Anklage gegen Swissair-Verantwortliche
Fast 5 Jahre nach dem Zusammenbruch der Swissair hat die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen 19 frühere Verantwortliche Klage erhoben.
Betroffen sind die Verwaltungsräte sowie Konzern- und Finanzchefs, die in den letzten Jahren der Fluggesellschaft im Amt waren.
Die Klage lautet auf Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung und ungetreue Geschäftsbesorgung sowie in einigen Fällen auf Falschbeurkundungen, wie die Staatsanwaltschaft am Freitag bekannt gab.
Unter den Angeklagten sind die ehemaligen Swissair-Chefs Philippe Bruggisser, Eric Honegger und Mario Corti. Auch der Verwaltungsrat der vor viereinhalb Jahren zusammengebrochenen Airline muss sich vor dem Richter verantworten.
Darunter sind Ex-Credit-Suisse-Chef Lukas Mühlemann, die freisinnige Alt-Ständerätin Vreni Spoerry, der ehemalige Privatbankier Bénédict Hentsch oder Thomas Schmidheiny, der Mehrheitsaktionär des Zementkonzerns Holcim.
Auch die letzten Finanzchefs der Swissair-Gruppe, Georg Schorderet und Jacqualyn Fouse, kommen vor Gericht.
Ungetreue Geschäftsführung
Zur Anklageerhebung beim Bezirksgericht Bülach führten Vorfälle in der Zeit zwischen Dezember 2000 und Anfang Oktober 2001. Sie drehen sich um Zahlungen an die belgische Sabena, aber auch um damalige Umstrukturierungen und die Kommunikation im Jahr 2001 sowie den Zusammenbruch der SAirGroup im Herbst 2001 und die damit verbundenen Vorbereitungen zur Nachlass-Stundung.
Dem Gesamt-Verwaltungsrat wirft die Anklage Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung und ungetreue Geschäftsführung vor. Der damalige Finanzchef Schorderet und ein weiterer Mitunterzeichner müssen sich deshalb zusätzlich auch noch wegen Falschbeurkundung verantworten.
Keine Wirtschaftskriminalität
«Das Besondere an dem Fall ist, dass nicht eigentliche Wirtschaftskriminelle oder Betrüger zu Werke gingen, sondern Menschen, die den Untergang der Swissair verhindern wollten», so Andreas Brunner.
«Sämtliche Angeklagten sind in den ihnen vorgeworfenen Sachverhalten nicht geständig», sagte der leitende Oberstaatsanwaltschaft Andreas Brunner. Bis zu einem Urteil gälten sie als unschuldig.
Der Untergang der Swissair habe im ganzen Land grosse Betroffenheit und grosse Emotionen ausgelöst. Ein solches Ereignis rufe nach Aufarbeitung, sagte Brunner.
Verjährungsfristen im Jahr 2008
Wann es zum Prozess gegen die 19 ehemaligen Spitzenmanager der Swissair kommt, ist unklar. Zunächst muss das Bezirksgericht Bülach die Anklage der Zürcher Staatsanwaltschaft zulassen.
«Der Ball liegt jetzt beim Gericht», sagte dazu der leitende Staatsanwalt Christian Weber. Ob der Prozess noch in diesem Jahr beginne, könne er nicht sagen.
Er sei aber zuversichtlich, dass der Start noch vor den Verjährungsfristen stattfinde. Die frühesten Verjährungsfristen seien im Jahre 2008.
Lediglich vorsätzliches Fehlverhalten
Zentral für die Aufarbeitung seien neben dem Bericht der Revisionsprüfungsfirma Ernst & Young auch die zivilrechtliche Anklageerhebung des Liquidators Karl Wüthrich. Aber auch die strafrechtliche Untersuchung sei nötig.
Über Kompetenz und Inkompetenz der Verantwortlichen sei im Rahmen des Strafverfahrens nicht zu befinden, auch nicht über ethisches Fehlverhalten, sagte Brunner.
Eine Schwierigkeit im Strafverfahren im Gegensatz zum zivilrechtlichen Verfahren sei, dass es nur um vorsätzliches Fehlverhalten gehe, nicht um fahrlässiges Fehlverhalten.
Behörden an der Grenze der Kapazität
Die Aufklärung der Vorgänge um die SAirGroup habe die Strafverfolgungs-Behörden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht wegen des Umfangs des Materials oder der internationalen Verflechtungen. Das Aktenmaterial sei riesig und fülle 4000 Ordner. Dies ergäbe aneinandergereiht 270 Laufmeter.
Die elektronischen Daten, wie die Mails, würden über 750 DVD füllen. Über 150 Personen seien befragt worden, sagte der leitende Staatsanwalt Christian Weber. Es sei anerkennend zu würdigen, dass die angeklagten Personen darauf verzichtet hätten, auf Zeit zu spielen, um das Verfahren hinauszuzögern.
swissinfo und Agenturen
1992, nach dem Volks-Nein zum Europäischen Wirtschaftsraum, fürchtet Swissair Wettbewerbs-Nachteile und plant eine Allianz mit andern Airlines.
1993 scheitert das Projekt «Alcazar».
Swissair wagt den Alleingang und beteiligt sich mit ihrer «Hunter Strategie» an Sabena, AOM und Air Liberté.
Für das Jahr 2000 muss der Konzern einen Verlust von fast 3 Mrd. Franken ausweisen. Konzernchef Philippe Bruggisser muss gehen.
2001 übernimmt für wenige Wochen Crossair-Gründer Moritz Suter das operative Ruder. Der freisinnige Zürcher Ex-Regierungsratt Eric Honegger wird VR-Präsident.
Beide werden im Frühjahr 2001 von Ex-Nestlé-Financhef Mario Corti abgelöst.
2. Oktober 2001: Grounding, die Flugzeugflotte bleibt am Boden. Nur dank einem 450 Mio. Kredit des Bundes fliegt Swissair noch bis zur Gründung der Swiss am 1. April 2002 weiter.
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