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Al Kaida, Swisscom und die Operation «Mont Blanc»

Mobiltelefone,die mit Prepaid-Karten betrieben werden, müsssen künftig registriert sein. Keystone

Eine internationale Untersuchung mit massgeblicher Beteiligung der Schweiz hat mindestens drei Al Kaida-Attentate verhindert.

Untersuchungsbeamte aus Europa und den USA äusserten sich in der New York Times zur vor zwei Jahren begonnenen Anti-Terror-Operation «Mont Blanc».

Der Gebrauch von Swisscom Prepaid-SIM-Karten durch die Terror-Organisation Al Kaida ermöglichte den Geheimdiensten wichtige Mitglieder der Organisation zu überwachen und schliesslich zu verhaften.

Die Geschichte begann am 11. April 2002. Christian Ganczarski wurde vom deutschen Geheimdienst überwacht, da er unter dem Verdacht stand, der Terror-Organisation Al Kaida anzugehören. Ein Anruf mit seinem Swisscom-Mobiltelefon wurde bis in die pakistanische Hauptstadt Karachi verfolgt.

Wochen später, nach einer Durchsuchung von Ganczarskis Wohnung in Duisburg, werteten die Ermittler die Log-Datei seines Telefons aus und fanden bei dieser Gelegenheit die Nummer in Karachi.

Fahndungserfolge

Im März letzten Jahres begannen die pakistanischen Behörden den Telefonanschluss in Karachi zu überwachen. Dies führte zur Verhaftung von Khalid Scheich Mohammed in Rawalpindi.

Sein Computer und sein Mobiltelefon enthielten 6000 gespeicherte Nummern. Mit diesen Informationen verfolgten die Geheimdienste weitere mutmassliche Terroristen.

Mohammeds Handy-Nummer wurde mit einigen anderen den Schweizer Behörden für weitere Untersuchungen übergeben. Bei den Ermittlungen entdeckten die Schweizer Behörden, dass viele Al-Kaida-Verdächtige anonyme Schweizer Telefonkarten benutzten.

Monatelang arbeiteten die Schweizer Behörden mit den Geheimdiensten von Pakistan und den USA zusammen, um Mohammeds Spuren in Pakistan zu verfolgen.

Aber es brauchte weitere Monate, um Mohammed wirklich zu finden, weil er nicht immer dasselbe Telefon benutzte. Ein Geheimdienstler sagte in der New York Times: «Er hatte viele, viele andere Telefone».

Im April 2003 knackten die indonesischen Behörden eine Terror-Zelle in Jakarta, nachdem die Ermittler die Adressen ausgewertet hatten, die Scheich Mohammed vor seiner Inhaftierung gewählt hatte.

Im Mai 2003 brauchten die Behörden von Saudi-Arabien Telefonnummern, um so genannte «Schläfer» zu lokalisieren. Einige davon wurden verhaftet, andere bei Schiessereien getötet.

Trügerische Anonymität

Die Telefonkarten, die anonym gekauft werden können, stammten aus der Schweiz. Anonyme Prepaid-Karten können jedoch auch in vielen anderen Ländern gekauft werden.

In Geheimdienstkreisen ist man überzeugt, dass Terroristen solche Karten gekauft haben, weil sie dachten, dass damit ihre Anonymität bewahrt werden könnte. Dies ist aber nicht so. Auch ohne persönliche Informationen vom Karteninhaber können die Behörden Telefongespräche überwachen.

Die New York Times schreibt, dass die Telefonüberwachungsmöglichkeiten bei Terror-Verdächtigen bereits bekannt seien und diese zunehmend auf andere Kommunikationsmittel ausweichen: E-Mail, Telefongespräche via Internet sowie persönlich überbrachte Mitteilungen.

Die Zeitung zitiert einen Geheimdienstler, nach dessen Ansicht die Verfolgung der Prepaid-Karten eines der effektivsten Werkzeuge war, um mutmassliche Al- Kaida-Mitglieder zu lokalisieren. «Sie stellten sich vor, anonym zu sein. Dies wiegte sie in falscher Sicherheit».

Teamwork der Geheimdienste

Offizielle Stellen bezeichnen die Operation «Mont Blanc» als eine der effektivsten Ermittlungen seit dem 11. September 2001. Ausserdem sei dies ein gutes Beispiel einer bisher unüblichen Zusammenarbeit von Geheimdiensten verschiedener Länder.

Neben der Schweiz waren Agenten von mehr als einem Dutzend Ländern beteiligt: Unter anderen von den USA, Pakistan, Saudi-Arabien, Deutschland, Grossbritannien und Italien.

Keine anonyme Karten mehr in der Schweiz

In der Schweiz werden künftig keine anonymen Telefonkarten mehr verkauft. Prepaid-Telefonkarten müssen künftig registriert werden. Dies verlangt ein neues Gesetz, das am 1. Juli dieses Jahres in Kraft tritt.

swissinfo fragte die Initiantin des Gesetzes, CVP-Interims-Präsidentin Doris Leuthard, weshalb eine Registrierung nötig sei, da offensichtlich auch nicht registrierte Karten überwacht werden können. «Wir haben im Bereich der Drogenkriminalität festgestellt, dass sehr oft unregistrierte Prepaid-Cards benutzt werden. Die Strafverfolgungs-Behörden erwarten für ihre Untersuchungen wesentliche Erleichterungen. Zudem soll es als Abschreckung für potenzielle Täter dienen.»

Zum Einwand, dass der Fahndungserfolg gerade wegen der unregistrierten Telefonkarten erfolgreich abgeschlossen werden konnte, sagt Doris Leuthard: «Wir wollen den Untersuchungsbehörden einfach grösstmögliche Instrumente, die verhältnismässig sind, in die Hand geben. Im Bereich der organisierten Kriminalität und des Terrorismus möchten wir das möglichst engmaschig machen, damit wir die Täter schnell und möglichst flächendeckend erfassen können.»

swissinfo

Das Schweizer Parlament hat beschlossen, dass Mobiltelefon-Firmen ihre Prepaid-Kunden künftig registrieren müssen, damit Kriminelle und Terroristen nicht mehr die Anonymität der Karten missbrauchen können.

Ab dem 1. Juli 2004 sind die Kunden verpflichtet, ihre persönlichen Daten beim Kauf einer Prepaid-SIM-Karte zu offenbaren.

Die Behörden können die Aktivitäten von Mobiltelefonen auch erfassen, wenn die Besitzer nicht registriert sind.

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