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Alinghi-Gigant kreuzt auf dem Genfersee

Keystone

Seit Wochenbeginn prescht das neue, riesige Doppelrumpfboot von Alinghi über die Wogen des Lac Léman. Gewassert wurde das knapp 30 Meter lange und 50 Meter hohe Schiff per Helikopter. Nach den ersten Tests herrscht grosser Optimismus.

Die Kontraste im Hafen von Le Bouveret, wo die Rhone in den Genfersee mündet, könnten nicht grösser sein.

Hier die gigantische Alinghi 5, wie der Katamaran offiziell heisst, daneben die vielen kleinen Segelboote, Nussschalen gleich.

Nur der grösste Transporthelikopter der Welt, ein russischer Mi-26, war stark genug, das Ungetüm die 20 Kilometer lange Strecke von der Fertigungshalle in Villeneuve an den Genfersee zu fliegen.

Nach der Wasserung und dem Einbau des fast 50 Meter hohen Masten fliegt die Alinghi 5 nun selber; nicht durch die Luft, sondern über das Wasser des Lémans.

Segler, Ingenieure und Designer sind sich einig: Die Ergebnisse der ersten Tests liegen weit über den Erwartungen. «Das Team hatte das Boot sehr rasch im Griff, die Konstrukteure haben eine aussergewöhnliche Arbeit geleistet», lobt Chefdesigner Rolf Vrolijck.

Respekteinflössend

«Wir waren überrascht, alles hat vom ersten Tag an bestens funktioniert», zeigte sich auch der Waadtländer Alinghi-Segler Yves Detrey begeistert.

Wie alle von Alinghi war Detrey beeindruckt von der Kraft, welche das 27 Meter breite Doppelrumpfboot entwickelt. Sein Bau verschlang 30’000 Quadratmeter Karbonfasern, das Grosssegel misst 1000 Quadratmeter.

Neben Optimismus ist aber auch Respekt gefordert: «Man kann die Spannungen und die Arbeit des Bootes richtig spüren», sagt Detrey. Es werde noch einige Zeit dauern, bis volles Vertrauen in solch ein Boot bestehe.

In rund zehn Tagen wird Alinghi 5 – wiederum als Last unter dem Mi-26 – erneut zu einem Flug ansetzen, aber diesmal über die Alpen. Ende August soll das Schweizer Boot dann vom französischen Hafen Gênes aus erstmals ins Meer stechen. Ziel ist nicht nur die Eroberung des Mittelmeers, sondern im August 2010 auch diejenige des dritten America’s Cup in Serie.

Ort immer noch unklar

Seit zwei Jahren herrscht zwischen Titelverteidiger Alinghi und den US-Herausforderern von Oracle ein juristischer Krieg. Deswegen ist immer noch nicht bestimmt, wo die 33. Austragung der ältesten Sporttrophäe der Welt über die Bühne geht.

Alinghi-Besitzer und Milliardär Ernesto Bertarelli lässt es sich nicht nehmen, ein paar neue Nadelstiche zu setzen. «Unser Boot ist eindrücklich, Oracle hat guten Grund, sich ein wenig Sorgen zu machen.»

Er hoffe, dass sie den Mut aufbrächten, sich der Herausforderung Alinghis zu stellen. «Aber ich bin fast sicher, dass sie unsere Wahl des Austragungsortes gerichtlich anfechten werden.»

Die «Deed of Gift», die Gründungsurkunde des America’s Cup, hält fest, dass der Titelverteidiger den Ort des Duells bestimmt. Die 150-jährige Satzung lässt aber auch grossen Interpretationsspielraum offen – mögliches neues Futter für die Oracle-Juristen.

Zwei Boots-Welten

Der Direktkampf auf dem Wasser wird laut Ernesto Bertarelli zwei Boots-Philosophien zeigen, die sich diametral entgegen stehen. «Die Amerikaner wählten den traditionellen Weg und gingen bei der Konstruktion ihres Trimarans von den Booten der Ocean-Races aus. Wir dagegen nahmen die kleinen Boote des Binnensegelns als Ausgangspunkt. Zwangsläufig wird sich eine Konstruktion als schneller erweisen.»

Schon vor dem grossen Showdown ist klar, dass die 33. Auflage die teuerste aller Zeiten wird. Er habe diesmal mehr Geld investiert als bei den beiden vorherigen Kampagnen, sagt Bertarelli. Die Kosten trägt er vorderhand allein, denn wegen des juristischen Hickhacks zieren noch keine Sponsorenlogos die beiden Rumpfe.

Riesiger Forschungs-Impuls

Bei Konstruktion und Bau von Alinghi 5 wirkten mehr als 2000 Schweizer Firmen mit.

Wiederum hält die die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) die Federführung. Sechs EPFL-Departemente sind beteiligt.

«Für uns als Hochschule ist es sehr motivierend, an einem solchen Projekt mitzuarbeiten,» sagt EPFL-Direktor Patrick Aebischer. Die gesamte Schweizer Forschung habe von den Alinghi-Kampagnen profitiert.

«Erst wenn man die Technologie bis an ihre Grenzen ausreizt, lassen sich Anwendungen in anderen Bereichen realisieren, wie die Biotechnologie oder Raumfahrttechnologie zeigen.»

Samuel Jaberg, Le Bouveret, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

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ETHZ/EPFL

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweiz hat zwei technische Hochschulen, die ETHZ in Zürich, die 2005 ihr 150 jähriges Bestehen feiern konnte, und die EPFL in Lausanne, die 1853 als Privatschule gegründet wurde und 1969 nach der Trennung von der Universität Lausanne eine Eidgenössische Hochschule wurde. Beide Hochschulen gelten als führende Institutionen in Wissenschaft und Technologie und werden direkt…

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Challenger. Nach der Verteidigung des America’s Cup 2007 bestimmte Alinghi-Boss Ernesto Bertarelli für die nächste Austragung das spanische Syndikat als Vertreter der Herausforderer.

Oracle beschuldigte das Schweizer Team darauf, sich dadurch einen Regelvorteil verschafft zu haben.

Deed of Gift. So heisst die Gründungsurkunde des America’s Cup.

Oracle behauptet, dass der Klub hinter dem spanischen Syndikat fiktiver Natur ist und deshalb die obligatorische jährliche Regatte auf See nicht organisieren kann.

Prozess. Nach 20-monatiger Dauer gibt ein New Yorker Appellationsgericht am 2. April 2009 Oracle recht.

Alinghi muss mit dem US-Team über die Regeln des nächsten Cups verhandeln.

Mehrrumpf-Boote. Oracle hat sich bereits dafür ausgesprochen, den nächsten Cup 2010 in einem Zweier-Duell mit Mehrrumpf-Booten auszutragen.

Sieger wäre, wer zuerst zwei Regatten gewinnt; die anderen 18 Teams wären lediglich Zuschauer.

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