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5. Schweiz: Endlich Direktbezug zum Parlament

Thérèse Meyer, Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe "Auslandschweizer". swissinfo.ch

Die Auslandschweizer werden künftig im Parlament besser gehört. In Bern ist eine parlamentarische Gruppe "Auslandschweizer" gegründet worden.

Thérèse Meyer präsidiert die 83 Abgeordneten aller politischen Couleur. Ziel: Mehr politische Präsenz der Ausland-Schweizer im Inland.

Immer schon gruppieren sich Parlamentarier und Parlamentarierinnen um gewisse Themen, an denen ihnen besonders gelegen ist. Bekannt ist unter anderem die «Agrar-Lobby». Seit langen Jahren verbindet sie die Welt der Bauern mit Bundesbern.

Nichts ähnliches gab es bisher für die Auslandschweizerinnen und –schweizer. Doch jetzt hat sich eine parlamentarische Gruppe «Auslandschweizer» konstituiert. Diese umfasst über 80 Politikerinnen und Politiker aus allen Fraktionen und wird von der Freiburger CVP-Nationalrätin Thérèse Meyer präsidiert.

Eine wichtige politische Kraft

Der Wunsch, den Auslandschweizern eine direkte «Schaltstation» zum Parlament zu ermöglichen, dürfte von den Abgeordneten nicht ganz ohne Blick auf eigene Interessen erfüllt worden sein.

Seit längerem, und besonders seit den Wahlen im vergangenen Herbst, scheint die Politik das Gewicht der Fünften Schweiz (wieder-)entdeckt zu haben.

Laut Statistiken leben rund 612’000 Schweizer Staatsangehörige im Ausland. Das entspricht etwa einem Zehntel aller Schweizer.

In Wirklichkeit könnten es gar noch mehr sein: «Ich stelle immer wieder fest, dass 30 bis 40% der in Frankreich lebenden Schweizer nicht angemeldet sind», sagt Jean-Paul Aeschlimann gegenüber swissinfo. Aeschlimann ist Vizepräsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO) und Honorarkonsul in Montpellier.

Politisch betrachtet sind über 90’000 Schweizerinnen und Schweizer in den Stimmregistern eingeschrieben, um ihre Stimm- und Wahlrechte ausüben zu können. Die Fünfte Schweiz entspricht demnach in ihrer Grösse als politische Kraft ungefähr einem mittelgrossen Kanton.

Auf mittlere Frist könnte das Gewicht der Auslandschweizer noch zunehmen, beispielsweise falls die Stimmprozeduren via Internet erleichtert würden (e-Voting).

Besser auf Anliegen eingehen

Ziel der neuen parlamentarischen Gruppe ist es, auf die Anliegen der Ausgewanderten besser einzugehen. «Wir möchten, dass sie von den Abgeordneten auf direktem Weg gehört werden», sagt Thérèse Meyer.

«Ich wurde vom Umstand sensibilisiert, dass jene Leute, die stimmen und wählen wollen, nur bedingt selbst am politischen Leben des Landes teilnehmen können», sagt Meyer.

«Sind sich die Parlamentarier einmal der Anliegen der Fünften Schweiz gewahr, bringen sie auch mehr Verständnis für die Probleme der Auslandschweizer auf», sagt Jean-Paul Aeschlimann. So dürften etwa deren Ideen zur stärkeren Öffnung des Landes vermehrt auf Gehör stossen.

Keine Einbahnstrasse

Die Verstärkung der politischen Bindung zwischen den Auslandschweizern und ihrer Heimat soll aber keine Einbahnstrasse sein. Das Ziel besteht nicht nur darin, die Anliegen jener im Ausland im Inland besser anzubringen. Es geht auch darum, die Botschafter-Rolle der Schweizer im Ausland besser zu gestalten.

«Die Inlandschweizer haben veraltete Ansichten darüber, was Auslandschweizer sind», sagt Aeschlimann. Man glaube in der Schweiz, die Auslandschweizer seien Nostalgiker, die über ihre Heimat in der Vergangenheitsform schwärmten.

In Wirklichkeit seien die Auslandschweizer-Gemeinden zumeist jung, gut geschult und dynamisch. «Unter den Auslandschweizern gibt es zahlreiche Leute, die in ihren jeweiligen Ländern Führungspositionen besetzen», sagt der Honorarkonsul.

Daher die Idee, diese Leute vermehrt zu nutzen, um das Image der Schweiz im Ausland zu verbessern.

«Wir haben festgestellt, dass hier weltweit ein enorm reiches Netzwerk besteht, das auf unser Land zurückstrahlt», sagt auch Thérèse Meyer.

Ein erstes Projekt

An der Gründungs-Sitzung der Gruppe sagte Josef Zisyadis, Nationalrat der Partei der Arbeit, dass beispielsweise Griechenland jedes Jahr die Abgeordneten mit griechischen Wurzeln aus dem Ausland in die Heimat einlade. Auch Italien tue das.

«So könnten wir ja auch alle Parlamentsangehörigen im Ausland mit Schweizer Wurzeln einladen», überlegt sich Zisyadis. Die Idee stiess bei den anwesenden Abgeordneten auf grosses Echo.

Dieses Projekt könnte nun gegebenenfalls eine der ersten zu verwirklichenden Aufgaben der neu gegründeten parlamentarischen Gruppe «Auslandschweizer» werden.

swissinfo, Olivier Pauchard
(Aus dem Französischen von Alexander Künzle)

Offiziellen Statistiken zufolge leben rund 612’000 Schweizer im Ausland.
Etwas mehr als 90’000 davon figurieren in den Stimmregistern, damit sie ihre politischen Rechte vom Ausland aus ausüben können.
Der parlamentarischen Gruppe «Ausland-Schweizer» gehören 83 Abgeordnete an, also ungefähr ein Drittel des Parlaments.

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