Arm aber glücklich in die Champions League
Das Thuner Budget ist im Vergleich zu den anderen beteiligten Mannschaften lächerlich klein. Der Sponsor ist für 300'000 Franken aber weitherum präsent.
Frutiger, eine Baufirma mit Sitz in Thun, hat dem zahlreichen Fussball-Publikum jedoch nichts zu verkaufen. Ihr Sponsoring zeigt ihre grosszügige Ader auf.
Damit gleich alles klar ist: Das Jahresbudget des FC Thun ist 5,5 Mio. Franken, dasjenige Arsenals, des heutigen Gegners in der Champions League, 264 Millionen!
Mit seinen 2004 erzielten Einkünften könnte David Beckham, Star von Real Madrid, sechs Fussballvereine mit dem Budget des FC Thun finanzieren.
Der Lohn des Fussballstars bewegt sich um die 10 Mio. Franken, der Rest seiner Einkünfte kommt von seinem Sponsor und aus Werbeverträgen. Spitzenfussball ist ein Geschäft und das zählt mehr als die Begeisterung und die Liebe zum Sport.
Die Werbefläche auf den Fussballertrikots der Teams, die in der Champions League sind, werden für Millionen verkauft. Verständlich, wenn man daran denkt, dass der Wettbewerb im letzten Jahr von rund 3,6 Mrd. Personen verfolgt wurde.
Im Sponsorenfeld bewegen sich Namen wie Opel (Milan), Siemens (Real Madrid) oder Vodafone (Manchester United). Alles Firmen mit Milliardenumsätzen, die daran interessiert sind, ihre Produkte dem Fussballpublikum zu verkaufen.
Wer oder was ist Frutiger?
Auf den Leibchen der Thuner prangt der Schriftzug Frutiger. Die Marke sagt auch den Schweizern nicht viel – ausser jenen, die sich in der Baubranche bestens auskennen.
Das 1869 gegründete Familienunternehmen Frutiger gräbt Tunnels, baut Strassen und öffentliche Gebäude. Es ist auf grosse Projekte spezialisiert. «Wir sponsern Thun nicht, weil wir auf neue Geschäfte hoffen», erklärt Direktionsmitglied Fritz Haldimann. «Wir verkaufen nämlich weder Handys noch Hot dogs».
Die 300’000 Franken, die Frutiger dem Thuner Team zahlt, (das sind 10 Tageslöhne von David Beckham) haben für die Firma trotzdem einen positiven Effekt. «Die Zusammenarbeit mit Thun hat uns viele Sympathien gebracht,» sagt Haldimann.
«Überdies hilft es, die Motivation des Personals zu erhöhen. Das letzte Qualifikationsspiel zur Champions League haben rund tausend Angestellte der Firma im Stadion mitverfolgt.»
Für die Region
«Als wir vor neun Jahren mit der Unterstützung von Thun begannen, war die Mannschaft dabei, in die Challenge League (frühere Nationalliga B) aufzusteigen,» so Haldimann. Niemand hätte damals im Traum daran gedacht, dass Frutiger eine Mannschaft unterstütze, die eines Tages an einem prestigeträchtigen und lukrativen europäischen Klub-Wettbewerb teilnehmen würde.
Beim Sponsoring von Thun sei es darum gegangen, etwas für die Region Berner Oberland zu tun. «Diese Mannschaft hat rund 400 Jugendliche in der Juniorenabteilung», unterstreicht Haldimann. Das interessiert die ganze Region. Zudem sind viele unserer Mitarbeitenden auf die eine oder andere Art mit dem Verein verbunden.»
Im Europa der Reichen
Eine Fussballmannschaft mit europäischen Ambitionen kostet Einiges. Das Budget von Thun erlaubt keine grossen Sprünge. Jetzt aber haben sich die Thuner für die Finalrunde der Champions League qualifiziert, und das spült auf einen Schlag 7,5 Mio. Franken vom Europäischen Fussball-Verband UEFA in die Vereinskasse.
Thun muss aber auch angesichts dieses Geldsegens aufpassen, dass seine Spieler nicht abwandern. Der letzte Abwanderer, Pallas, hat Thun Richtung 2. deutsche Bundesliga verlassen, wo er das Vierfache verdienen wird.
Jemand hat die Idee lanciert, die Werbefläche auf den Leibchen in den CL-Partien zu verkaufen, gerade weil der Nutzen für den «lokalen Player» Frutiger so minim ist.
Diese Idee fand in Thun allerdings nicht viele Befürworter. «Wir arbeiten schon seit Jahren mit dieser Mannschaft. Es ist selbstverständlich, dass wir nun auch in der Stunde des Triumphs präsent sein möchten,» sagt Haldimann. Zudem erlaubten es die UEFA-Richtlinien nicht ohne weiteres, den Sponsor einfach zu wechseln.
Der Sponsor kommt an seine Grenzen
Wie das in Zukunft gehandhabt wird, wird sich weisen. Frutiger erneuert seinen Vertrag mit dem FC Thun von Jahr zu Jahr. «Wir wollen nicht riskieren, dass unser Name mit etwas Negativen in Verbindung gebracht wird.
Haldimann weiter: «Ich spreche nicht von Sportresultaten, sondern von anderen Problemen. Das ist eine Möglichkeit, ein wenig Druck auf den Verein auszuüben. Wir wollen ihn anhalten, auf seine Finanzen zu achten und sich in der Legalität zu bewegen.»
Wenn man die vergangenen Bankrotte von Lugano, Lausanne und Servette betrachtet, ist die Vorsicht von Frutiger verständlich. Um einen Kategoriensprung zu machen, muss Thun allerdings einen substanziellen Sprung nach vorne machen.
Vielleicht könnte ein zweiter Hauptsponsor Abhilfe schaffen. «Wir haben Grenzen», weiss Haldimann. «Und die Mannschaft weiss das.»
swissinfo, Doris Lucini
(Übertragung aus dem Italienischen: Etienne Strebel)
Die Baufirma Frutiger mit Sitz in Thun befindet sich in Familienbesitz. Gegründet wurde sie 1869, heute befindet sie sich in den Händen der Cousins Luc und Thomas Frutiger.
Im Jahr 2004 erzielte die Firma einen Umsatz von 419 Mio. Franken.
Frutiger, Hauptsponsor des FC Thun, unterstützt den Klub jährlich mit 300’000 Franken.
Andere Sponsoren in der Champions League:
Opel (Milan) 22 Mrd. Franken Umsatz
Siemens (Real Madrid) 116,9 Mrd.
Deutsche Telekom (Bayern München) 99,3 Mrd.
Vodafone (Manchester United) 81,1 Mrd.
Thun klassierte sich in der Schweizer Meisterschaft in der letzen Saison auf Platz 2. In der Vorrunde der Champions League schaltete die Mannschaft Dynamo Kiew und Malmö aus.
Die Mannschaft, mit einem Budget von 5,2 Mio. Franken (400’000 davon werden in die Nachwuchsarbeit investiert) trifft in der nächsten Runde der Champions League auf Arsenal (14.9. in London, 22.11 in Bern), Ajax (18.10. in Amsterdam, 2.11. in Bern)und Sparta Prag (27.9. in Bern, 2.12. in Prag).
Die internationalen Begegnungen kann die Mannschaft im neuen Stade de Suisse in Bern austragen, Das Stadion der 42’000 Bewohner zählenden Stadt Thun im Berner Oberland ist viel zu klein.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch