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Barry Callebaut, Schokoladeimperium mit Rissen

Kinder sortieren Kakaobohnen auf einer Plantage in der Elfenbeinküste. AFP

Der Branchenprimus hat auch 2010 ein exzellentes Ergebnis erzielt. Auf den Kakaoplantagen Westafrikas, wo der Konzern Grossabnehmer ist, arbeiten aber Kinder. Experte Patrick Zbinden fordert für Schoggi-Produkte das Max-Havelaar-Label als Standard.

«Jedes vierte, weltweit verkaufte Schokoladeprodukt stammt von Barry Callebaut», illustriert der Kulinarikexperte und Food-Journalist Patrick Zbinden den Status von «BC» als Nummer 1 der Kakao- und Schokoladenbranche.

Das schoggibraune Wunder erreicht der in Zürich ansässige Konzern, indem er konsequent auf eine integrierte Strategie setzt. Von der Kakaobohne über Halbfabrikate für Nahrungsmittel-Multis (z.B. Nestlé, Hershey, Cadbury und Kraft) zu hochwertigen Spezialitäten für Confiseure bis zur Schoggitafel für Endkonsumenten: Barry Callebaut deckt die ganze Produkte- und Verarbeitungs-Palette im Bereich Kakao/Schokolade ab.

Schwellenmärkte erobern

Und das in immer mehr Ländern. Um die Stellung als Weltmarktführer abzusichern, ist Barry Callebaut daran, mit Lieferverträgen und Firmenkäufen in die Märkte von Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien vorzudringen.

So offensiv Barry Callebaut auf dem Markt auftritt, so diskret bleibt der Riese für die Schokolade-Konsumenten. BC hat gerade drei Marken im hauseigenen Schokoladenregal. Dabei gehören Sarotti, Jacques und Alprose nicht zu den Gran-Cru-Schokoladen, sondern finden sich eher beim Discounter und im Tankstellen-Shop.

Zwar spielt Barry Callebaut auch in der Gran-Cru-Klasse, der Champions League der Chocolatiers. «Aber nur Kenner können diese Produkte identifizieren, da sie häufig nicht unter dem Brand von Barry Callebaut verkauft werden», sagt Patrick Zbinden.

Verkauften Chocolatiers oder Confiseure Schokolade oder Pralinen beispielsweise unter der Kakao-Herkunftsbezeichnung Papua-Neuguinea, stammten diese mit grösster Wahrscheinlichkeit von Barry Callebaut, weil kaum ein anderer Anbieter Schokolade aus diesem Land anbiete, weiss Zbinden.

250’000 Kindersklaven

Den süssen Genüssen von Barry-Callebaut-Produkten haftet aber ein bitterer Nachgeschmack an. Das Unternehmen steht – wie andere Branchenvertreter auch – nach wie vor in der Kritik, in Westafrika von Kinderarbeit zu profitieren.

Auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste und Ghana sei das Ausmass der Kinderarbeit nach wie vor «erschreckend», kritisiert die entwicklungspolitische Organisation Erklärung von Bern (EvB). Das Internationale Institut für Landwirtschaft in Tropenländern (IITA) bezifferte Anfang Jahr in einer Studie die Zahl der Kinder, die auf westafrikanischen Kakaofarmen unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten, auf über 250’000 Buben und Mädchen.

Papiertiger

2001 hatten sich Schokoladenhersteller im sogenannten Harkin-Engel-Protokoll freiwillig verpflichtet, die schlimmsten Formen von Kinderarbeit, Kinderhandel und Zwangsarbeit von Erwachsenen auf den Kakaofarmen in der Elfenbeinküste und Ghana bis 2005 zu beseitigen.

Das Protokoll habe wenig gebracht, schreibt die EvB eine Dekade später. Zwar anerkennt die Organisation, dass einige BC-Produkte mit einem Label zertifiziert seien (Fairtrade, Bio, Rainforest Alliance, UTZ, fair for life). Bei den vom Branchenriesen verwendeten Mengen machten die zertifizierten Produkte immerhin mehrere 10‘000 Tonnen Schokolade pro Jahr aus. Doch dies bedeute weniger als fünf Prozent der gesamten Produktion, relativiert die EvB.

Nüchternes Fazit

Jürgen Steinemann, der CEO Barry Callebaut, betont zwar die Wichtigkeit der Ethik im Kakaogeschäft. «Leider kann kein Unternehmen missbräuchliche Kinderarbeit in einem Land der Dritten Welt gänzlich ausschliessen», sagte Steinemann in einem Interview mit der HandelsZeitung. Das Unternehmen fördere aber in jenen Ländern Schulprojekte, damit mehr Kinder zur Schule gehen könnten. «Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber wir arbeiten daran», lautet Steinemanns Fazit.

Dass der Kampf gegen Kinderarbeit komplex ist, anerkennt auch Zbinden. «Bei den Kakaobauern ist es oft Tradition, dass die Kinder auf der Plantage mithelfen.» Mit einem Verbot allein sei es nicht getan, vielmehr müssten Schulen gebaut werden etc., sagt auch er.

Max-Havelaar-Label

Als wirksamstes Mittel gegen Kinderarbeiter – laut Patrick Zbinden «die modernen Sklaven unserer Genussgesellschaft» – erachtet der Food-Journalist einerseits das anerkannte Label von Max Havelaar. Dessen Auflagen garantieren für fairen Handel.

Andererseits könnten kleinere Produzenten, wie etwa der Schweizer Premium-Hersteller Felchlin, vor Ort im direkten Kontakt mit den Kakaoplantagenarbeitern faire Bedingungen schaffen.

Das Havelaar-Zertifikat hat bei den Bananen und bei Kaffee für eine anerkannte Verbesserung der Arbeitsbedingungen gesorgt. Laut Zbinden wüssten alle Player der Schokoladenbranche, dass nach den Bananen, dem Kaffee und den Fischen der Kakao als nächstes Produkt «auf dem Radar der Konsumenten erscheint».

Die Macht, das Label Max Havelaar bei den Herstellern zu etablieren, sieht Zbinden vor allem bei den Grossverteilern und Grosskonzernen wie Nestlé und Kraft, die bei BC Schokoladeprodukte beziehen.

Genussmittel gegen Gesundheitsmittel

Etwas schwer auf dem Magen liegt Lebensmittel-Sensoriker Zbinden auch, dass BC Schokolade zum Functional Food erklären will. Ein erhöhter Wert an Polyphenolen soll sich gesundheitsfördernd auswirken, so der Hersteller.

Polyphenole, die beispielsweise im Wein und Olivenöl vorkommen, wirken wie andere Antioxidantien entzündungshemmend und krebsvorbeugend. Sie schützen auch Körperzellen vor freien Radikalen und verlangsamen die Alterung von Zellen.

«Da ist einmal mehr eine Marketingabteilung auf so genannte Trendforscher und Gesundheitsgurus hereingefallen», sagt Zbinden. Zudem sei über die Polyphenol-Inhaltsstoffe noch so wenig bekannt, dass eine positive Wirkung nicht beworben werden dürfe.

«Wer Schokolade isst, das Genussmittel par Excellence, tut genug für die Gesundheit, als dass man noch mit Phenolen nachhelfen müsste», sagt Patrick Zbinden.

Im Geschäftsjahr 2009/2010 hat Barry Callebaut 257 Mio. Gewinn erzielt, das sind elf Prozent mehr als im Vorjahr.

Beim Umsatz von 5,2 Mrd. Franken resultiert ein Plus von 6,8%. Ohne starken Frankenkurs wären die Resultate sogar noch besser ausgefallen.

Auch den Verkauf von Schokolade und Kakao steigerte der Branchenleader auf 1,3 Mio. Tonnen (+7,6%). Damit erreichte Barry Callebaut sein Wachstumsziel von jährlich 6% bis 8%.

Konzernchef Jürgen Steinemann bezeichnet das Ergebnis als «sehr gut». Die Verkaufsmenge habe den stagnierenden Schokoladenmarkt deutlich übertroffen.

Die Aktionäre sollen mit 14 Franken pro Aktie am Gewinn beteiligt werden.

Barry Callebaut mit Sitz in Dübendorf/Zürich ist weltweite Nummer 1 in der Herstellung von Kakao- und Schokoladeprodukten.

Das Unternehmen produziert in 26 Ländern und zählt über 7500 Mitarbeitende.

Der Konzern ging 1996 aus der Fusion des belgischen Schokoladenherstellers
Callebaut mit dem französischen Schokoladenproduzenten Cacao Barry
hervor.

BC liefert Schokoladenprodukte an die Nahrungsmittelkonzerne Nestlé, Hershey, Cadbury und Kraft (seit September 2010).

Patrick Zbinden ist freischaffender Journalist mit Spezialgebiet Nahrungs- und Genussmittel.

Er leitet Sensorikseminare für Profis und Laien.

Zbinden arbeitet regelmässig für das Schweizer Fernsehen. Seine Koch- und Küchentipps sind ausserdem einmal wöchentlich auf Schweizer Radio (DRS 3) zu hören.

Zuletzt ist im vergangenen Jahr sein Buch «928 Küchentipps» erschienen.

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