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Alfred Donath: Wo bleiben die Beweise?

Laut Alfred Donath unterstützen die Schweizer Behörden den zunehmenden Antisemitismus im Land. Keystone Archive

Die Kritik des Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes an die Adresse der Regierung ist nicht sehr überzeugend. Das Wort hat die Verteidigung.

An der letzten Jahresversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes hatte Alfred Donath Anschuldigungen gegen die Schweizer Regierung und deren Aussenministerium (EDA) erhoben. Und zwar ziemlich happige.

Im Klartext: Die Schweizer Behörden werden beschuldigt, sich offen zum Fürsprecher der Palästinenser zu machen und damit den zunehmenden Antisemitismus in der Schweiz zu schüren. Seine Aussagen untermauert Donath mit einer Reihe von Argumenten und Beispielen. swissinfo stellt Ihnen hier die wichtigsten sowie die Reaktionen darauf vor.

«Das EDA sieht nichts als die illegalen Siedlungen, dabei sind diese nur ein Pfand, das in Camp David ausgehandelt wurde.»

Laut dem EDA wiederholt die Schweiz seit 1967 immer wieder, dass die gewaltsame Aneignung von Land und der Ausbau der Siedlungen in den besetzten Gebieten illegal sind. Diese Ansicht gründet auf dem humanitären Völkerrecht, insbesondere der 4. Genfer Konvention, und wird von der überwältigenden Mehrheit der internationalen Gemeinschaft geteilt, wie an der humanitären Nahostkonferenz im letzten Dezember in Genf deutlich wurde.

Auf dieser Grundlage sind die Siedlungen in den Augen der Schweiz ein Hindernis für den Frieden und eine zusätzliche Quelle der Gewalt und der Verletzungen des humanitären Völkerrechts. Im Übrigen deutet, entgegen den Worten Donaths, nichts darauf hin, dass diese Siedlungen ein simples Pfand in den Verhandlungen zwischen Israeli und Palästinensern sind.

Der gegenwärtige israelische Premierminister Ariel Sharon stellt sich jedenfalls seit jeher gegen deren Aufhebung. Und die nicht-staatliche israelische Menschenrechts-Organisation B’Tselem zeigt in einem kürzlich erschienenen Bericht auf, dass die Regierungen, die zwischen 1993 und 2000 an der Macht waren, in den Siedlungen Tausende zusätzlicher Wohneinheiten gebaut haben.

Heute kontrollieren die jüdischen Siedlungen laut der israelischen Organisation faktisch 41,9 % des Westjordanlands.

«Die Schweiz finanziert Schulmaterial, das den Hass gegen die Juden predigt.»

Hier bezieht sich Donath auf die Gelder, welche die Schweiz der UNRWA, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge, zur Verfügung gestellt hat.

Dazu meint Jean-François Golay, Programmchef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA): «Diese Anschuldigungen gegen das UNO-Hilfswerk sind eine alte Geschichte. Sie stammen aus dem Bericht einer Beobachtermission aus der USA, der CMIP, der selber umstritten ist.»

Und UNRWA-Sprecher René Aquarone fügt bei, dass «eine andere Studie, welche die hebräische Universität von Jerusalem zusammen mit der Universität von Bethlehem erarbeitet hat, dem Bericht der CMIP widerspricht.»

Ausserdem, so Aquarone, «benutzt die UNRWA, gemäss einem 1951 mit der UNESCO unterzeichneten Abkommen, für seine Erziehungs-Programme die Schulbücher des Landes, in dem die Flüchtlinge leben.» Im Übrigen werden laut Golay «die von Donath beanstandeten Schulbücher seit Mitte der 90er Jahre von der palästinensischen Behörde hergestellt. Sie sind also nicht von der UNRWA finanziert. Infolgedessen konnte die Schweiz dieses Material gar nicht über Mittel an die UNO-Agentur finanzieren.»

EDA-Sprecherin Muriel Berset Kohen fügt bei, dass «die gesamten von der Schweiz zugunsten der palästinensischen Flüchtlinge bereitgestellten Gelder einer sehr strengen Kontrolle unterliegen». Diese Kontrolle wird unter anderem vom DEZA-Verbindungsbüro in Jerusalem wahrgenommen.

Der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, von swissinfo darauf angesprochen, beharrt auf seinen unbewiesenen Anschuldigungen. Wenigstens für den Moment.

Donath verspricht, die Beweise in der kommenden Woche vorzulegen, zwei Wochen, nachdem er die Anschuldigungen erhoben hat.

«Catherine Berruex wurde von einem palästinensischen Polizisten kaltblütig ermordet. Warum hat der Bundesrat nicht den Mut, die Wahrheit zu sagen?»

Die Schweizerin, Mitglied der Zeitweiligen Internationalen Präsenz in Hebron, dem einzigen Gremium internationaler Beobachter in den palästinensischen Gebieten, wurde zusammen mit einem türkischen Kollegen am 28. März erschossen.

Ein türkischer TPIH-Beobachter, der beim gleichen Zwischenfall verwundet wurde, bestätigt, dass der Angreifer ein palästinensischer Polizist war.

Die Schweizer Regierung äussert sich nicht dazu. «Der Bundesrat kann nichts dazu sagen, bevor er das Ergebnis der laufenden Untersuchungen kennt», führt Muriel Berset Kohen aus. Und fügt bei: «Der Schweizer Aussenminister Joseph Deiss hat die Unterstützung seines israelischen und seines palästinensischen Amtskollegen angefordert, damit Licht in die Sache kommt.»

swissinfo kontaktierte die TPIH in Hebron; diese bestätigt, dass Polizei und Sicherheitskräfte Israels eine Untersuchung eingeleitet haben, dass aber noch keine Ergebnisse vorliegen.

Auch die Schweizer Bundesanwaltschaft hat eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet. Laut deren Sprecher Hans Jürg Mark Wiedmer wird in den nächsten Tagen ein Rechtshilfe-Ersuchen an die israelischen Behörden gehen.

Frédéric Burnand

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