Araber kommen nach Genf
Genf, schon lange Anziehungspunkt für reiche Araber, rechnet nach den Anschlägen vom vergangenen 11. September in diesem Jahr mit noch mehr Besuchern aus der Golf-Region.
«Wir haben dieses Jahr eine deutliche Zunahme von Gästen aus dem arabischen Raum, insbesondere aus Saudi-Arabien», erklärt Eric Kuhne, Chef der Genfer Hotelier-Vereinigung. «Und für August und September erwarten wir nochmals einen Aufschwung.»
Auswirkungen des 11. September
Der Tourismus aus dem arabischen Raum in der Rhonestadt ist traditionell im Sommer am grössten. Zur Spitzenzeit, während des Stadtfestivals (Fête de Genève) reisten seit Jahren normalerweise fast auf einen Schlag gegen 10’000 Gäste aus den Golf-Staaten nach Genf.
«Wir rechnen dieses Jahr mit einem 100% Zuwachs», sagt Kuhne, Generalmanager im Hilton-Noga, gegenüber swissinfo. Das Noga-Hilton gehört unter den arabischen Touristen zu den beliebtesten Hotels der Stadt.
Ein Grund, wieso in diesem Jahr noch mehr arabische Touristen den Weg an den Genfersee finden, dürfte der Besuch des saudi-arabischen Königs Fahd sein. Er reiste erstmals seit mehr als 20 Jahren in die Gegend, die schon immer zu seinen beliebtesten Destinationen im Ausland gehörte.
Doch gibt es kaum Zweifel, dass vor allem die Ereignisse vom 11. September und was darauf folgte, die Reisepläne der Menschen in der Golf-Region beeinflussten. «Was Tourismus angeht, sind die USA für dieses Jahr praktisch ausgeschlossen», sagt Kuhne dazu.
Stabile Schweiz
Die Tourismus-Verantwortlichen in Genf machten sich dies zu Nutzen. Und rührten im Frühjahr in der Golf-Region offensiv die Werbetrommel für Ferientage in Genf.
«Die Golf-Region ist für uns ein wichtiger Markt. Wir machen dort jedes Jahr eine Werbe-Kampagne, doch verstärkten wir heuer unsere Bemühungen noch», sagt der Chef der Marketing-Abteilung, Beat Dreyer.
«Wir wussten, dass die Bevölkerung in der Region nach alternativen Reisezielen Ausschau hielt. So versuchten wir es mit der Botschaft, dass die Schweiz ein sicheres und stabiles Land sei, in dem sie willkommen sind. Wir unterstrichen, dass sich daran auch nach dem 11. September nichts geändert hat», sagt Dreyer weiter.
Vor dem Ende der Sommersaison werde man jedoch nicht sagen können, ob die Zahl der Logiernächte von Gästen aus dem arabischen Raum tatsächlich bedeutend angestiegen sei, heisst es bei Genf Tourismus weiter.
Wie schon gesagt, Genf hat seit Jahren eine konstante Gästeschar aus dem arabischen Raum. Sie sind eine willkommene Einkommens-Quelle – nicht nur für die Luxus-Hotels, wo im Sommer weniger Geschäftsleute anklopfen, sondern auch für die Genfer Geschäfte und Läden.
Potente Kaufkraft
Die Gäste aus dem arabischen Raum machen im Schnitt zwar nur rund fünf Prozent aller Touristen aus – zehn Prozent im Sommer. Sie geben aber unverhältnismässig viel mehr Geld aus. Für Uhren-, Juwelier- und Mode-Geschäfte könnte der Sommer also zur Goldgrube werden.
Viele der Reichen und Mächtigen, darunter der Päsident der Arabischen Emirate, Scheich Sayed, verbringen Jahr für Jahr für einige Wochen in Genf. Und viele reisen mit riesigen Entouragen an.
Der saudi-arabische König Fahd, der Genf diesen Sommer zum ersten Mal besucht, seit er den Thron bestiegen hat, lebt im noblen Genfer Vorort Collonge-Bellerive. Dort besitzt er eine palastähnliche Villa, in der auch zahlreiche seiner Bediensteten untergebracht sind.
Doch obschon der weisse Marmor-Bau riesig ist, reicht er nicht aus für die ganze Entourage von König Fahd. Viele der saudischen Funktionäre und deren Familien, die den Herrscher ins Ausland begleiten, sind in den Fünf-Stern-Hotels in Genf untergebracht.
«Der Besuch von König Fahd in Genf hat uns eine Menge Gratis-Werbung eingebracht», sagt Beat Dreyer von Genf Tourismus in dem Zusammenhang.
Nicht nur Monarchen
Doch neben der blaublütigen Klientel möchten die Tourismus-Verantwortlichen auch gewöhnliche arabische Touristen anziehen. Um diese bemüht man sich nun besonders, denn sie sind potentielle Kundschaft für die Vier- und Drei-Stern-Hotels in Genf.
«Wir wollen, dass die Leute sehen, dass Genf auch für normale Menschen erschwinglich ist, nicht nur für die Reichen», sagt Dreyer. So gebe es ein Sonderangebot für Reisende aus der Golf-Region: eine Woche Schweiz ab 399 Dollar.
Rund 75 Prozent der arabischen Gäste in der Schweiz besuchen die Region am Genfersee. Neben Genf selber gehören Montreux und Lausanne zu den beliebten Zielen. Sehr viele Gäste aus der Golf-Region kommen auf die «Fête de Genève» hin in die Schweiz; das Festival mit seinen extravaganten Feuerwerken ist unter den Arabern ein wahrer Hit.
Seit rund 50 Jahren
Genf hatte sich in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Tummelfeld der herrschenden Elite der Arabischen Halbinsel entwickelt. Nach der Ölkrise der 70er Jahre folgten dann auch reicher gewordene Untertanen. Genf wurde sozusagen zur Pilgerstätte für jene, die selber den Lebensstil erfahren wollten, den ihre Herrscher genossen.
Auch wenn unterdessen andere Destinationen wie die französische Riviera oder die spanische Costa del Sol zu Rivalen für Genf wurden, hat die Schweizer Stadt für die Monarchien der Golfstaaten noch immer eine besondere Anziehungskraft.
Genf ist nicht nur ein Geschäfts- und Einkaufs-Paradies. Die Stadt ist auch politisch neutral, sicher und ruhiger als etwa Paris und London. Und vermehrt lassen sich die reichen Familien aus der Golf-Region auch medizinisch in der Schweiz betreuen.
Roy Probert
Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch
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