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Amnesty wirft einen kritischen Blick auf die Schweiz

Abgewiesene Asylsuchende vor der Ausschaffung auf dem Flughafen Zürich. Keystone

Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International verurteilt in ihrem Jahresreport die neue strengere Einwanderungs- und Asyl-Gesetzgebung in der Schweiz.

Zudem habe es erneut Vorwürfe über rassistische Übergriffe durch Polizeibeamte gegeben.

Der grösste Teil der Kritik im Schweizer Kapitel des Jahresberichts 2007 widmet sich dem revidierten Asylgesetz: Auf dessen Grundlage könne Flüchtigen ohne Ausweispapiere der Zugang zum Asylverfahren verwehrt werden.

Zudem betrage die Beschwerdefrist für Asylanträge, die ohne Prüfung abgewiesen würden, vielfach nur noch fünf Tage. Ein weitere Bestimmung lasse es zu, papierlose Migranten für die Dauer von bis zu zwei Jahren in Abschiebehaft zu halten, um ihre Identität und Herkunft zu überprüfen.

Selbst Minderjährige könnten für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten inhaftiert werden. Diese Regelung laufe internationalen Standards eindeutig zuwider, schreibt AI.

Das gleichzeitig eingeführte Ausländergesetz erschwere zudem die Familienzusammenführung für Einwanderer, die nicht aus einem EU-Mitgliedstaat stammten.

Kritik erntete die Schweiz für die Zustimmung, zwei türkische Staatsbürger auszuliefern, die gegen ihren ablehnenden Asylbescheid Beschwerde eingelegt hatten. Dies, obwohl ihnen im Fall ihrer Rückführung in die Türkei unfaire Gerichtsverfahren drohten.

Rassismus innerhalb der Polizeibehörden

Die Menschenrechtsorganisation weist in ihrem Jahresbericht zudem auch auf Tendenzen von institutionellem Rassismus in der Schweiz hin. Ein UNO-Sonderberichterstatter hat diesbezüglich im letzten Jahr konkrete Anhaltspunkte ausgemacht, unter anderem auch innerhalb der Polizeibehörden.

Der Sonderberichterstatter nennt als Beispiel mehrere Vorwürfe über Misshandlungen, exzessiven Einsatz von Gewalt und rassistische Übergriffe durch Polizeibeamte.

Seine Beobachtungen zu Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung seien in politischen Diskussionen aber «bagatellisiert» worden, schreibt AI.

Migrantinnen riskieren Abschiebung

Zum Thema Gewalt an Frauen erinnert der Bericht an das revidierte Zivilgesetz, wonach gewalttätige Partner auf Antrag des Opfers aus der gemeinsamen Wohnung ausgewiesen werden können.

Migrantinnen, welche noch keine fünf Jahre in der Schweiz lebten, riskierten hier allerdings ihre Abschiebung, wenn sie sich von dem Mann trennten, dessen Name in ihrer Aufenthaltsgenehmigung eingetragen sei.

Bundesamt für Migration widerspricht

Dominique Boillat, Sprecher des Bundesamtes für Migration (BFE), lässt diese Kritik nicht gelten, wie er gegenüber swissinfo sagt.

«Im neuen Ausländergesetz, das 2008 in Kraft tritt, steht im Gegenteil, dass eine Migrantin bereits nach drei Jahren eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen kann. Wenn sie schwerwiegende persönliche Gründe geltend macht – wie es häusliche Gewalt sicher ist – bekommt sie diese Genehmigung sofort», erklärt Boillat.

Weiter wehrt sich Boillat gegen die Kritik an der Ausweisung von Flüchtlingen ohne Ausweispapiere: «AI vergisst, dass das Asylgesetz drei wichtige Ausnahmen kennt: Wenn die Person plausible Gründe angeben kann, warum sie keine Papiere hat, wenn sie Verfolgung geltend macht und wenn wir weitere Abklärungen benötigen.»

swissinfo und Agenturen

AI wurde 1961 vom britischen Anwalt Peter Benenson gegründet.

1977 erhielt AI den Friedens-Nobelpreis für seine Anti-Folter-Kampagne.

Laut dem aktuellen Bericht hat AI im Jahr 2007 2,2 Mio. Mitglieder oder Anhänger in mehr als 150 Ländern.

In seinem 300-seitigen Bericht legt Amnesty International den Finger auf den von den USA lancierten Krieg gegen den Terror, der dazu geführt habe, dass Washington «die Welt als riesiges Schlachtfeld» betrachte.

«Wie zur Zeit des Kalten Krieges», schreibt Irene Khan, Generalsekretärin der Organisation, «nutzen zahlreiche Regierungen die Furcht vor Terrorismus, um die Freiheitsrechte zugunsten einer repressiven Sicherheitspolitik einzuschränken.»

Die nationale Sicherheit werde so zu einem Vorwand, um die Opposition zu unterdrücken, sei dies in Nordafrika, im Nahen Osten oder in Russland.

Der AI-Bericht zur Lage der Menschenrechte gibt Auskunft über die Situation in 153 Ländern. Er kritisiert insbesondere den Graben zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen und die Situation der Frauen, die oft Opfer von «sexuellem Terrorismus» würden.

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