Alinghi beim Emir, der die Schweiz liebt
Der nächste America's Cup zwischen dem Schweizer Team Alinghi und dem amerikanischen Team BMW-Oracle dürfte im Februar 2010 in Ras al-Khaimah ausgetragen werden. Das Emirat beherbergt bereits mehrere Schweizer Firmen und den ersten Campus der EPFL Lausanne im Ausland.
In seinem Marmorpalast zuoberst auf dem Hügel der Hauptstadt von Ras al-Khaimah – rund eine Autostunde nördlich von Dubai – praktiziert Scheich Saud bin Saqr eine Politik der offenen Tür gegenüber Besuchern aus aller Welt.
Der Eingang wird zwar von bewaffneten Soldaten bewacht, aber der Herrscher ist meistens ohne persönlichen Leibwächter unterwegs.
Ein Teller mit frischen Datteln steht für den Besucher bereit. Auf einer Ablage liegen englische und arabische Zeitungen.
Mehrere Bedienstete – ausschliesslich Männer – durchschreiten den Raum, während sie auf ihren Gebieter warten.
Gross, schlank, gepflegt rasiert – Scheich Sauds Erscheinung würde sich bestens eignen für ein Kinoplakat einer Neuauflage des Films «Lawrence von Arabien».
Der 53-jährige Prinz ist verheiratet, Vater von vier Mädchen und zwei Knaben und hat den Titel und die Macht 2003 von seinem Vater übernommen. Der 92-jährige Scheich, damals der amtsälteste Herrscher der Welt, bestimmte Saud bin Saqr zu seinem Nachfolger, anstelle des älteren Sohns, der sich mehr für arabische Poesie als für die Entwicklung des Landes interessierte.
Zwischen den Kulturen
Scheich Saud bin Saqu Al Qasimi pendelt zwischen der orientalischen und der westlichen Kultur: «Seit seiner Ausbildung an der Universität von Michigan (USA) fühlt er sich überall auf der Welt zu Hause, vor allem auch in Montreux, wo seine Familie Wohnungen besitzt», sagt Khater Massaad, der persönliche Berater des Scheichs.
«Saud bin Saqr liebt die Schweizer sehr. Er mag deren Seriosität und Ehrlichkeit. Er ist ein toleranter Mensch: Er hat mich zu seinem Berater berufen, obwohl ich selber Christ bin, was in anderen Orten der Region unvorstellbar wäre. Er hat drei Baubewilligungen für christliche Kirchen erteilt und verlangt, dass die Einwohner des Emirats gegenüber anderen Lebensformen weltoffen sind.»
Der gebürtige Libanese Kather Massaad hat in Lausanne an der EPFL Mathematik und an der Universität Geophysik studiert. Im Emirat hat er eines der weltgrössten Keramik-Unternehmen aufgebaut: RAK Ceramics beschäftigt mehrere Tausend vor allem asiatische Mitarbeiter. Das Unternehmen exportiert Fliesen in alle Welt und ist rund um die Uhr in Betrieb.
Im Umbruch
Seit der Machtübernahme von Scheich Saud hat sich viel verändert im Königreich der Wüste. Auf das Zeitalter des Kamels folgte jenes des Bulldozers: «Es ist die Rolle der Regierung, die Zukunft vorauszusehen», erklärt der Scheich, in einem Fauteuil sitzend, ein Mobiltelefon in Reichweite.
«Ras Al-Khaimah soll sich zu einer Kapitale des Wissens entwickeln. Die Regierung muss dafür sorgen, dass sich die Barrieren öffnen. Aber wir stehen erst am Anfang. Wir werden eine Universitätsstadt errichten. Das Emirat soll sich zu einem Zentrum für Wissenschaft, Industrie und Tourismus entwickeln.»
swissinfo.ch: Ihre Ambitionen sind also grenzenlos?
Scheich Saud bin Saqr: Ehrlich gesagt, sind unsere Grenzen nur jene des Gehirns. Und wie Sie wissen, setzt uns das Hirn keine Grenzen. Ich habe volles Vertrauen in die menschlichen Fähigkeiten.
Wir leben in einer globalisierten Welt, in der alles möglich ist. Wir werden eine Stadt erschaffen, in der sich die Talente aller Nationen und Hautfarben zusammentun werden.
Unsere Arbeitskräfte kommen von überall. Unser Land liegt mitten zwischen Asien, Europa und Afrika. Vor 50 Jahren hatten wir absolut nichts. Wir waren isoliert und ohne Rohstoffe. Heute ist unser Land mit der gesamten globalisierten Welt verbunden.
swissinfo.ch: Eine globalisierte Welt, in der aber die Frauen noch immer nicht die gleichen Rechte haben wie die Männer…
S.b.S.: Für mich ist die Frau meine Mutter, meine Schwester, meine Frau, meine Tochter. Ich liebe sie genauso wie meinen Vater, meinen Bruder, meinen Sohn. Es gibt keinen Unterschied.
Bei uns können die Frauen arbeiten, ein Auto fahren und studieren. Sie machen 70 bis 80% aller Studierenden an unseren Universitäten aus. Übrigens: Wie hoch ist dieser Anteil bei Ihnen?
swissinfo.ch: Und die Scharia? Der Westen hat Angst vor dieser Art von Justiz…
S.b.S.: Diesbezüglich gibt es im Westen ein grosses Missverständnis. Das Wort «Scharia» ist die Justiz. Unsere Gerichte sind heute total unabhängig. Sie wenden die Regeln des Rechts und des internationalen Handels an.
Die Scharia kommt bei uns nur beim Zivilrecht zum Zug, für Scheidungen und familiäre Angelegenheiten der muslimischen Bevölkerung.
swissinfo.ch: Haben Sie vor, einen Offshore-Finanzplatz zu schaffen, quasi ein arabisches Monaco?
S.b.S.: Wir wollen nicht nur eine Steueroase schaffen. Wir wollen die Menschen von überall her anziehen – dank unserer Trumpfkarte: Wir bieten Lebensqualität, Zugang zu Pflege und Ausbildung sowie wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Das ist ein Entscheid, in was für einer Gesellschaft man leben will.
Olivier Grivat, swissinfo.ch, Ras al-Khaimah
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler und Christian Raaflaub)
Auf dem riesigen Masten der Alinghi prangt das Logo der Eidgenössischen Technischen Hochschule (EPFL) Lausanne.
Die Wahl von Ras al-Khaimah als Austragungsort des nächsten America’s Cup könnte nicht besser ausgefallen sein: 2012 wird die EPFL dort ihren ersten Campus im Ausland eröffnen.
Geplant für etwa 100 Studierende von Master bis Post Doc sollen dort Umwelt, neue Energien, Wasser und Konstruktion studiert werden können.
Zwischen Europa und Asien ist der Campus interessant für Menschen aus Indien, Pakistan, Iran oder Ägypten, die eine westliche Ausbildung anstreben.
Diesen Frühling haben Bundesrat Pascal Couchepin und EPFL-Präsident Patrick Aebischer den Grundstein für den Campus gelegt, der 500 Millionen Franken kosten soll.
Daneben ist ein Swiss Tech Park von 500’000 m2 geplant, der Schweizer Unternehmen beherbergen soll.
Dr. Khater Massaad studierte an der EPFL Lausanne und liess sich in Ras al-Khaimah nieder, wo er zum Berater der Regierung ernannt wurde.
Er sieht das Emirat als industrielle Drehscheibe der Zukunft. Im Gegensatz zu Dubai, wo nur ein Baurecht von 99 Jahren herrscht, sei der Verkauf von Immobilien an Ausländer erlaubt, erklärt Massaad in seinem Büro der RAK Investment Authority, der Entwicklungsgesellschaft des Emirats.
In RAK zahlt man keine Steuern oder Zölle, es ist ein echtes Steuerparadies. RAK hat im Al-Jaiss-Massiv den Bau einer Skistation auf 2000 Metern über Meer in Angriff genommen, wo Pisten mit Kunstschnee erzeugt werden sollen.
Das Emirat plant den Bau eines Hafens, um die Tankschiffe, die zu den Ölquellen in anderen Ländern fahren, beim Eingang in die Strasse von Hormuz aufzunehmen.
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