Auf zu Schweizer Grenzbegehung in 100 Tagen
John Harlin III, der Star des IMAX-Films "Die Alpen", ist für ein weiteres Abenteuer zurück in der Schweiz: Im Alleingang will er die Schweiz auf der Landesgrenze umwandern, eine Herausforderung, die sogar die Besteigung des Eigers einfach erscheinen lässt.
«Rund 2000 Kilometer sind es», sagt Harlin und blickt auf die vor sich ausgebreitete Landeskarte. «Wenn man aber alle Auf- und Abbewegungen berücksichtigt, sind es wohl mehr.»
Der ausgewiesene Alpinist und Autor ist am Mittwoch zu einer dreimonatigen Odyssee auf der Landesgrenze rund um die Schweiz aufgebrochen.
Die Idee ist, sich nicht mehr als einen «Steinwurf» von der Grenzlinie zu entfernen. Ab und zu wird Harlin runtersteigen müssen, um sich Vorräte zu beschaffen.
Die Herausforderungen sind gigantisch: Über 4000 Meter hohe Gipfel, runter ins Rheintal und Wochen später über den Kamm des Jura. Ausgangspunkt für das Abenteuer im Gegenuhrzeigersinn ist St-Gingolph im Kanton Wallis.
«Am meisten zu Hause fühle ich mich in den Bergen, und die Schweiz ist die Heimat der Berge», sagt er. «Ich wollte dieses Projekt schon seit langem realisieren.»
Auf seiner Tour um die Schweiz will Harlin andere Alpinisten, Wissenschafter, Historiker und weitere Leute treffen und sich deren Geschichten anhören, um sich ein sorgfältiges und nuanciertes Bild über das Land zu machen über die geografischen, politischen und kulturellen Linien, welche es zusammenhalten.
Interessierte können Harlins Tour auf der englisch-sprachigen Seite von swissinfo.ch verfolgen. Der US-Alpinist ist mit drei Smart-Phones, Solar-Ladegeräten sowie einer HD-Kamera ausgerüstet, um täglich Berichte, Bilder und Kurzvideos – alle mit geografischen Koordinaten versehen – zu übermitteln. Die Leserschaft weiss immer, wo genau die Bilder aufgenommen wurden.
«John ist der beste Botschafter für die Schweiz, den man sich vorstellen kann», sagt Roland Baumgartner von Schweiz Tourismus. «Seine Berichte werden potentielle Gäste davon überzeugen, einige Tage in dieser herrlichen Landschaft zu verbringen. Es muss ja nicht gerade die Besteigung des Dent d’Hérens oder des Matterhorns sein, es darf auch eine Eisenbahnfahrt zum Gornergrat sein.»
Ein gutes Abenteuer
Dem 54-jährigen Harlin sind weder Herausforderungen noch die Schweiz fremd, wie das Jahr 1966 zeigt – für ihn ein Schicksalsjahr.
Seine Geschichte wurde in einem Buch und dem IMAX-Film «Die Alpen» festgehalten, der zurückgeht auf Harlins Kindheit im waadtländischen Leysin.
Seiner Mutter wurde dort in den frühen 1960er-Jahren ein Job an der Internationalen Schule angeboten, während sein Vater John für die US-Luftwaffe in Deutschland stationiert war. Vater John war zudem berühmt für seine waghalsigen Gipfelbesteigungen in den Alpen.
«Wir erhielten einmal eine Postkarte, die an ‹Eiger-John, Schweiz› adressiert war», erzählt Harlin. «Als Knabe war es für mich ein Traum, hier zu leben. Dad wollte mich aufs Matterhorn mitnehmen, aber daraus wurde nichts.»
Als Harlin neun Jahre alt war, befand sich sein Vater auf der schwierigsten Route durch die Eigernordwand, als das Seil riss und er tödlich verunglückte. Einige Jahrzehnte später kehrte Sohn John mit einem Filmteam dorthin zurück und durchquerte die Nordwand auf der gleichen Route. Der Film wurde ein Erfolg.
Während das Filmprojekt auch Nachstellungen beinhaltet, ist die Expedition entlang der Schweizer Grenze zu hundert Prozent real. «Ich freue mich darauf, eine Geschichte zu erzählen, die nicht so persönlich ist. Es ist einfach ein gutes, solides Abenteuer», sagt John Harlin.
Schnell und leicht
Die Schweiz-Umrundung erfordert einiges an Vorbereitung. Zum Gepäck, das laut Harlin «äusserst leicht» sein muss, gehören Steigeisen, Eispickel, ein ultraleichtes Zelt, ein Camping-Kocher und viel elektronische Ausrüstung.
«Bevor ich in die Schweiz kam, trainierte ich in den Bergen hinter meinem Haus in Mexiko. Ich kletterte auf 3000 Meter Höhe und fühlte mich ziemlich stark. Dann schnallte ich mir 35 Pfund Gepäck um – und plötzlich brauchte ich doppelt so viel Zeit für die gleiche Strecke.»
Zudem muss Harlin auch geduldig sein, denn die Zeit ist nicht sein Freund. Stürme werden toben, die Vorräte ausgehen, die Nacht einbrechen. Er dürfte ab und zu einen Tag verlieren, weil er sich im Tal seine Lebensmittel- und Wasservorräte aufstocken muss.
Obwohl John Harlin ein erfahrener Bergsteiger und Abenteurer ist, dürfte ihn das Schweiz-Projekt ziemlich fordern: So zum Beispiel im Bergell zwischen Italien und der Schweiz, wo er exponierte Gipfel durchklettern muss.
Oder eine frustrierende Grenzziehung bei Schaffhausen, die ihn zu Umwegen zwingt. Oder die Sprache: Harlin hat sein Deutsch vergessen, und sein Französisch wurde vom Spanischen verdrängt.
Am Härtesten trifft ihn aber die monatelange Trennung von seiner Frau und seiner 14-jährigen Tochter. «Dies gaben sie mir mit», sagt er und öffnet eine kleine wasserdichte Dose, gefüllt mit Dutzenden kleiner Zettel.
«Sie sind numeriert. Einer für jede Woche, die ich unterwegs bin.» Er kann nicht warten und öffnet den ersten. Darauf steht genau das, was ein Vater und Gatte hören will.
«Es wird Spass machen», sagt Harlin und meint es auch so.
Tim Neville, Leysin, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
Die modernen Schweizer Grenzen gehen durch sprachliche, konfessionelle und geografische Regionen hindurch.
Die Periode von 1798- 1815 erlebte manche Veränderung.
1798 wurden die Städte Genf und Mülhausen Frankreich zugeschlagen.
1802 wurde das Wallis von der Helvetischen Republik losgelöst. Während einigen Jahren war das Wallis unabhängig, 1810 machte es Napoleon zu einem Teil Frankreichs.
Mit der Einverleibung des Wallis hatten die Franzosen zwei wichtige Pässe in der Hand: den Simplon und den Grossen St. Bernhard. Sie mussten nicht mehr Schweizer Territorium durchqueren.
Die Schweiz verschaffte sich auch einige Territorien: das vormalige österreichische Fricktal am Rhein, östlich von Basel.
Die Franzosen eroberten 1799 das Tal, machten es aber 1802 als separaten Kanton zu einem Teil der Helvetischen Republik.
Schliesslich wurde das Fricktal zu einem Teil des neuen Kantons Aargau, wozu es bis zum heutigen Tag gehört.
Graubünden gehörte 1799-1800 abwechslungsweise den Österreichern und den Franzosen. Schliesslich erhielten die Franzosen Oberhand, und Napoleon machte Graubünden zum 16. Kanton der Schweiz. Teile des alten Kantons gehören zum heutigen Italien.
(Quelle: swissworld.org)
Weil es an der Schweizer Grenze zu den südlichen Nachbarländern so viel Eis und Felsen hat, wird nach Ansicht von Forschern der Klimawandel aussergewöhnliche Auswirkungen haben.
Rund 10% der 750 km langen Grenze zwischen der Schweiz und Italien, traditionell markiert mit Vermessungspunkten auf einem Grat zwischen den beiden Ländern, werden vom Klimawechsel betroffen sein, weil das Schmelzen des Eises die Form des Grates verändern wird. An einigen Stellen rechnen die Behörden mit einer Gratverschiebung von bis zu 100 Metern.
Die Grenze wurde von den Behörden ursprünglich aufgrund von Texten errichtet. Jetzt müssen sie gemäss geografischen Koordinaten bestimmt werden. Bei der Verschiebung von Gletschern hätte die Grenze verschoben werden müssen, was aber bis heute nicht geschah.
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