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Ayoba – Südafrika hat trotz frühem Aus gewonnen

Trotz dem frühen Aus der südafrikanischen Nationalmannschaft hat das Land einen Monat lang mit dem Klang der Vuvuzelas gelebt. Keystone

Am Sonntag spielen Spanien und die Niederlande um die goldene Trophäe des Fussball-Weltmeisters. Schon vor dem abschliessenden Höhepunkt fällt die Bilanz für Gastgeber Südafrika erfreulich aus, trotz des frühen Aus seines Teams auf dem Rasen.

Was wurde nicht alles schwarz gemalt vor der WM im Land des ehemaligen Apartheid-Staates, der ersten auf afrikanischem Boden: Hohe Kriminalität, mangelnde Sicherheit, chaotische Organisation, schlechtes Transportsystem, keine Zuschauer, hatten Miesmacher geunkt.

Doch schon vor Ablauf des einmonatigen grössten Sportanlasses der Welt sehen sich die Kritiker eines besseren belehrt: Reibungslose Organisation, begeisternde Gastfreundschaft und viel Publikum drückten der WM am Kap den Stempel auf. Und dies trotz frostiger Temperaturen. Die Pannen, die es an allen Endrunden gibt, fielen nicht ins Gewicht.

«Ayoba!», können die Südafrikanerinnen und -afrikaner stolz rufen. Das Motto über der WM, ein Ausruf aus den Townships, den man auf Neudeutsch mit «supercool!» oder ähnlich übersetzen kann, hat sich bewahrheitet.

Skepsis bei Zahlen

Im Juni reiste über eine Million Besucher ins Land, ein Viertel mehr als im letzten Jahr, wie der Innenminister meldete. Danny Jordan, der Chef der WM-Organisatoren, freut sich über mehr als drei Millionen Fans, die in die Stadien pilgerten.

Derweil betonte Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma, dass die Ausgaben von gut 4,5 Mrd. Franken in Form von Investitionen zu grossen Teilen wieder eingespielt werden. In Zahlen ausgedrückt: Die WM soll das Bruttoinlandprodukt (BIP) der südafrikanischen Wirtschaft um nicht weniger als vier Prozent beflügeln.

Hier wäre die andernorts unberechtigte Skepsis wohl eher angebracht, leben doch 43% der Bevölkerung Südafrikas unterhalb der Armutsgrenze.

Herzlicher Empfang

Dabei lässt sich das, was in der Erinnerung der Besucherinnen und Besucher haften bleibt, gar nicht in Geldbeträgen und Wachstumsraten beziffern. Yves Débonnaire, Trainer der Schweizer U16-Nationalmannschaft, ist «überwältigt von der Freundlichkeit der einheimischen Bevölkerung gegenüber den Besuchern».

Claude Ryf, der die Schweizer U17-Fussballer betreut, pflichtet seinem Kollegen uneingeschränkt bei: «Die Südafrikaner haben bewiesen, dass sie sehr glücklich sind, sich als WM-Gastgeber der Welt präsentieren zu können.»

Daniel Burkhalter vom Radio und Fernsehen der Westschweiz zeigt sich vor allem von der Ruhe und der friedlichen Stimmung beeindruckt, welche die Stadien umgab.

«Vor der WM erhielten die Journalisten eine DVD mit Ratschlägen, wie sie sich vor der in Südafrika herrschenden Kriminalität hüten sollten. Beim Betrachten der DVD hatte ich ein wenig Angst. Aber während meines gesamten Aufenthalts hatte ich nie das geringste Gefühl der Beunruhigung», so Burkhalter.

Zwar wurden einige Diebstähle gemeldet. Aber gerade auch die 40’000 zusätzlichen Polizeikräfte machten die WM zu einer sicheren Grossveranstaltung.

Sterile Atmosphäre, allseits bekannt

Der Neuenburger Pascal Holliger, Gründer der Organisation Imbewu, die sich auf Entwicklungsprojekte konzentriert, in deren Zentrum Sport steht, spricht von einem schönen Fest in den Städten Johannesburg, Durban sowie am Kap. «In anderen Städten war die Stimmung etwas klinisch, weil die Fifa alles kontrollierte.»

Nebenbei: An der Euro 2008, die in der Schweiz und Österreich unter der Ägide der Uefa stattfand, war dies nicht anders.

Die Fanzonen bucht Holliger als Misserfolg ab, wegen ihrer falschen Standorte. «Sie lagen ausserhalb der Townships, den Orten, wo das Herz des südafrikanischen Fussballs schlägt».

Weit weg von den Townships

Zwei Faktoren jedoch konnten auch die erfolgreichen WM-Organisatoren nicht verhindern: Das frühe Aus der eigenen Mannschaft sowie die überaus frostigen Temperaturen, die im südafrikanischen Winter herrschen.

«Nach der Elimination der Bafana Bafana unterstützten alle Südafrikaner, auch die weissen, die anderen afrikanischen Mannschaften, insbesondere Ghana», lobt Daniel Burkhalter.

Regenbogennation zusammengerückt

Für Pascal Holliger ist zentral, dass auch dieses andere, arme Südafrika mit der WM in Berührung kam. Im Vorfeld des Spiels Schweiz gegen Chile besuchten Vertreter des Schweizerischen Fussballverbands sowie der – verletzt ausgefallene – Verteidiger Philippe Senderos ein Township. Dort trafen sie mit Kindern und Jugendlichen zusammen, die an einem Imbewu-Programm teilnahmen.

«Es war wichtig, dass die Teilnehmer der Schweizer Delegation sich bewusst wurden, in welchem Umfeld die WM stattfindet. In Südafrika ist es leicht, die Realität jener über 70% der Bevölkerung auszublenden, die in Townships lebt», so Holliger.

Nachhaltig?

Was wird am Montag, wenn Südafrika aus dem WM-Traum erwacht? «Die WM wird so schnell Vergangenheit sein, wie sie gekommen ist», glaubt Pascal Holliger. In den Medien spreche man schon wieder von Korruption und Vetternwirtschaft.

Aber während eines Monats habe eine veritable nationale Einheit geherrscht. «Ob schwarz oder weiss, arm oder reich, alle wollten der Welt zeigen, dass die Regenbogennation grosse Anlässe organisieren kann und über ein aussergewöhnliches Potenzial verfügen.»

Diese Erkenntnis hallt vielleicht länger nach als das ohrenbetäubende Brummen der Vuvuzelas in den Stadien – Ayoba!!

Samuel Jaberg, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

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