte Zivilisten seien getötet und verwundet worden.

“Die hohe Zahl an zivilen Opfern und das Ausmass der Schäden, die grundlegenden öffentlichen Infrastrukturen zugefügt wurden, werfen ernsthafte Fragen in Bezug auf die Achtung der Verhältnismässigkeit bei den Feindseligkeiten auf”, erklärte der Direktor für operationelle Einsätze des IKRK, Pierre Krähenbühl.

swissinfo und Agenturen

Israel hat die radikalislamische Hisbollah-Miliz im Libanon ursprünglich wegen deren Entführung zweier israelischer Soldaten angegriffen.

Am achten Tag der israelischen Angriffe mit inzwischen mehr als 300 Todesopfern (gemäss Internationalem Komitee vom Roten Kreuz) setzte sich der Exodus aus Libanon fort.

Weil der Flughafen und die Autobahn nach Syrien zerstört sind, erfolgte die Evakuation der meisten Ausländer per Schiff.

838 Schweizer Staatsangehörige leben in Libanon.
713 sind schweizerisch-libanesische Doppelbürger.
Bisher haben rund 400 Schweizer das Land verlassen können.
Besorgte Angehörige in der Schweiz können sich an den konsularischen Schutz in Bern wenden:
+41 31 325 33 33 (08.00 bis 21.00)

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