Anklage macht Mario Corti für Grounding verantwortlich
Im Swissair-Prozess hat die Staatsanwaltschaft am Freitag den letzten Swissair-Chef Mario Corti scharf kritisiert.
Corti und der Ex-Finanzchefin Finanzchefin Jacqualyn Fouse wurden insbesondere Geldverschleuderung, Planlosigkeit und Gläubigerbevorzugung vorgeworfen.
Corti habe nur «zögerliche und partielle Massnahmen» für eine Sanierung ergriffen und sei auf die Nachlassstundung nicht vorbereitet gewesen, sagte Staatsanwalt Thomas Armbruster im Plädoyer vor dem Bezirksgericht Bülach.
Armbruster behandelte am Freitag Anklagen aus den letzten Wochen vor dem Swissair-Untergang. Corti und Finanzchefin Jacqualyn Fouse werden hier ungetreue Geschäftsbesorgung, Misswirtschaft sowie Gläubigerbevorzugung vorgeworfen. Corti und der mitangeklagte KPMG-Partner Scott Cormack verfolgten die Anklage im Saal, während Fouse abwesend war.
Die schliesslich am 1. Oktober 2001 von Corti angekündigte Nachlassstundung der Swissair-Gruppe sei verspätet und mangelhaft durchgeführt gewesen, sagte der Staatsanwalt. Corti und Fouse hätten dem Flugkonzern damit «erheblichen Schaden» verursacht.
Zur Erinnerung: Am 2. Oktober 2001 kam es zum Grounding, alle Flugzeuge der Swissair blieben am Boden.
Ohne Plan
Eingereicht wurde die Nachlassstundung dann erst am 4. Oktober 2001. Laut Berechnung der Staatsanwaltschaft war die Swissair-Gruppe aber schon am 17. September 2001 zahlungsunfähig, nachdem der Bundesrat einen Milliardenkredit des Bundes an die Swissair abgelehnt hatte.
Dabei habe Corti keinn Plan für den voraussehbaren sprunghaften Anstieg des Liquiditätsbedarfs gehabt: Da nach einer Ankündigung einer Nachlassstundung alle Lieferanten nur noch gegen Vorauszahlung lieferten, hätte es eine Planung der Liquidität von Tag zu Tag gebraucht.
Von Mitte September bis zur tatsächlichen Nachlassstundung seien mindestens 177 Mio. Franken abgeflossen, sagte Armbruster. Der Mittelabfluss sei auch ursächlich für das Grounding der Swissair-Flotte gewesen.
Gezaudert
Corti, der die Führung der Swissair-Gruppe im März 2001 übernommen hatte, habe den Ernst der Lage viel zu lange verkannt. Statt die notwendigen einschneidenden Massnahmen einzuleiten, habe er wertvolle Zeit vergeudet, so der Ankläger.
Die «erbärmliche finanzielle Situation» des Konzerns sei ja bereits seit dem Jahr 2000 klar gewesen. Auch ein Kostensparprogramm Cortis sei dem Bedarf bei weitem nicht gerecht geworden. Vor allem habe er sich aber mit dem Verkauf von Beteiligungen wie Gate Gourmet und Nuance schwer getan, sagte Armbruster im Plädoyer weiter.
Cash-Pool-Rezept aus dem Internet
Nicht reagiert hätten Corti und Fouse auch auf die Kündigung des Cash Pools, bei dem die Konten der Gruppengesellschaften zusammengefasst werden, durch die UBS im September 2001. Corti hatte in einer früheren Befragung die hohe Komplexität des Cash Pooling betont; der Staatsanwalt präsentierte nun ein Programm dafür aus dem Internet.
Die Staatsanwaltschaft unterstrich zudem die Anklage der Gläubigerbevorzugung im Fall der KPMG. Die Mitarbeitenden des Beratungsunternehmens hätten im Wissen um den drohenden Nachlass «mit allen Mitteln» versucht, zu ihrem Geld in Höhe von rund 28 Mio. Franken zu kommen.
swissinfo und Agenturen
Der Prozess vor dem Bezirksgericht Bülach hat am 16. Januar begonnen und dauert bis am 9.März.
Die Einvernahme der 19 Angeschuldigten wurde am 5. Februar abgeschlossen.
Die Verhandlungen in der 1500 Personen fassenden Stadthalle Bülach sind öffentlich.
Ab 15. Februar erfolgen die Anklage der Staatsanwaltschaft und die Plädoyers der Verteidigung.
Der Zeitpunkt der Urteilsverkündung steht noch nicht fest.
Die Anklageschrift umfasst 100 Seiten. Die Akten füllen 4150 Aktenordner.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat in 40’000 Arbeitsstunden mehr als 300 Personen einvernommen und 20 Hausdurchsuchungen veranlasst.
Eine erste Version der Anklageschrift vom 30. März 2006 hat das Gericht wegen Mängeln zurückgewiesen. Die überarbeitete Anklageschrift liegt seit dem 31. Dezember 2006 vor.
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