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Apartheid: Schweiz soll Mitverantwortung tragen

Schwarze in Südafrika leiden bis heute unter den Folgen der Apartheid. Keystone

Die Schweiz solle Opfer des ehemaligen Apartheid-Regimes in Südafrika entschädigen, verlangen Persönlichkeiten in einem offenen Brief an den Bundesrat.

Sie wollen Druck aufsetzen, da die Regierung nicht auf einen Bericht über die Kooperation der beiden Länder reagiert habe, der vor einem Jahr erschienen ist.

Die Schweiz habe eine unterstützende Haltung gegenüber dem Apartheidregime gehabt, schreiben 268 Schweizer Persönlichkeiten und 17 Organisationen aus Politik, Kultur, Wissenschaft, Kirche und Entwicklungs-Zusammenarbeit in einem offenen Brief an den Bundesrat, die Schweizer Regierung.

Initiantin ist die Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im Südlichen Afrika (KEESA). Unter den Unterzeichnern befänden sich etliche National- und Ständeräte der Sozialdemokraten (SP), teilte die Kampagne am Donnerstag mit.

Mit ihrer Kooperation mit Pretoria habe die Schweiz dazu beigetragen, dass Mord und Entführungen sowie Vergewaltigungen, Zwangsumsiedlungen, Folter und Repression und weitere staatlich legitimierte Verletzungen der Menschenrechte so lange andauerten, hiess es.

Weiter kritisieren die Unterzeichnenden, dass die Schweiz sich den internationalen Sanktionen gegen Südafrika nicht angeschlossen hatte. Der Brief ist dem Bundesrat exakt ein Jahr nach Publikation des Schlussberichtes eines Nationalen Forschungsprogramms über die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika zugestellt worden.

Dunkles Kapitel

Der unter Leitung des Basler Historikers Georg Kreis verfasste Bericht sprach von einem «dunklen Kapitel der Schweizer Vergangenheit». Die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit der Schweiz mit der Apartheidregierung Südafrikas sei weitaus intensiver gewesen als zuvor angenommen.

Die Kontakte zwischen Wirtschaft, Militär und Geheimdienst der beiden Länder seien in den 1980er-Jahren am intensivsten gewesen, als die Menschenrechtsverletzungen der weissen Minderheitsregierung den Höhepunkt erreichten. Und die schweizerische Nichtteilnahme an den internationalen Sanktionen habe das Apartheidregime gestärkt.

Der Bundesrat habe bisher zu den Resultaten der Forschung keine Stellung bezogen, schreibt die KEESA. Gegenüber den Apartheidopfern müsse die Landesregierung jetzt die Verfehlungen und das mitverantwortete Leid anerkennen und sich dafür entschuldigen.

Schritt zur Wiedergutmachung

Auch sollten die Apartheidopfer eine substanzielle Entschädigung erhalten, wie es durch Rechtsprechung internationaler Gerichtshöfe für Menschenrechte in ähnlichen Fällen geschehen sei. Das wäre ein Schritt zur Wiedergutmachung sowie zur Bekämpfung der durch die Apartheid bedingten und anhaltenden Armut und Arbeitslosigkeit in Südafrika.

Vor vier Jahren hatten Apartheidopfer in den USA Sammelklagen wegen Beihilfe und Unterstützung der Apartheid gegen ausländische Banken und Unternehmen eingereicht. Unter den Beschuldigten sind unter anderen die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse. Der Fall ist derzeit vor einem New Yorker Berufungsgericht noch hängig.

Auf den Ausgang dieses Verfahrens wartet auch der Bundesrat. Im vergangenen März hatte er erklärt, bevor der Entscheid in den USA bezüglich der Sammelklagen gefallen sei, gebe er zum Forschungsbericht über die Beziehungen Schweiz-Südafrika keine Stellungnahme ab.

swissinfo und Agenturen

Ziel des NFP 42+ war die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen für eine Beurteilung der schweizerischen Südafrika-Politik zur Zeit der Apartheid (1948-1994).
Das vom Bundesrat mit 2 Mio. Fr. dotierte Programm umfasst zehn Studien zu wirtschaftlichen, rechtlichen, politologischen und historischen Fragestellungen.
Mit der Arbeit wurde ein Team von 40 Forschenden unter der Leitung des Historikers Georg Kreis beauftragt.
Das NFP 42+ wurde im Jahr 2000 im Auftrag des Bundes lanciert und ist nun abgeschlossen.

Während des Apartheid-Regimes gehörte die Schweiz zu den wenigen Ländern, die ihre Beziehungen zu Südafrika kaum einschränkten. Am intensivsten waren ihre Beziehungen zu Südafrika ausgerechnet in den 1980er-Jahren, als Repression und Menschenrechts-Verletzungen des Apartheid-Staates einen Höhepunkt erreichten.

Dies belegen Untersuchungen des Nationalen Forschungsprogramms «Beziehungen Schweiz-Südafrika» (NFP 42+). Einbezogen wurden auch Akten, die in Südafrika selbst gefunden wurden und das heikle Kapitel der militärischen, rüstungs- und nukleartechnischen Verbindungen zwischen den beiden Ländern erhellen.

Der Schlussbericht hätte im Frühjahr 2004 publiziert werden sollen. Die Arbeiten kamen allerdings ins Stocken, als der Bundesrat im April 2003 eine Aktensperre verhängte. Angesichts drohender Sammelklagen aus den USA wollte er eine allfällige internationale Benachteiligung schweizerischer Unternehmen verhindern.

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