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Anhaltend hohe HIV-Ansteckung bei Homosexuellen

Diese Aids-Kampagne thematisiert die sexuelle Vergangenheit und ihre Risiken. Keystone

Die Zahl der neu gemeldeten HIV-Infektionen haben im vergangenen Jahr in der Schweiz auf hohem Niveau stagniert. Die Hoffnungen der Behörden auf einen Rückgang haben sich nicht bestätigt.

Insgesamt wurden 735 Fälle gemeldet, nur unwesentlich weniger als im Vorjahr. Die HIV-Diagnosen bei homosexuellen Männern haben sich 2007 zwar stabilisiert, liegen aber fast doppelt so hoch wie vor vier Jahren.

Die HIV-Epidemie in der Schweiz ist nicht eingedämmt. Besonders bei homosexuellen Männern breitete sich das Virus weiter aus. 2003 waren in dieser Gruppe von Betroffenen noch 160 neue HIV-Infektionen diagnostiziert worden, 2007 sind es schon 302 – fast doppelt so viele – gewesen.

In fast der Hälfte der Fälle handelt es sich zudem um «frische Ansteckungen», bei welchen sich die betroffene Person nur wenige Monate vor dem Test infiziert hatte.

«Mission Possible»

Dies sei ein Hinweis darauf, dass die Epidemie bei schwulen Männern noch nicht habe gestoppt werden können, teilte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Montag mit. Das BAG hofft nun, dass das laufende Präventionsprojekt «Mission Possible» der Aids- Hilfe Schweiz Wirkung zeigt.

Entgegen dem Trend der letzten Jahre hat 2007 auch die Zahl der Infektionen bei Drogen injizierenden Menschen leicht auf 61 zugenommen. Hier ist der Anteil der frischen Infektionen ebenfalls hoch.

Ob ein verändertes Risikoverhalten dafür verantwortlich ist, ist gemäss BAG derzeit nicht bekannt. Hoffnungsvoller ist die Entwicklung bei anderen Gruppen: 328 HIV-Diagnosen gehen 2007 auf heterosexuelle Kontakte zurück, 34 weniger als im Jahr zuvor.

Damit bestätigt sich der seit 2004 rückläufige Trend in dieser Gruppe.

Herkunft entscheidend

Dies gilt jedenfalls für heterosexuelle Schweizerinnen und Schweizer, bei welchen noch 98 neue Fälle festgestellt wurden – drei Jahre zuvor waren es noch 170 gewesen.

Bei Einwanderern aus Subsahara-Afrika dagegen nahm die Zahl der neuen Ansteckungen leicht auf 145 zu.

Erfreulich ist der Trend bei den Frauen: Sie sind von gut 30% der neu festgestellten Infektionen betroffen – dieser Anteil ist in den letzten Jahren laufend zurückgegangen. Bei der heterosexuellen Übertragung liegt der Anteil der Frauen allerdings deutlich über 50%.

Weiter zurückgegangen ist auch die Zahl der tödlich verlaufenen Fälle: 2007 starben 26 Personen mit bekannter Aids-Diagnose, etwa halb so viele wie im Jahr zuvor. 1994 waren in der Schweiz 686 Menschen an der Krankheit gestorben.

Hohe Ansteckungsrate bei Männern

Mehrere Gründe führen zu der hohen Ansteckungsrate bei homosexuellen Männern. Einer davon ist die so genannte Primoinfektion, wie Thomas Lyssy von der Aids-Hilfe Schweiz sagt.

In den ersten Wochen nach der Ansteckung ist die Zahl der Viren im Blut besonders hoch, meistens sind aber noch keine Antikörper nachweisbar. «In der Phase, in der man nicht weiss, dass man ansteckend ist, ist man am ansteckendsten», sagte Lyssy.

Diesen Teufelskreis hoffe man mit «Mission Possible» zu durchbrechen. Thema der bis im Mai laufenden Kampagne ist die Primoinfektion und die Aufforderung für einen konsequenten Schutz gerade in den kritischen Monaten.

Statistisch gefährdet

Ein anderer Grund für die Ausbreitung des HI-Virus bei Homosexuellen ist laut Lyssy die relativ hohe Zahl von bereits Infizierten. Wenn sich dann in Treffpunkten wie Saunas oder Darkrooms auch nur einige HIV-Träger für anonymen Sex einfänden, würde das Virus leicht weitergegeben.

swissinfo und Agenturen

2007 sind 735 neue HIV-Fälle gemeldet worden.
Bei den Ansteckungen aufgrund von heterosexuellen Kontakten ging die Zahl um rund 10% auf 328 zurück.
Bei Schweizer Frauen verringerte sich die Zahl der Fälle von 80 im Jahr 2002 auf 40 im vergangenen Jahr.
Dagegen nahmen die Ansteckungen bei Migranten und Migrantinnen aus dem Subsahara-Afrika zu.
Bei Homosexuellen jedoch steigen die Meldungsfälle seit 2001 an: 160 Fälle 2003, 302 Fälle 2007.
Das Wachstum hat sich zwischen 2006 und 2007 immerhin etwas abgeschwächt und erreicht ein Plus von 4%, das heisst 12 Fälle.

Das menschliche Immunschwäche-Virus HIV (Engl.: Human immunodeficiency virus) gehört zur Familie der Retroviren. Es infiziert Zellen des menschlichen Immunsystems und zerstört oder beeinträchtigt deren Funktion.

In der folgenden Latenzphase wird das Immunsystem geschwächt, und die HIV-infizierte Person wird anfälliger für so genannte opportunistische Infektionen.

Eine Ansteckung führt nach einer unterschiedlich langen Inkubationsphase, die 10 bis 15 Jahre dauern kann, zu Aids (Engl.: acquired immunodeficiency syndrome). Antiretrovirale Medikamente können die Inkubationsphase noch verlängern.

Letztes Jahr starben weltweit 2,9 Mio. HIV-Infizierte an Aids.

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