Angst überschattet Schweizer Olympia-Vorarbeit
Die Schweiz sendet erstmals einen Sicherheitsbeamten der Armee an Olympische Spiele, um über die Athleten zu wachen.
Im swissinfo-Interview spricht Werner Augsburger, Chef des Schweizer Teams, über Sicherheit und Erfolgschancen in Athen.
Drei Wochen vor dem Startschuss der Olympischen Spiele in Athen stehen drei Themen immer wieder im Vordergrund: Terrorismus, Doping und die Frage, ob die Griechen rechtzeitig bereit sein werden.
Die griechischen Behörden haben die grösste Sicherheits-Organisation in der Geschichte der Spiele aufgestellt. Sie kostet über 1,8 Milliarden Franken.
Die NATO unterstützt die Massnahmen gegen den Terrorismus mit See- und Luft-Patrouillen. Die Schweiz und andere Länder helfen mit Experten und Ausrüstung gegen biologische oder chemische Angriffe.
swissinfo: Ist es wahr, dass Schweizer Soldaten die Teams nach Athen begleiten?
Werner Augsburger: Wir haben entschieden, einen Sicherheits-Spezialisten der Armee ins Team zu integrieren. Diese Person wird weder eine Uniform noch eine Waffe tragen.
Er wird Zugang zu Geheimdienst-Informationen der griechischen Regierung haben. Und falls irgend etwas geschieht, kann er uns zur Seite stehen und beraten.
Andere Nationen tun dies seit Jahren, beispielsweise Deutschland seit 1972. Wir wissen, dass Dänemark seit den Spielen in Barcelona permanent zwei Leute im Team hat. Für uns ist es das erste Mal.
swissinfo: Warum schätzen sie die Bedrohung grösser ein als 2000 in Sydney?
W.A.: Spezialisten bestätigen, dass sich die Lage seit dem 11. September 2001 verändert hat. Wir wissen, dass in Athen viele, viele verschiedene Dinge geschehen könnten.
Doch wir wissen auch, dass Athen während diesen beiden Wochen im August wohl die bestgeschützte Stadt der Welt sein wird.
swissinfo: Wird Athen rechtzeitig bereit sein?
W.A.: Es wird eng. Doch ich denke, was zu einer gewissen Zeit bereit sein muss, wird bereit sein. Vielleicht nicht mit Schweizer Präzision, denn bei uns ist immer alles ganz genau und sauber. Einige Baustellen werden wohl nicht aufgeräumt sein.
Die Hauptstadien allerdings müssen bereit sein. Der Wettkampf-Fahrplan ist eng während diesen beiden Wochen. Die meisten Wettkämpfe müssen zur geplanten Zeit durchgeführt werden.
swissinfo: Die Schweiz holte neun Medaillen in Sydney, das beste Resultat seit 1952. Kann dieses Resultat in Athen geschlagen werden?
W.A.: Nein, ich denke nicht. Die neun Medaillen in Sydney waren ein sehr gutes Resultat für ein kleines Land wie die Schweiz.
Das Potenzial für Athen liegt zwischen fünf und neun Medaillen: Minimalziel sind fünf, wenn wir neun holen, sind wir sehr, sehr glücklich.
swissinfo: Wo haben die Schweizer neben Roger Federer im Tennis die besten Chancen auf Gold?
W.A.: Im Radsport. Entweder auf der Bahn, in einem Zeitfahren oder im Mountainbiking. In diesen Disziplinen können wir vielleicht eine, zwei oder sogar drei Goldmedaillen holen.
Dann haben wir gute Chancen im Beach-Volleyball. Zwei Männer-Teams spielen ausgezeichnet. Wir erstreben auch in dieser Disziplin eine Medaille, hoffentlich Gold.
swissinfo: Und bei den Leichtathleten?
W.A.: Wenn man das Niveau in der Schweizer Leichtathletik anschaut, haben wir gegenwärtig kein Potenzial für einen Medaillengewinn.
Falls ein Athlet wie André Bucher (früher Weltmeister über 800m), der bis jetzt nicht seine Topform erreicht hat, in den nächsten vier Wochen noch in Form kommt, dann bestehen Chancen auf einen Erfolg. Doch eine Medaille ist weit weg.
swissinfo: Doping hat bereits einen Schatten über die Spiele geworfen. Einige US-Athleten stehen unter Verdacht. Ist dies der Beweis, dass die Tests funktionieren, oder muss mit mehr gerechnet werden?
W.A.: Ich würde sagen, der Schatten, den sie erwähnen, liegt nicht über den Olympischen Spielen, sondern über den amerikanischen Athleten. Wir sind glücklich darüber, was in den USA vor sich geht, denn die Anti-Doping-Stelle macht ihren Job gut.
Für den Sport mag es zur Zeit negativ sein, doch auf lange Sicht ist es der einzige Weg, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass wirklich etwas dafür unternommen wird, den Sport wieder sauber zu machen.
swissinfo: Denken Sie, dass während der Spiele weitere Athleten in den Doping-Tests hängen bleiben?
W.A.: Ich hoffe, es werden nur so wenig wie möglich sein. Doch wir erwarten und hoffen, dass die Welt Anti-Doping-Behörde WADA zusammen mit den nationalen Olympischen Komitees den bestmöglichen Job macht und jene findet, die zu betrügen versuchen.
Doch es ist unrealistisch zu denken, dass wir einen Sport haben können, der hundertprozentig sauber ist.
swissinfo-Interview: Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
Kosten der griechischen Sicherheits-Organisation: 1,8 Milliarden Franken
Die USA senden 400 Elitesoldaten zum Schutz der Spiele
16’000 Athleten und Trainer aus über 200 Ländern nehmen teil
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