Albanien im Umbruch
Albanien gilt als korrupt und politisch instabil. Trotz Hilfe aus dem Ausland, auch aus der Schweiz, ist es noch immer eines der ärmsten Länder Europas.
«Der Winter ist hart hier. Nicht alle haben einen eigenen Generator wie die Schweizer Botschaft. Manchmal gibt es nur 6 Stunden Strom am Tag. Nicht selten finden Gespräche mit den Behörden im Wintermantel statt», sagt Francis Cousin, Schweizer Botschafter in Tirana.
Der Probleme gibt es viele
Die offizielle Arbeitslosenzahl liegt bei 18%. Inoffiziell betrage sie aber etwa 40%, erklärte Botschafter Cousin gegenüber swissinfo. Es habe in den letzten Jahren zwar eindeutige Fortschritte gegeben, so im Strassenbau und in der Sicherheitslage. Auch der Bau-Boom sei riesig. «Überall in der Hauptstadt schiessen Gebäude wie Pilze aus dem Boden», so der Botschafter.
Zugenommen habe jedoch die Korruption im Land. Der Botschafter führt dies zum Teil auf die tiefen Löhne der Angestellten und Beamten zurück sowie auf das System, das nach wie vor eine Vetternwirtschaft begünstigt.
Schweizer Engagement
In den zehn Jahren seit der Öffnung hat die Schweiz in Albanien über 70 Mio. Franken für technische Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe eingesetzt. Die Schweiz zählt zu den wichtigsten Partnern. Seit sie vollwertiges Mitglied des südosteuropäischen Stabilitätspaktes ist, hat die Schweiz ihre Anstrengungen weiter intensiviert.
«Besonders wichtig ist der Erziehungssektor, das heisst Schulbildung und Berufsbildung sowie das Gesundheitswesen», betont Thomas Rüegg, Leiter des Schweizer Koordinationsbüros in Tirana.
Lernen ist Zukunft
Da viele junge Menschen nach der Schule keine Arbeit finden und vom Auswandern träumen, habe die Berufsbildung hohe Priorität, so Rüegg. So werden in der Hafenstadt Durres Jugendliche vom Projektpartner Swisscontact zu Elektrikern, Mechanikern und Schweissern ausgebildet.
Ziel ist es, diese Berufsschule in eine unabhängige und selbständige Institution auszubauen, die ihr Angebot am Markt ausrichtet.
Ein anderes Projekt, das eine lokale Nichtregierungs-Organisation im Auftrag der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in den Städten Korça, Berat und Elbasan realisiert, befasst sich mit der Wiedereingliederung von Roma-Kindern in den normalen Schulbetrieb.
«Diese Kinder arbeiten auf der Strasse, weil ihre Familien kein Einkommen haben. Sie holen in Spezialklassen nach, was sie verpasst haben und können so einen normalen Schulabschluss machen.»
Guter Wille – fehlendes Knowhow
Thomas Rüegg, der Mann vor Ort, bezeichnet die Zusammenarbeit mit den Behörden als gut. Sie sei zwar nicht immer fruchtbar, was aber nicht böser Wille, sondern eher ein Kapazitäts-Problem sei. Philippe Monteil, DEZA-Programm-Beauftragter für Albanien, beurteilt die Zusammenarbeit mit der albanischen Verwaltung als eher problematisch. «Die guten Leute gehen weg zu den NGOs, weil sie dort besser verdienen. Zudem werden nach jeden Wahlen die Beamten ausgewechselt.»
Die Geister der Vergangenheit
Ein halbes Jahrhundert lang hatten die Menschen in Albanien von der Welt abgeschottet gelebt – isoliert in einem brutalen und repressiven System unter Enver Hoxha
In keinem andern Land hat der Zusammenbruch der kommunistischen Gesellschaft zu einer dermassen dramatischen Lage wie in Albanien geführt. Die Menschen fühlten sich betrogen und verraten. Sie reagierten mit Wut und zerstörten grosse Teile der vorhandenen Infrastruktur.
Nach der Öffnung des Landes 1991 und erneut 1997, als die Pyramiden-Gesellschaften Bankrott gingen und viele Albaner ihr ganzes Vermögen verloren, wollten viele nur noch eins: Abhauen und ihr Glück im Ausland suchen.
Die jahrzehntelange Isolation hat in den Seelen der Menschen ihre Spuren hinterlassen. Die Menschen sind (noch) nicht gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und Eigeninitiative zu entwickeln.
Philippe Monteil drückt es so aus: «Die Apathie im Land ist gross. Hoxha hat Albanien als Paradies gepriesen. Die Menschen haben ihm geglaubt.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein
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