Asylgesetz: Anpassung an europäisches Recht
Das Schweizer Asylrecht soll an die Entwicklungen in der Europäischen Union angeglichen werden. Mit der Revision des Asylgesetzes sollen besonders Missbräuche besser verhindert werden.
Weil verschiedene linke und kirchliche Komitees das Referendum gegen die Vorlage eingereicht haben, kommt die Gesetzesrevision am 24. September an die Urne.
Die Schweiz hat eine über hundertjährige humanitäre Tradition. Der Schutz von verfolgten Personen ist seit 1979 im Asylgesetz festgeschrieben. Dieses soll nun zum achten Mal revidiert und die Asylgesetzgebung mit diversen Änderungen an das europäische Recht angepasst werden.
Verschiedene Massnahmen sollen verschärft werden, um Missbräuche im Asylwesen besser bekämpfen zu können. Die humanitäre Tradition der Schweiz soll dabei erhalten bleiben: Verfolgte sollen weiterhin Schutz geniessen.
Im Zentrum des revidierten Asylgesetzes stehen drei Verschärfungen, die hauptsächlich den Missbrauch des Asylrechts eindämmen sollen, sowie die Besserstellung von vorläufig aufgenommenen Personen.
Amtliche Papiere nötig
Das revidierte Asylgesetz sieht vor, dass Asylbewerber, die keine Identitätspapiere vorweisen, einen Nichteintretens-Entscheid erhalten.
Auf dieses beschleunigte Verfahren wird nur verzichtet, wenn die Gesuchsteller das Fehlen der Papiere glaubhaft begründen können oder die Flüchtlings-Eigenschaft offensichtlich erfüllen.
Zur Identifizierung muss ein Reisedokument oder ein amtliches Dokument vorgelegt werden. Anders als bisher reichen Schulzeugnisse oder Fahrausweise nicht mehr, damit ein Asylgesuch im ordentlichen Verfahren behandelt wird.
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Referendum
Sozialhilfestopp und Zwangsmassnahmen
Zweitens soll den nach einem negativ verlaufenen Asylverfahren Abgewiesenen die Sozialhilfe gestrichen werden. Sie können nur noch Nothilfe beantragen. Heute ist dies erst bei einem Nichteintreten der Fall.
Schliesslich sieht das revidierte Asylgesetz Zwangsmassnahmen wie eine längere maximale Ausschaffungshaft vor. Wer einen Wegweisungsentscheid erhalten hat und sich gegen die Ausreise sträubt, soll bis zu zwei Jahre inhaftiert werden können (Durchsetzungshaft).
Besserstellung vorläufig Aufgenommener
Personen, die voraussichtlich länger in der Schweiz bleiben dürfen, so genannt vorläufig Aufgenommene, sollen dagegen eine bessere Stellung erhalten.
Im revidierten Gesetz vorgesehen ist, dass diese einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten und die Möglichkeit, ihre Familie nach drei Jahren nachzuziehen.
Pro und Kontra
«Das revidierte Asylgesetz wird den bisherigen Missbrauch verhindern», erklärt der Zürcher Nationalrat Ueli Maurer, Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der die Gesetzesrevision an vorderster Front vertritt.
«Wir sehen ganz gezielte Massnahmen vor, um alle Leute, die eigentlich illegal bei uns einreisen und hier bleiben möchten, in Zukunft rascher ausweisen zu können», sagt er im Gespräch mit swissinfo.
Die Berner Nationalrätin Ursula Wyss, Vizepräsidentin der Sozialdemokratischen Partei (SP), kämpft in einem Komitee gegen die Vorlage. «Das Gesetz bekämpft den Missbrauch leider nicht», sagt sie.
Problem Kriminalität
«Es schafft zusätzliche Probleme, vor allem in den Städten, indem es die Leute in die Kriminalität, in die Illegalität zwingt.» Zudem befürchtet Wyss, dass echte Flüchtlinge mit dem revidierten Gesetz weniger Chancen haben, aufgenommen zu werden.
«Die echten Asylbewerber werden auch in Zukunft auf ein faires Verfahren zählen dürfen», betont Maurer. Doch viele Menschen würden in die Schweiz kommen, «um hier kriminell zu werden. Sie wollen sich nicht integrieren. Und dem müssen wir einen Stopp setzen».
Wyss ist jedoch der Meinung, das Strafgesetz genüge, um gegen kriminelle Asylsuchende vorzugehen. «Aber dass Leute, nur weil sie keinen Pass haben, bis zu zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt werden, das ist nicht nur ein Unsinn, das ist auch ökonomisch wahnsinnig teuer.»
Volksmehr entscheidend
Weil es sich bei der Vorlage um ein Gesetz respektive ein Referendum dagegen handelt, ist am 24. September 2006 einzig das Volksmehr ausschlaggebend.
Bei einer Annahme der Vorlage tritt das revidierte Asylgesetz voraussichtlich am 1. Januar 2008 in Kraft. Einige Bestimmungen wie die Zwangsmassnahmen könnten bereits ab Anfang 2007 per Verordnung eingeführt werden.
swissinfo, Christian Raaflaub
Nichteintretens-Entscheid bei fehlenden Ausweispapieren:
Reise- oder Identitätspapiere müssen abgegeben werden, um die Identität nachzuweisen. Echte Flüchtlinge erhalten auch ohne Papiere weiterhin Asyl.
Sozialhilfestopp:
Abgewiesene Asylsuchende erhalten nur noch Nothilfe.
Zwangsmassnahmen:
Werden zur Sicherstellung der Ausreise generell verschärft. Dazu gehört die vom Parlament beschlossene Durchsetzungshaft.
Vorläufige Aufnahme:
Vorläufig Aufgenommene erhalten einen erleichterten Zugang zu Arbeit und können nach drei Jahren die Familie nachziehen.
Härtefall-Regelung:
Die Möglichkeiten für eine Härtefall-Regelung bei Personen mit abgelehntem Asylgesuch werden erweitert.
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